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# taz.de -- Österreich kündigt Gasvertrag: Späte Scheidung von Gazprom
> Jahrelang abhängig von russischem Gas nutzt Österreichs Energiekonzern
> einen Lieferstopp für den Ausstieg – kurz bevor die Ukraine ohnehin den
> Transit beendet.
Bild: Die Konzernzentrale von OMV in der Wiener Leopoldstadt
Wien taz | Der österreichische Energiekonzern OMV hat seinen langfristigen
Gasliefervertrag mit dem russischen Staatskonzern Gazprom aufgekündigt. Der
Schritt erfolgte nicht ganz freiwillig: Auslöser war ein Lieferstopp durch
Gazprom Mitte November, den die OMV als grundlegenden Vertragsverstoß
wertet.
Die Vorgeschichte: Die OMV war mit der Gazprom im Clinch, weil Gazprom die
vereinbarten Liefermengen im Jahr 2022 nicht eingehalten hatte. Infolge der
Invasion in der Ukraine hat Russland ja immer wieder am Gashahn gedreht, um
die Preise – mit Erfolg – in die Höhe zu treiben.
[1][Die OMV zog vor ein schwedisches Schiedsgericht], wo sie im November
recht bekam: Das Gericht sprach der dem österreichischen Unternehmen 230
Millionen Euro Schadenersatz von Gazprom zu. Als die OMV daraufhin
ankündigte, diese Summe mit laufenden Zahlungen zu verrechnen, stellte
Gazprom die Lieferungen unvermittelt ein. Was die OMV nun zum Anlass nahm,
den Liefervertrag nun einseitig aufzukündigen. Dieser Schritt wurde am
Donnerstag kommuniziert.
## Rechtlich einwandfreier Ausstieg
Der OMV gelang damit zweierlei: Sie hat einen rechtlich wohl einwandfreien
Grund gefunden, aus dem Vertrag auszusteigen. Schließlich war es die
Gazprom selbst, die sämtliche Lieferungen freiwillig eingestellt hat.
Zweitens gelang der OMV ein einigermaßen Gesicht wahrender Ausstieg im
Licht der österreichischen Öffentlichkeit. Das börsenotierte Unternehmen
habe notgedrungen alle Verträge eingehalten und das – günstigere –
russische Gas ja zwangsläufig kaufen müssen, so die bisherige
Argumentation. Nun aber sei auf Gazprom kein Verlass mehr.
Die OMV verweist zudem darauf, sich nach Februar 2022 auf einen möglichen
Lieferausfall vorbereitet und alternative Bezugsquellen erschlossen habe.
Die Versorgung Österreichs sei daher seit langem auch aus nicht-russischen
Quellen sichergestellt. Es stellt sich bloß die Frage: Warum kommt der
Ausstieg erst jetzt?
## Fast das gesamte Erdgas kommt aus Russland
Denn klar ist: [2][Österreich ist eines der letzten EU-Länder, das fast
sein gesamtes Erdgas aus Russland bezogen hat]. Zwischen 80 und 90 Prozent
waren es in den letzten Monaten, die Menge stieg im Lauf des Jahres 2024
sogar noch. Während andere Länder wie Deutschland oder Italien die
Pipelinegas-Importe aus Russland beendeten, machte die schwarz-grüne
Bundesregierung keine Anstalten, sich rasch von russischem Gas zu trennen.
Zwar hat [3][die grüne Energieministerin Leonore Gewessler] die
Versorgungssicherheit erhöht, etwa mit einer strategischen Gasreserve. Im
Grunde waren aber alle Beteiligten froh, wenn es um das Thema wieder ruhig
wurde. Schließlich hat Österreichs Industrie jahrzehntelang vom billigen
russischen Gas profitiert. Nicht ohne Grund galt Österreich als „nützlicher
Idiot“ Putins, wie etwa der Economist schrieb.
Ein früherer Ausstieg sei nicht möglich gewesen, argumentierten
Bundesregierung und OMV unisono – schließlich habe es sich um einen
langfristigen „Take-or-Pay“ Vertrag gehandelt. Österreich hätte auch zahl…
müssen, wenn es kein Gas abnimmt, so das Argument. Dass die Gazprom aber
seit 2022 selbst mehrfach Lieferungen drosselte oder ganz unterbrach, fällt
dabei unter den Tisch. Die OMV hätten wohl, so vermuten Experten, schon zu
einem deutlich früheren Zeitpunkt vor ein Schiedsgericht ziehen können.
Warum sie das nicht tat? Eine taz-Anfrage an die OMV blieb unbeantwortet.
## Weiter russisches Gas über die Gasbörse
Mit dem Ende des OMV-Vertrags kommt freilich immer noch russisches Erdgas
in Österreich an – die tatsächliche physische Liefermenge hat sich kaum
reduziert. Die OMV kann also weiterhin Gas über die Gasbörse kaufen, wenn
auch teurer als mit dem bisherigen Vertrag. Auch die anderen
österreichischen Kunden, etwa viele Landesenergieversorger, beziehen
weiterhin russisches Gas.
Wohl aber nicht mehr lange: Russisches Gas fließt ja über Pipelines in der
Ukraine und der Slowakei nach Österreich. Mit Ende 2024 endet jedoch der
Gas-Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland, der nicht mehr
verlängert werden soll. Ab Anfang Januar wird voraussichtlich also gar kein
russisches Gas mehr in Österreich ankommen.
## Profit für Russlands Kriegskasse
Die OMV hat also so lange wie nur möglich vom billigen russischen Gas
profitiert. Und nun einen rechtlich sauberen Ausstieg aus vermeintlich
freiwilligen Stücken „geschafft“, der ohnehin wenige Wochen später ins Ha…
gestanden wäre. Ende gut, alles gut?
Nicht ganz, denn profitiert hat auch [4][Putins Kriegskasse] bis zum
Schluss: Mehrere Hunderte Millionen Euro flossen von Österreich nach
Russland – Monat für Monat.
14 Dec 2024
## LINKS
[1] /Russische-Gaslieferungen/!6049515
[2] /Gasimporte-in-Oesterreich/!5992339
[3] /EU-Klimaziele/!6028393
[4] /Oesterreich-russische-Beziehungen/!5959246
## AUTOREN
Florian Bayer
## TAGS
Österreich
Russland
Energiekrise
Gazprom
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Österreich
Schwerpunkt Klimawandel
Olaf Scholz
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