# taz.de -- Russische Gaslieferungen: Gazprom dreht Österreich den Hahn zu | |
> Das Ende kam doch plötzlich: Nach einem Rechtsstreit, den der Konzern | |
> gegen die teilstaatliche österreichische Energiefirma OMV verloren hat, | |
> ist seit Samstag Schluss mit dem billigen Energieimport. | |
Bild: Man kann nun am Rad drehen, soviel man will: russisches Gas kommt durch d… | |
Wien taz | Die russische Gazprom beendet ihre Gaslieferungen für den | |
österreichischen Markt. Die Meldung kam unvermittelt am Freitagnachmittag, | |
keine 24 Stunden vor Beginn des angekündigten Lieferstopps. Das ist heikel, | |
weil Österreich nahezu sein [1][gesamtes Erdgas] weiterhin aus Russland | |
bezieht. Anders als etwa Italien und Deutschland hatte Wien die russischen | |
Importe nicht eingestellt, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat. | |
Nun hat die vom russischen Staat kontrollierte Gazprom Fakten geschaffen. | |
Zwar fließt weiterhin russisches Gas nach Österreich, wie sich | |
Samstagvormittag gezeigt hat. Allerdings bloß Einspeicherungen | |
beziehungsweise Durchleitungen im Auftrag von Auftraggebern aus anderen | |
Ländern, jedoch keine Mengen mehr für den österreichischen Markt. | |
Dem Lieferstopp zuvor ging ein Rechtsstreit, den die Gazprom gegen den | |
teilstaatlichen österreichischen Energiekonzern OMV verloren hat: Gazprom | |
muss der OMV 230 Millionen Euro Schadenersatz zahlen, weil sie ab Herbst | |
2022 vereinbarte Liefermengen nicht eingehalten hatte. Dieses Drehen am | |
Gashahn sorgte erst dafür, dass die Energiepreise durch die Decke gingen. | |
Die aktuelle Strafe, verhängt von einem Schiedsgericht, wurde Mitte der | |
Woche bekannt. Die OMV kündigte infolgedessen an, sie mit den laufenden | |
Zahlungsverpflichtungen gegenzurechnen. Dass Gazprom die Lieferungen als | |
Konsequenz unverzüglich und zur Gänze einstellt, kam jedoch überraschend. | |
Zwar lag ein Ende der russischen Gaslieferungen an Österreich schon länger | |
in der Luft. Die Ukraine hatte angekündigt, nach Auslaufen des derzeitigen | |
ukrainisch-russischen Transitvertrags ab Anfang 2025 kein russisches Gas | |
mehr nach Österreich zu liefern. In Wien schien aber bis zuletzt das | |
Prinzip Hoffnung zu regieren, hinter den Kulissen wurde eifrig nach einer | |
Lösung gesucht. | |
An einem Ausstieg aus dem vergleichsweise günstigen und jahrzehntelang | |
verlässlich fließendem Gas hatte weder die österreichische Industrie, deren | |
Erfolg auch auf billiger Energie beruhte, ein sonderliches Interesse, noch | |
der teilstaatliche Energiekonzern OMV, der am Weiterverkauf gut verdient. | |
Und auch nicht die schwarz-grüne Regierung, die mehr als zwei Jahre lang | |
beteuerte, ihr seien die Hände gebunden. | |
Die OMV berief sich auf langfristige Verträge, aus denen man keineswegs | |
aussteigen könne. Ob dies stimmt, konnte nie überprüft werden: Der Konzern | |
legte die Verträge nicht offen. Selbst die Bundesregierung behauptete, den | |
Liefervertrag nicht zu kennen – und das, obwohl der im Beisein des früheren | |
ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz, neben Putin stehend, bis 2040 verlängert | |
worden war. | |
Die Ankündigungen, am Ausstieg von russischem Gas zu arbeiten, blieben | |
leer. Entsprechende Anstrengungen erwiesen sich als unambitioniert. Die | |
Abhängigkeit sei über Jahrzehnte gewachsen, ein schnellerer Ausstieg sei | |
nicht machbar, hieß es von der Regierung. Zwar wurden mittlerweile | |
alternative Gasliefermengen gesichert. Allein: Am Ende floss aber doch | |
überwiegend russisches Gas, mutmaßlich auch, weil es nach wie vor günstiger | |
ist. | |
## Die Regierung beschwichtigt | |
Was bedeutet nun der Lieferstopp? Fürs Erste wohl nicht viel. Die | |
Gasversorgung aus anderen Quellen ist mittlerweile gesichert, die | |
Energieversorger sind auf dieses Szenario eingestellt, wie es heißt. Zudem | |
ist der Verbrauch wegen der wirtschaftlichen Rezession und milden Wintern | |
stark zurückgegangen. Dadurch sind auch die österreichischen Lager zu 93 | |
Prozent gefüllt, was mehr als einem ganzen Jahresbedarf entspricht. | |
Fraglich ist jedoch, ob es neuerlich zu Preissteigerungen kommt. Davor | |
warnt etwa der frühere OMV-Vorstandsvorsitzende Gerhard Roiss. Er hatte | |
sich schon in seiner Zeit an der Spitze des Konzerns (2015–2021) bemüht, | |
Alternativen zu russischem Gas zu erschließen. Sein Nachfolger Rainer | |
Seele, zuvor Vorstandsvorsitzender der Wintershall, setzte aber weiterhin | |
überwiegend auf Russland. Seele war auch Präsident der Deutsch-Russischen | |
Außenhandelskammer und gilt als Russlandfreund. | |
Seele zufolge sind die Gaspreise infolge des Lieferstopps bereits deutlich | |
gestiegen, von 35 Euro pro Megawattstunde auf rund 50 Euro. „Das Problem | |
ist, dass die Preissteigerung auch auf die Gaskraftwerke und deshalb auf | |
die Strompreise durchschlagen werden“, sagte Roiss im Radio Ö1. | |
Er sieht die Regierung gefordert, preisdämpfende Maßnahmen zu setzen, etwa | |
die Freigabe der staatlichen Gasreserve. Zudem brauche es Investitionen in | |
die Gas-Infrastruktur, etwa in eine seit langem geplante Pipeline zwischen | |
Deutschland und Österreich, aber auch eine Verbindung nach Ungarn. | |
Die Regierung beschwichtigt einstweilen: „Wir lassen uns von niemandem | |
erpressen, auch nicht von Wladimir Putin“, sagte Bundeskanzler Karl | |
Nehammer (ÖVP). Dabei ist genau das geschehen: Österreich hat sich in den | |
vergangenen Jahren aus freien Stücken in eine Abhängigkeit von Russland | |
begeben. Und ließ sich auch vom Ukrainekrieg nicht davon beirren, jeden | |
Monat rund 300 Millionen Euro für russisches Gas zu überweisen. | |
Das bildete sich auch in der Politik ab: Österreich hat sich bereits ab | |
2014, als Russland die Krim annektierte und im Donbass einfiel, immer | |
wieder dezidiert [2][russlandfreundlich verhalten], wie nicht nur | |
Staatsbesuche bei Putin zeigen. Der Grund ist, ähnlich wie in Ungarn, | |
selbstredend die günstige Energie. Insofern ist das nun erzwungene Ende – | |
wenn es denn dabei bleibt – auch die späte Chance für eine politische | |
Kurskorrektur. Ob sie genutzt wird, steht auf einem anderen Blatt. | |
16 Nov 2024 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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