# taz.de -- Kanzler Scholz in Österreich: Streitpunkt russisches Gas | |
> Trotz guter Laune gibt es politische Differenzen mit Österreich, darunter | |
> das Schengen-Nein zu Rumänien und Bulgarien sowie russische | |
> Gaslieferungen. | |
Bild: Trotz Differenzen wird für das Foto gelächelt: Die Kanzler Scholz und N… | |
WIEN taz | „Österreich ist nicht nur unser Nachbar, sondern unser Freund | |
und Partner. Der kulturelle und gesellschaftliche Austausch so intensiv und | |
vielfältig wie mit kaum einem Land“, sagte Kanzler Olaf Scholz bei seinem | |
heutigen Österreich-Besuch in Salzburg. Er und sein österreichischer | |
Kollegen Karl Nehammer waren sichtlich bemüht, vor der Presse gute Stimmung | |
zu verbreiten. Dass es jedoch mehrere strittige Punkte im | |
nachbarschaftlichen Verhältnis gibt, konnten die beiden nicht verbergen. | |
Österreich hatte sich zuletzt mit seinem [1][Nein zum Schengen-Beitritt | |
Rumäniens und Bulgariens innerhalb der EU] isoliert. Scholz machte heute | |
keinen Hehl daraus, dass Deutschland für einen schnellstmöglich Beitritt | |
ist. Nehammer blieb hingegen bei seinem kategorischen Nein, ohne dieses | |
präzise zu begründen. Er sprach vom Außengrenzschutz, der dies erfordere | |
und verwies auf die „besondere Herausforderung“, die Österreich in puncto | |
Migration habe. Überhaupt war Zuwanderung ein Hauptthema. Der Vorwahlkampf | |
in Österreich hat unverkennbar und sehr verfrüht begonnen – gewählt wird | |
planmäßig im Herbst 2024. | |
Dem österreichischen Kanzler sei nicht entgangen, dass in Deutschland die | |
Zahl der Asylanträge wieder steigen, während sie in Österreich – auch dank | |
der „guten Zusammenarbeit mit Ungarn“ – derzeit fielen. „Wir sind eine | |
solidarische Gemeinschaft, darum ist uns das nicht gleichgültig, ganz im | |
Gegenteil. Deutschland kann sich auf Österreich verlassen“, stellte | |
Nehammer in Aussicht. Scholz hatte allerdings nicht den Eindruck erweckt, | |
diesbezüglich Hilfe aus Österreich zu wünschen. | |
## Haltung gegenüber Russland | |
Ein für Deutschland viel schwerwiegenderes Thema dürfte Österreichs Haltung | |
gegenüber Russland sein. Scholz spielte darauf unmissverständlich an. „Der | |
Krieg fordert uns auf, unser Selbstverständnis zu prüfen und zu unbequemen | |
Entscheidungen bereit zu sein“, sagte er. Und weiter: „Russland gefährdet | |
die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur. Wir müssen uns letztlich | |
alle darauf einstellen und die nötigen Konsequenzen ziehen.“ | |
Damit meinte er wohl ein Ende der [2][russischen Gaslieferungen], die immer | |
noch rund drei Viertel aller österreichischen Gasimporte ausmachte. Allein | |
im Vorjahr zahlte Wien mehr als sieben Milliarden Euro für russisches Gas, | |
errechnete das „Neos Lab“, der Thinktank der österreichischen Neoliberalen, | |
im Frühjahr. „Und das, obwohl die Mengen wegen der gedrosselten | |
Gazprom-Lieferungen deutlich geringer ausgefallen sind“, heißt es. | |
Nehammer verteidigte die Gasimporte. Österreich sei noch immer von Russland | |
abhängig, was die Gazprom etwa durch willkürliche Drosselungen im Vorjahr | |
spüren ließ. Das günstige Gas fließt aber wieder in großer Menge, | |
mittlerweile seien die Gasspeicher – die den gesamten Jahresbedarf | |
Österreichs umfassen – zu 90 Prozent gefüllt, wie Nehammer bei jeder | |
Gelegenheit betont. | |
## Sicherheitspolitik – kein großes Thema | |
Doch auch anderthalb Jahre nach dem [3][russischen Angriffskrieg] lässt | |
Österreich keine Eile erkennen. Bis 2027 soll Österreich unabhängig von | |
russischem Gas werden. Tatsächlich bestehen aber Energielieferverträge bis | |
2040, abgeschlossen unter Sebastian Kurz, die die Regierung weder offenlegt | |
noch zu kündigen bereit ist. | |
Die fehlende Diversifizierung begründete Nehammer mit geographisch bedingt | |
fehlenden Häfen für LNG-Anlandungen in Österreich. Diesbezüglich hegt er | |
aber Hoffnungen auf LNG-Importe aus Deutschland. Derzeit arbeite die | |
österreichische Regierung an einer Verbesserung der Konnektivität im | |
Pipeline- und Speichersystem. Auch grünen Wasserstoff will Österreich | |
künftig aus Deutschland importieren, dies ist aber noch Zukunftsmusik. | |
Dass Österreich, das sich traditionell auf seine Neutralität bezieht und | |
eine Sicherheitsdebatte bis heute vermeidet, dem deutschen „Sky Shield“ | |
beitritt, begrüßte Scholz ausdrücklich. Ansonsten wurde die | |
Sicherheitspolitik nicht thematisiert. Die Grenzkontrollen zwischen | |
Deutschland und Österreich spielte Scholz herunter, diese seien aktuell | |
eben notwendig. Näher begründet hat er dies nicht. | |
Überschattet wurde die Pressekonferenz von der [4][Anklage gegen Sebastian | |
Kurz], die während des Pressertermins am Vormittag bekannt wurde. Dem | |
früheren Kanzler wurde Falschaussage vor dem parlamentarischen | |
Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgeworfen. Auf die Anklage gegen seinen | |
Vorgänger angesprochen, sagte Nehammer, dass sich damit „endlich die | |
Möglichkeit der Aufklärung“ böte. Im Falle einer Verurteilung – es gilt … | |
Unschuldsvermutung – drohen Kurz bis zu drei Jahre Haft. | |
18 Aug 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Oesterreich-gegen-Rumaenien-und-Bulgarien/!5951253 | |
[2] /Gaslieferungen-durch-die-Ukraine/!5918296 | |
[3] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150 | |
[4] /Anklage-gegen-Oesterreichs-Ex-Kanzler/!5954544 | |
## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
## TAGS | |
Olaf Scholz | |
Karl Nehammer | |
Österreich | |
Schengen-Abkommen | |
Gaslieferungen | |
Russland | |
Grenzkontrollen | |
Österreich | |
Schwerpunkt Korruption | |
Schengen-Raum | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Österreich-russische Beziehungen: Der Rubel rollt weiter | |
Trotz des Ukraine-Krieges pflegt Österreich beste Beziehungen zu Moskau. | |
Ein Überblick über die russisch-österreichischen Verflechtungen. | |
Anklage gegen Österreichs Ex-Kanzler: Kurz droht Haftstrafe | |
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft hat Anklage gegen den Altkanzler erhoben. | |
Der Vorwurf lautet: Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss. | |
Österreich gegen Rumänien und Bulgarien: Wie sich die ÖVP in Europa isoliert | |
Bulgarien und Rumänien sollen in die Schengenzone, findet eine Mehrheit des | |
EU-Parlaments. Österreich stellt sich quer, mit einem bekannten Argument. | |
Sommerbilanz des Bundeskanzlers: Der Scholz'sche Imperativ | |
Bei der Sommer-Pressekonferenz erläutert der Kanzler, wie Klimapolitik | |
geht, wie er die AfD klein kriegen will und wann er zuletzt im Freibad war. |