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# taz.de -- Mike Millers „GRMPF“ am Schauspiel Köln: Deutschlands schönst…
> Die Kölner Bühnen sind ein Dauersanierungsfall, der mit „GRMPF“ zum
> Schauspielstück wird – eine Farce über die Millionengräber der
> Bundesrepublik.
Bild: Für Kölner Sanierungsfälle hat „GRMPF“ nur fröhlichen Spott übrig
Die Kühlung kann nicht mit der Elektro. Noch komplizierter wird es, wenn
sich der Trockenbauer und die Statikerin zwar das Bett teilen, aber sich in
baulichen Fragen nicht grün sind. Nach über einem Jahrzehnt gemeinsamer
Bauzeit können derlei emotionale Verwicklungen schon einmal entstehen. Das
Ende ist übrigens noch längst nicht in Sicht. Zumindest am Offenbachplatz,
wo die Kölner Bühnen mit diversen Skandalen seit 2012 saniert werden – der
beste Stoff also fürs Theater, mag sich der aktuelle Interimsintendant am
dortigen Schauspiel, Rafael Sanchez, gedacht haben. Der hat nun mit Mike
Müllers „GRMPF“ eine Farce über den Pleiten-, Pech- und Pannen-Reigen
inszeniert.
Und so wird vor der Kulisse (Eva-Maria Bauer) eines gigantischen
Schutthaufens mit [1][Dixi-Klo und Baucontainer] (darüber hängt eine
rosafarbene Geschenkschleife von der Decke) TV-Klamauk vom Feinsten
geboten. Zwei Showmaster (Kelvin Kilonzo, David Rothe) feiern, was
eigentlich zum Weinen ist, und haben dazu allerlei Gäste geladen. Zum
Beispiel den Experten, der über Staubfreiheit philosophiert, oder den
kundigen Eidgenossen. Schlaumeierisch erklärt der, warum der
Gotthard-Tunnel verhältnismäßig günstiger und schneller als die meisten
öffentlichen Millionengräber im deutschen Bürokratistan errichtet wurde.
Während sich andere derweil noch über Schutzgitter oder die
Rauchschutz-Druckanlage in die Haare kriegen, beklagt der Raumreiniger auf
seinem Raumreinigungsmobil sein Dasein als Sisyphos. Hinzu kommt noch das
Arbeiterpärchen, das gar kein Interesse an der Beendigung des langfristigen
Projekts hegt. Hebt daher die Flaschen „auf die Liebe und den Pfusch“! Und
überhaupt: Was soll das ganze Gejammer über „Verschiebungen, die in
Teilverschiebungen zerlegt werden“, das Finanzfass ohne Boden oder auch
neue Geräte, die aber angesichts der vergangenen Zeit vorschriftsgemäß
schon wieder ausgetauscht werden müssen? Schließlich habe man doch, wie man
zu Beginn mitteilt, die „schönste Baustelle in Europa“. Das müsse man doch
bewundern.
## Das Schauspielensemble ironisiert sein eigenes Los
Mit allem Pomp aus Lichteffekten und Big-Band-Songs ironisiert damit das
Schauspielensemble sein eigenes Los in der Zwischenspielstätte
Köln-Mülheim. Gleichzeitig geht es um mehr als eine Lokalposse. Spätestens
die eingestürzte Carolabrücke belegt: [2][Deutschland ist
Sanierungsstauland.] Entweder fehlen die Mittel für den Erhalt wichtiger
Infrastruktur oder bereits in Auftrag gegebene Erneuerungen verzögern sich
zu enormen Kosten, siehe BER in Berlin oder Stuttgart 21.
Dass diese Theatergroteske nach einer Stunde auf der Stelle tritt, passt
natürlich zum Dauerthema. Was soll also noch nach der Pause Neues folgen?
Zuvor hat sich die Regie allein auf die Satire, teilweise auf seichtes
Schenkelklopfer-Niveau, eingeschossen. Daran ändert sich de facto nichts.
Einzig die Politik steht nun klarer im Fokus. Im Stil einer Fürstenkritik
hat nun die Oberbürgermeisterin der Rheinmetropole, Henriette Reker (Anja
Laïs), ihren Auftritt. Sich ermattet und amtsmüde auf einem Sofa wendend,
umgeben sie Dämonen in roten und blauen Anzügen, die ihr mitunter die
Bewilligung der Anschlusskredite einflüstern.
Dieser direkte Angriff auf den Stadtvorstand mag zunächst mutig erscheinen.
Allerdings ist Sanchez ohnehin auf dem Sprung zum Schauspiel Zürich, dessen
Leitung er übernehmen wird. Zudem fällt die Antwort auf die Frage nach der
Verantwortlichkeit ziemlich einfach aus. Und eben darin liegt auch die Krux
des Abends. Er illustriert die Misere und kippt – zweifelsohne vergnüglich
– eine fette Soße aus Spott darüber. Klarer wird die Sicht auf die Dinge
dadurch aber nicht.
17 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Björn Hayer
## TAGS
Theater
Köln
Sanierung
Kulturförderung
Social-Auswahl
Theater
Architektur
Oper
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