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# taz.de -- Betrügereien in der Biogas-Branche: Falsche Zertifikate, illegales…
> Offenbar wurde illegal hergestellter Biodiesel aus China in den
> europäischen Markt gedrückt. Darunter leiden auch niedersächsische
> Biogasanlagen-Betreiber.
Bild: 1.700 Biogas-Anlagen gibt es in Niedersachsen: hier eine Anlage nahe der …
Hannover taz | Es war ein riesiger, internationaler Skandal: Der Handel mit
mutmaßlich gefälschtem Biodiesel und [1][mutmaßlich gefälschten
Klimazertifikaten aus China], der immer noch nicht vollständig aufgeklärt
ist, hat die Preise auf dem deutschen Markt auf Talfahrt geschickt. Mit den
Folgen ringt die Branche immer noch. Das betrifft auch viele
niedersächsische Biogasanlagen-Betreiber. Deshalb hat die CDU dazu in der
vergangenen Woche [2][eine dringliche Anfrage im Landtag] gestellt. Doch
Umweltminister Christian Meyer (Grüne) blieb an vielen Stellen Antworten
schuldig.
1.700 Biogas-Anlagen gibt es in Niedersachsen. Weil für viele von ihnen die
Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ausläuft, müssen sich die
Anlagebetreiber nach Vermarktungsalternativen und einem neuen
Geschäftsmodell umsehen. Etliche überlegten daher, in den Biomethan-Handel
einzusteigen.
Der hat den Vorteil, dass er sich sozusagen doppelt auszahlt: einmal beim
Rohstoff und zweitens über den Zertifikathandel. Vor allem die großen
Mineralölkonzerne kaufen sich damit quasi frei. Mit dem Erwerb der
Zertifikate lassen sie sich die anderswo erzeugten CO2-Minderungen auf ihre
Treibhausgasminderungsquote (THG) anrechnen. Das folgt der Logik, dass man
so Kapital in den Klimaschutz lenken kann – und für das Klima ist es ja
schließlich relativ egal, wo genau das CO2 eingespart wird.
Und gleichzeitig liegt genau da der Haken. Denn bisher ging das auch über
Projekte in China. Von denen stehen nun allerdings etliche unter
Betrugsverdacht, wie Meyer im Landtag auch noch einmal referiert. Von 75
Projekten weltweit, die als Upstream-Emissions-Reduktions-Projekte (UER)
zertifiziert wurden, liegen 66 in China.
## Ein Schattenvertragssystem
45 davon stehen im Verdacht, Teil eines Schattenvertragssystems gewesen zu
sein, an dem vermutlich auch deutsche Zertifizierer ihren Anteil hatten.
Jedenfalls läuft bei der Staatsanwaltschaft Berlin ein Strafverfahren gegen
17 Personen aus dieser Branche. Es scheint sich um ein ausgeklügeltes
System zu handeln, das nur ans Licht kam, weil Branchenexperten sich über
den rasanten Preisverfall wunderten und Hinweise lieferten.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat im vergangenen Sommer alle
weiteren Zertifizierungen in diesem System auf Eis gelegt, eine
internationale Anwaltskanzlei und Detektive sollen sich nun um die
Aufklärung kümmern und Projekte – soweit es geht – rückabwickeln. Die CDU
und auch Teile der FDP werfen ihr allerdings vor, nicht schnell und
entschieden genug gehandelt zu haben.
Das weist ihr Parteikollege Meyer im niedersächsischen Landtag zurück:
Immerhin habe Lemke dieses intransparente und betrugsanfällige
Instrumentarium von der schwarz-roten Vorgängerregierung geerbt, sagt er.
Und letztlich müsse man da eben auch auf EU-Ebene nachbessern. Wie viele
Betriebe in Niedersachsen von diesem Betrug betroffen sind, vermochte Meyer
allerdings nicht zu sagen.
Der Zertifikathandel ist auch nicht der einzige Bereich, bei dem
chinesische Händler eine unrühmliche Rolle zu spielen scheinen. Es gibt
gleichzeitig Hinweise darauf, dass China massiv gepanschten Biodiesel in
den europäischen Markt gedrückt hat. Nachdem die EU Biodiesel aus frischem
Palmöl verboten hatte, der meist aus Indonesien kam, stiegen die Importe
von Biodiesel aus China rasant an. Es besteht nun der Verdacht, dass die
Ware in China lediglich umetikettiert wird.
Nachweisen lässt sich das kaum: Biodiesel aus aufbereitetem Palmöl, das zum
Beispiel in der Industrie oder als Speiseöl anfällt, ist ja erlaubt.
Vermieden werden sollte nur der [3][Biodiesel, der aus frischem Palmöl
hergestellt wird,] um die wenig nachhaltige Rodung von Urwäldern und Anlage
von Palmölplantagen zu verhindern. Und natürlich hat auch hier der
Preisverfall viele einheimische Produzenten massiv unter Druck gesetzt.
„Das Ganze wird auch in Niedersachsen sicher noch die ein oder andere
Insolvenz zur Folge haben“, glaubt Cord-Heinrich Heitzhausen. Er ist
Sprecher der Regionalgruppe Weser-Ems im Biogas-Fachverband, als
Biogas-Anlagenbetreiber aber auch selbst betroffen.
Erst im August hatte die Landwärme GmbH mit Sitz in Berlin, einer der
größten deutschen Händler für Biomethan und THG-Quoten, Insolvenz anmelden
müssen. Das gab einen ziemlichen Knall, weil von dieser Insolvenz auch
zahlreiche Stadtwerke betroffen sind, die nun um die Erfüllung ihrer
Lieferverträge bangen müssen.
Wenn sich kleinere Player vom Markt verabschieden, geschieht das meist
heimlich, still und leise, ist aber nicht weniger schädlich, sagt
Heitzhausen. „Das Problem ist, dass eben auch das Vertrauen der Banken in
diesen Markt erheblich erschüttert wurde.“ Wenn aber die Finanzierungen
plötzlich wackeln, gehen bestehende Projekte pleite und neue werden erst
gar nicht realisiert. „Und wenn die erst einmal weg sind, bekommt man die
auch so schnell nicht zurück.“
Rund 40 Unternehmen und zehn Verbände aus der Erneuerbare-Energien-Branche,
darunter der niedersächsische Landesverband Erneuerbare Energien (LEE)
haben sich deshalb Anfang September zum Aktionsbündnis „Initiative
Klimabetrug stoppen“ (kurz: IKS) zusammengeschlossen. Das IKS fordert vor
allem, dass niemand von dem Betrug profitieren darf. Der nicht realisierte
Klimaschutz müsse nachgeholt werden, es dürfe keine rückwirkende Amnestie
für die Konzerne geben, die gefälschte Zertifikate erworben hätten.
Letztlich, sagt Umweltminister Meyer im Landtag, gehöre das gesamte System
dieses modernen Ablasshandels auf den Prüfstand. Für die Biogas-Branche
müssten außerdem andere Wege gefunden werden, die eine Einspeisung in
Strom- und Wärmenetze wieder profitabel machten. Deshalb habe man sich
einer Bundesratsinitiative Schleswig-Holsteins angeschlossen, die
verbesserte Rahmenbedingungen fordert. Auch das Wirtschaftsministerium
unter Robert Habeck (Grüne) hatte [4][erst im August eine umfassende Reform
der Biomasse-Förderung] angekündigt.
2 Oct 2024
## LINKS
[1] /Wegen-Betrugs-in-China/!6035047
[2] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_19_07500/05001…
[3] /EU-erschwert-Importe-aus-China/!6022606
[4] /Verguetung-fuer-Bioenergie/!6027919
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Biogas
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