# taz.de -- Wahlerfolg der FPÖ in Österreich: Links liegen geblieben | |
> Das linke Lager konnte bei den Nationalratswahlen nicht punkten. Das lag | |
> auch an Flügelkämpfen und fehlenden Ideen gegen den | |
> Strukturkonservatismus. | |
Bild: Abwärtstrend: SPÖ-Parteichef Andreas Babler nach der Nationalratswahl i… | |
Dass die FPÖ das beste Ergebnis ihrer Geschichte einfuhr, liegt auch an der | |
Schwäche der Linksparteien. Nie zuvor hatte die parlamentarische Linke | |
zusammengenommen weniger Stimmen als bei dieser Nationalratswahl, sagt der | |
Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik. Nur 31 Prozent entfielen am | |
Wahlsonntag auf SPÖ, Grüne und KPÖ. Noch vor elf Jahren waren es 42 | |
Prozent, vor 18 Jahren gar 49 Prozent. | |
Zwar sind die liberalen Neos gesellschaftspolitisch durchaus auch links | |
einzustufen. Doch selbst wenn man sie mitrechnet, landen die entsprechenden | |
Parteien nur bei 40 Prozent. Und das, obwohl Rekordinflation, leistbares | |
Wohnen, Gesundheits- und Bildungssystem eigentlich linke Kernthemen sind. | |
Woran liegt es, dass Österreichs Linke so abgeschlagen ist? | |
Zum einen an der strukturell konservativen Mehrheit in Österreich. Mit | |
wenigen Ausnahmen ist Österreich ländlich geprägt. Zwar lebt fast ein | |
Viertel der Bevölkerung im sozialdemokratisch geführten Wien. Drei Viertel | |
aber wohnen in deutlich kleineren Städten oder auf dem Land, wo | |
konservativer gewählt wird. | |
So bleibt nur noch Wien als eine rot gefärbte Insel – in allen anderen | |
Bundesländer landeten nun ÖVP (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, | |
Niederösterreich) oder FPÖ (Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, | |
Burgenland) an erster Stelle. | |
## Immer wieder Querschüsse | |
Ein weiterer wichtiger Grund für die Schwäche des linken Lagers ist die | |
parteiinterne Spaltung. Vor allem die SPÖ leidet seit Jahren unter | |
Personal- und Richtungsdebatten. Bereits gegen Pamela Rendi-Wagner, die | |
Vorgängerin von Parteichef Andreas Babler, gab es immer wieder Querschüsse. | |
Diese kamen vor allem vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter | |
Doskozil aus dem rechten Parteiflügel. Als früherer Polizeichef setzte sich | |
der Politiker etwa für Kontrollen an der ungarischen Grenze ein. Das kommt | |
im Burgenland gut an, nicht aber bei den SPÖ-Genossen in der starken Wiener | |
Landespartei und schon gar nicht im linken Parteiflügel. | |
Auch Babler wurde Opfer von parteiinternen Angriffen. Zwar hatte die Wiener | |
Landespartei, die eher einen Mitte-rechts-Kurs fährt, den dezidiert linken | |
Kandidaten Babler im Rennen um den Parteivorsitz noch unterstützt. Dies | |
jedoch vorrangig deswegen, um den noch unbeliebteren Doskozil zu | |
verhindern. Auch im Wahlkampf hatte Babler immer wieder mit fehlendem | |
Rückhalt aus Wien zu kämpfen. | |
In einem – womöglich bewusst – an die Medien geleakten E-Mail attackierte | |
etwa Doris Bures, die Nummer zwei in der Bundes-SPÖ, den aktuellen Kurs | |
Bablers. Die geforderten Vermögens- und Erbschaftssteuern bei gleichzeitig | |
ausgebauten staatlichen Leistungen könnten „den Verdacht der | |
Unernsthaftigkeit“ entstehen lassen, schrieb sie. Die Medien berichteten | |
dankbar. Wenig hilfreich war auch, dass Bablers Konkurrent Doskozil im | |
Wahlkampf seine Autobiografie auf den Markt brachte. | |
Doch viele Probleme sind auch hausgemacht: Mit populistischen Forderungen | |
wie der Vier-Tage-Arbeitswoche bis hin zu einem niedrigeren Rentenalter | |
verschreckte Babler offenbar viele gemäßigte Sozialdemokraten. Auch frühere | |
Fehler, wie etwa die EU als „aggressivstes außenpolitisches militärisches | |
Bündnis“ und „schlimmer als die Nato“ zu bezeichnen, schreckten wohl so | |
manche Wähler:in ab. Aus strategischer Sicht wäre wohl ein Mitte-Kurs | |
ratsamer gewesen. Schließlich ist die einst gemäßigt konservative ÖVP | |
deutlich nach rechts abgedriftet – und lässt damit die politische Mitte | |
brachliegen. | |
Doch auch andere Parteien machten Fehler. Die Grünen setzten, nach einer | |
durchwachsenen Regierungsbilanz mit manchen Erfolgen wie der CO2-Steuer und | |
dem Klimaticket, auch im Wahlkampf komplett auf das Thema Klimaschutz. | |
Ihrer Wählerschaft war aber, das zeigen Befragungen, vielfach das Thema | |
Sozialpolitik wichtiger. Auch das katastrophale Hochwasser vor wenigen | |
Wochen erst änderte nichts mehr an ihrem Absturz von rund 14 auf rund 8 | |
Prozent. | |
Die Kommunistische Partei (KPÖ) wiederum schreckt manche wegen ihres | |
historisch belasteten Namens ab. Auch kritisiert sie den angeblichen | |
„Eskalationskurs“ der EU bezüglich des Ukrainekriegs und fordert ein Ende | |
der Unterstützung des angegriffenen Landes. Am Ende fehlte es der Partei | |
aber auch an medialer Präsenz. So landete sie am Ende bei bloß 2 Prozent – | |
und bleibt im strukturell konservativen Österreich lediglich ein lokales | |
Phänomen. | |
30 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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