| # taz.de -- Parlamentswahl in Österreich: Klarer Sieg für die FPÖ | |
| > Die rechtsradikale FPÖ ist, vorläufigen Ergebnissen zufolge, erstmals | |
| > stärkste Partei geworden. Jetzt stehen zähe Koalitionsverhandlungen | |
| > bevor. | |
| Bild: Vorläufigen Ergebnissen zufolge Platz eins: FPÖ-Chef Herbert Kickl | |
| Wien taz | Die Umfragen haben recht behalten. Mehr als anderthalb Jahre | |
| lang sahen sie die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Herbert | |
| Kickl auf Platz eins. Diesen erreichte die rechtsradikale Partei nun auch | |
| tatsächlich, zum ersten Mal überhaupt in einer Nationalratswahl. Mit ihren, | |
| vorläufigen Ergebnissen zufolge, 29 Prozent fuhr die Partei zudem das beste | |
| Ergebnis ihrer Geschichte ein. Sie hat sich vollständig von ihrem Absturz | |
| 2019 (16,2 Prozent) infolge des Ibiza-Skandals erholt. | |
| Hinter der FPÖ liegen die konservative ÖVP mit 26,3 Prozent sowie – | |
| deutlich abgeschlagen – die sozialdemokratische SPÖ mit 21 Prozent. Deren | |
| dezidiert linker und bisweilen populistischer Kandidat Andreas Babler war | |
| vor einem Jahr angetreten, um die Partei zu erneuern. Jetzt stehen die | |
| Sozialdemokraten wohl kurz vor der nächsten Personal- und Richtungsdebatte. | |
| Die liberalen Neos sowie die Grünen, die zuletzt mit der ÖVP regiert | |
| hatten, landen bei etwa neun Prozent. Die Kommunisten (KPÖ), die Bierpartei | |
| und alle anderen Kleinparteien haben es aus jetziger Sicht nicht über die | |
| für den Einzug in den Nationalrat nötige Vierprozenthürde geschafft. Das | |
| Endergebnis der Wahl inklusive aller Briefwahlstimmen wird erst am Montag | |
| bekanntgegeben. | |
| Mit diesem Ergebnis steht die österreichische Politik vor großen | |
| Umwälzungen. Diese hängen davon ab, welche Koalitionsmehrheit sich nun | |
| findet. Die Optionen dafür sind überschaubar. [1][Noch am Wahltag | |
| bekräftigte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sein Nein zu einer | |
| Koalition mit FPÖ-Chef Herbert Kickl]. In den Bundesländern | |
| Niederösterreich und Salzburg hatte die ÖVP in den vergangenen Jahren | |
| ebenso eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen, um am Ende doch mit | |
| ihr zu koalieren. | |
| ## Kaum Alternativen | |
| Gleichzeitig gilt eine FPÖ-Regierung ohne ihren Spitzenkandidaten Kickl, | |
| der auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere angelangt ist, als | |
| unwahrscheinlich. Auch hier mangelt es an Alternativen. Außer der ÖVP haben | |
| alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ kategorisch ausgeschlossen. | |
| Aus vorläufiger Sicht wäre eine hauchdünne Mehrheit aus ÖVP und SPÖ (ein | |
| solches Zweigespann galt bis vor wenigen Jahren als „große Koalition“) | |
| möglich. Zuvor war vor allem eine Dreiervariante gemeinsam mit den Neos | |
| diskutiert worden. Realpolitisch liegen aber Welten zwischen den zwei bzw. | |
| drei Parteien: wegen der inhaltlichen Annäherung der ÖVP an die FPÖ, aber | |
| auch dem dezidiert linken, bisweilen linkspopulistischen Kurs von SPÖ-Chef | |
| Andreas Babler. | |
| Viel abhängen wird nun vom Verhalten des Bundespräsidenten, Alexander Van | |
| der Bellen. Fraglich ist, ob er angesichts des eindeutigen Sieges der FPÖ | |
| auch den Regierungsbildungsauftrag an sie als stärkste Partei vergibt, wie | |
| es den jahrzehntealten Usancen entspricht. | |
| Denn Van der Bellen hat immer betont, Wert auf eine proeuropäische | |
| Regierung zu legen. Unter einer Führung der FPÖ wäre eine solche de facto | |
| nicht möglich. Auch haben mehrere Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ | |
| von Anfang an abgelehnt. Einzig ÖVP-Chef Karl Nehammer hat eine solche | |
| nicht kategorisch ausgeschlossen. | |
| ## Mobilisierung Unzufriedener | |
| Kurz nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung lagen auch Ergebnisse der | |
| ORF-Wahlbefragung vor. Die Befragung durch die Institute Foresight und ISA | |
| war in der Woche vor der Wahl mit 1.248 Befragten durchgeführt worden. | |
| Demnach gelang es der FPÖ am besten, Unzufriedene zu mobilisieren. Mehr als | |
| acht von zehn FPÖ-Wähler:innen sehen die Entwicklung Österreichs in den | |
| vergangenen Jahren negativ. | |
| Gleichzeitig gaben in der Befragung nur zwei Prozent der FPÖ-Wähler:innen | |
| den Spitzenkandidaten als Hauptmotiv für ihre Wahlentscheidung an. 45 | |
| Prozent von ihnen nannten jedoch die inhaltlichen Standpunkte als | |
| Hauptgrund. Beliebtester Spitzenkandidat unter allen Parteien ist demnach | |
| der amtierende Kanzler Nehammer, den immerhin zehn Prozent der | |
| ÖVP-Wähler:innen als wichtigstes Motiv für ihre Wahlentscheidung nannten. | |
| Im Wahlkampf etwas untergegangen ist die Inflation, die in Österreich höher | |
| als in den meisten anderen westeuropäischen Ländern war und erst in den | |
| vergangenen Monaten allmählich zurückging. „Inflation“ wurde von 44 Proze… | |
| der Befragten als Thema genannt, das von ihnen „am häufigsten diskutiert“ | |
| wurde. | |
| 40 Prozent nannten das Thema „Migration“, das vor allem FPÖ und ÖVP im | |
| Wahlkampf massiv forciert hatten. An dritter Stelle liegt „Gesundheit und | |
| Pflege“ – ein Bereich, den vor allem die SPÖ thematisierte. Eine | |
| vergleichsweise geringe Rolle spielte der Befragung zufolge [2][das | |
| Hochwasser, das erst vor kurzem ganze Teile Österreichs unter Wasser | |
| gesetzt hatte]. | |
| In ersten Reaktionen waren personelle Konsequenzen in den Parteien noch | |
| kein Thema. Das könnte sich jedoch bald ändern. Auch bevorzugte Partner für | |
| die Koalitionsverhandlungen zeichneten sich vorerst noch nicht ab. | |
| Wahlsieger Kickl sagte dazu im ORF: „Es ist schon so viel geredet worden, | |
| vor allem von Vertretern der Volkspartei. Und dann ist es anders gekommen. | |
| Unsere Hand ist ausgestreckt. Ich bin zu Gesprächen mit jedem und jeder | |
| bereit.“ | |
| 29 Sep 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Florian Bayer | |
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