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# taz.de -- Joan As Police Woman über neues Album: „Es braucht mehr kritisch…
> Die US-Künstlerin Joan As Police Woman spricht über Liebe, Optimismus und
> die Kraft, die es kostet, den Glauben an die Menschheit nicht zu
> verlieren.
Bild: Hier kommt Joan As Police Woman mit ihrem neuen Album „Lemon, Limes and…
taz: Joan As Police Woman, was sind die zentralen Themen Ihres neuen
Albums?
Joan Wasser: Liebe spielt in allen meinen neuen Songs eine wesentliche
Rolle. Sie schließt für mich verschiedene Aspekte in verschiedenen Phasen
ein – etwa das Frisch-Verliebtsein oder die Verlustgefühle. Darüber hinaus
habe ich mich intensiv damit auseinandergesetzt, wie wir Menschen uns immer
mehr von uns selbst entfremden. In meine Songtexte fließen oft
Alltagsbeobachtungen mit ein. In Bezug auf den momentanen Zustand der Welt
ist mir eins besonders aufgefallen: Die Welt kann grausam-verstörend sein
und zugleich wunderschön.
taz: Handelt „Longing for Ruin“ davon, dass sich die Menschheit von selbst
zerstört?
Wasser: Ja. Menschen sind merkwürdig. Auf der einen Seite bemühen wir uns
um gegenseitigen Respekt. Wir versuchen, unseren Planeten zu schützen.
Andererseits machen wir aber viel zu oft einfach weiter so wie bisher und
ruinieren damit unsere Umwelt. Wir können im Grunde kaum in die Zukunft
schauen oder vorausschauend denken.
taz: Warum denn nicht?
Wasser: Weil wir uns sonst fragen müssten: Was tut uns wirklich gut. Wir
entfremden uns zu oft voneinander. Und vergessen dabei, wie wichtig
Empathie, Liebe und Kommunikation sind.
taz: Wer soll denn vernünftiger Zukunftsvisionen anstoßen, die
PolitikerInnen?
Wasser: Politik ist inzwischen zu einer befremdlichen Reality-TV-Show
verkommen, die viele Leute nicht mehr ernst nehmen. Im Grunde müssten wir
nicht einmal wissen, wie Politiker:innen aussehen. Idealerweise
könnten sie sogar Langweiler sein. Denn nicht ihre Persönlichkeit sollte im
Vordergrund stehen, sondern ihr Handeln. Überhaupt müssten
Politiker:innen den Bürger:innen ihres jeweiligen Landes besser
zuhören. Das passiert viel zu selten …
Wie empfinden Sie den Wahlkampf in den USA?
Wasser: In den USA sind wir jetzt in der Situation, wo Trump zurück an die
Macht kommen kann. Immerhin zieht diese schlechte Option einiges an
Aufmerksamkeit auf sich. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
taz: Also beunruhigt Sie die Aussicht auf eine mögliche zweite
Trump-Amtszeit?
Wasser: [1][Ich glaube nicht, dass Trump die Wahl gewinnen wird. Allerdings
habe ich auch vor seiner ersten Amtsperiode noch im Wahlkampf gedacht, er
hätte keine Chance, er könne den Sprung ins Weiße Haus niemals schaffen.
Und dann ist er doch US-Präsident geworden.] Was soll ich sagen? Ich lebe
halt in New York, einer liberalen Stadt, die nicht repräsentativ für die
gesamten Vereinigten Staaten ist.
taz: Dennoch beschwören Sie in dem Stück „Oh Joan“ in einem Gespräch eine
ziemlich düstere Zukunftsvision herauf.
Wasser: Als ich mich mit einem Freund über den traurigen Zustand unserer
Welt unterhalten habe, sagte er zu mir: „Oh Joan, what is there to be
done?“ Das hat für mich die Sache einfach auf den Punkt gebracht, deswegen
wollte ich genau diesen Satz in meinem Lied haben.
taz: Heißt das, Sie blicken recht pessimistisch in die Zukunft?
Wasser: Meiner Ansicht nach können sich Dinge durchaus wieder zum Positiven
wenden. Vor allem, wenn Bürger:innen aufstehen und sich
Politiker:innen in den Weg stellen – so wie es gerade in Israel
passiert. Dort protestieren Hunderttausende gegen Netanjahus Kurs. Korrupte
Staatschefs wie er müssen gestoppt werden.
taz: Wie gehen Sie mit den zahlreichen Horrormeldungen in den Nachrichten
um?
Wasser: Ich nehme sie wahr und mache mir deshalb Sorgen. Natürlich bin ich
keine Politikerin, ich bin Musikerin. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass
Künstler:innen wie ich etwas bewegen können. Wenn ich im Radio all diese
Songs aus den 1970ern höre, mit denen ich aufgewachsen bin, dann kenne ich
jede Textzeile. Von Bob Marley habe ich gelernt: Man kann seine Botschaft
in die Welt hinaus tragen, indem man Kunst macht, die bei den
Zuhörer:innen nachhallt.
taz: Welche Kraft beziehen wir aus Musik?
Wasser: Wir haben viel um die Ohren, gar nicht mal so selten ist unser
Alltag hart. Menschen sind damit beschäftigt, den Lebensunterhalt für sich
und ihre Familien zu verdienen, ziehen Kinder groß, kümmern sich um ihre
Freund:innen, um die Nachbarschaft. Musik kann ihnen dabei Trost spenden.
Vielleicht erinnern manche Songs uns sogar daran, dass wir die Macht haben,
Veränderungen voranzubringen.
taz: Dient Musik nicht manchmal lediglich als Eskapismus?
Wasser: Tatsächlich kann sie uns beim Entspannen behilflich sein, sie sorgt
dafür, dass wir uns wieder als Menschen fühlen. [2][Das ist gerade dann
wichtig, wenn uns Negativschlagzeilen zu überwältigen drohen.] Ich selbst
habe weder Kinder noch Haustiere. Zu Hause umgeben mich Pflanzen und
Instrumente. Insofern bin ich in einer privilegierteren Situation als
diejenigen, die zusätzlich die Verantwortung für andere, die von ihnen
abhängig sind, tragen müssen.
taz: Nicht alle reagieren so besonnen, wenn ich an die prahlerischen
Influencer:innen in „Full Time Heist“ denke.
Wasser: Im Song denke ich laut darüber nach, warum man Bestätigung von
außen sucht. Mit Sicherheit fügen sich Influencer:innen in diesen
Personenkreis ein, zu dem man aufschaut.
taz: Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Influencer:innen und
Social Media gesammelt?
Wasser: Ich verbinde mich in den sozialen Medien durch Musik mit anderen,
das ist meist ein schönes Erlebnis. Ansonsten lasse ich
Influencer:innen nicht großartig mein Leben beeinflussen. Sogenannte
schöne, interessante Menschen wurden schon immer dafür bezahlt,
irgendwelche Produkte zu bewerben. Was wir viel mehr brauchen, ist
kritisches Denken. Wir müssen analysieren, was wahr beziehungsweise unwahr
ist. Ich würde mir wünschen, dass kritisches Denken in Schulen und in
unserer Kultur insgesamt wieder stärker gefördert wird. Dann würde es allen
definitiv besser gehen.
taz: Sie selbst geben zum Beispiel in „Help Is on Its Way“ Denkanstöße. H…
dieser Titel verschiedene Ebenen?
Wasser: Er lässt sich als Liebeslied lesen, genauso thematisiere ich damit
Umweltverschmutzung und Klimawandel. Ich versuche Mut zu machen. Dahinter
steckt auch der Gedanke: Sobald ich Musik veröffentliche, gehört sie mir
nicht mehr. Im Grunde genommen ist sie dann Teil des Universums geworden.
Meine Musik gehört allen.
taz: Das klingt nach einem konzeptuellen Ansatz.
Wasser: Mit solch einer konkreten Intention gehe ich eigentlich nie an die
Musik eines neuen Albums heran. [3][Ich denke nie, die neuen Songs müssen
jazziger klingen. Jazz begleitet mich seit der Kindheit.] Offensichtlich
spiegelt sich das in meinen neuen Stücken wider – zumal wir sie in einem
Studio in Woodstock wie mit einer Jazzband beim Jammen aufgenommen haben.
Das Schöne ist: Man kann unmittelbar auf das reagieren, was die anderen
Musiker:innen machen.
taz: Unter anderen hat die Bassistin Meshell Ndegeocello Ihre Produktion
unterstützt. Welche Impulse hat sie gegeben?
Wasser: [4][Meshell entlockt ihrem Instrument einen einzigartigen Klang,
ihr Stil ist unverkennbar. Ich würde ihr Bassspiel als sehr melodisch und
ebenso rhythmisch beschreiben.] Sie versteht es, einen Song lebhaft zu
gestalten. Und mit sehr viel Soul.
taz: Und wie verträgt sich der Soul mit Ihrer Stimme?
Wasser: Der Fokus beim Komponieren liegt grundsätzlich auf meinem Gesang.
[5][Nur war bei meinem letzten Album „The Solution Is Restless“ die Musik
sehr dicht.] Das Album war [6][während der Pandemie aus
Improvisationsessions mit Tony Allen] und Dave Okumu entstanden.
Anschließend habe ich sehr viel Zeit damit verbracht, in meinem Heimstudio
das entstandene Material zu editieren. Ich brauchte neue Arrangements,
musste die Musik mehr mit meinem Gesang zusammenbringen. Das war sehr
aufwendig. Aus diesem Grund sollte der Produktionsprozess diesmal weniger
kompliziert sein. Ich wollte schlichtere Songs, um meiner Stimme wieder
mehr Raum in diesen zu gewähren.
13 Sep 2024
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## AUTOREN
Dagmar Leischow
## TAGS
Neues Album
Soul
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Performance
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Joan As Policewoman
Schwerpunkt Angela Merkel
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