| # taz.de -- Neues Album von "Joan As Police Woman": Eine Polizistin hat den Blu… | |
| > Joan Wasser könnte auch das Telefonbuch vortragen, man würde sie trotzdem | |
| > vorsorglich in die Arme schließen wollen, beim Hören ihres Albums "To | |
| > Survive". | |
| Das Timbre der Stimme, hat Simon Frith einmal gesagt, sei viel | |
| ausschlaggebender als die Artikulation bestimmter Texte. Man muss den | |
| Gesang gar nicht genau verstehen - und kann doch alles wissen, wenn er erst | |
| einmal anhebt. | |
| Bei Joan Wasser, die sich nach einer Fernsehserie Joan As Police Woman | |
| nennt, ist also nach ein paar Tönen einiges klar: Ihr zweites Album "To | |
| Survive" schlägt sich mit den melancholischen Aspekten des Daseins herum, | |
| und mit der Schwierigkeit, heil aus diversen Liebes- und Lebenswidrigkeiten | |
| herauszukommen. Auf dem dürren, aber soliden Gerüst einiger Klavierakkorde | |
| singt Wasser klassische Blueszeilen und balanciert auf dem schmalen Grat | |
| zwischen verletzlicher Unsicherheit und forderndem Selbstbewusstsein, | |
| zwischen Angst und Würde: "Would you hold me tonight?" Wasser könnte auch | |
| das Telefonbuch vortragen, man würde sie trotzdem vorsorglich in die Arme | |
| schließen wollen. | |
| Joan Wasser sitzen dabei die musikalischen Ahnen im Genick, | |
| Schmerzensfrauen und -männer, Sängerinnen und Sänger, die den Blues auch | |
| hatten; aber doch pocht Wassers Stimme auf das Recht der eigenen Erfahrung: | |
| Der Gestus ist alt, die Empfindung jedoch immer wieder neu. Um Einsamkeit | |
| geht es also, und wie man diese mit jemandem teilen könnte; um die | |
| fortwährende Vergewisserung, dass einen die Liebe aus dem Schlamassel | |
| ziehen möge und doch etwas höchst Fragiles bleibt. Gesungen wird deshalb im | |
| Konjunktiv; die soulige, suchende, wandlungsfähige Stimme hält die Schwebe: | |
| Es wäre schön, wenn ich daran glaubte, sagen die Stimmbänder. | |
| Musikalisch ist das nochmals spannender als auf Joan Wassers Debütalbum | |
| "Real Life" von 2006: Das Fundament bilden ihr Pianospiel sowie Bass und | |
| Schlagzeug. Dazu aber kommen Bläser und Chorsätze, die fein ziselierte | |
| Wendungen nehmen, in manchen Momenten an Steely Dan, dann wieder an schräge | |
| Harmonien Joni Mitchells denken lassen. | |
| Und natürlich erinnert das lustvolle Spiel mit den klassischen Pop- und | |
| Jazz-Stilmitteln an Rufus Wainwright, der im letzten, leicht | |
| anpolitisierten Stück "To America" die Zweitstimme übernimmt. Eine Menge | |
| Anklänge also. Das ist auch kein Wunder, denn Joan Wasser ist eine Frau mit | |
| Vergangenheit: Sie spielte auch bei Black Beetle, der Begleitband ihres | |
| 1997 verstorbenen Freundes Jeff Buckley. Zudem musizierte die ausgebildete | |
| Violinistin auch für Lou Reed und Nick Cave, war Teil von Antony and the | |
| Johnsons und zu guter Letzt tourte sie auch noch mit Rufus Wainwright. Das | |
| Schöne: Man muss von all diesen Referenzen gar nichts wissen, denn ihr | |
| zweites Album funktioniert auch ohne Namedropping. | |
| Wo bei "To Survive" die Üppigkeit und Komplexität der Songs immer wieder | |
| hörbar ist, setzt die Schwedin Sarah Assbring alias El Perro del Mar mit | |
| ihrem zweiten Album "From the Valley to the Stars" auf eine entwaffnende | |
| Einfachheit. Trost aber suchen beide Musikerinnen. | |
| Der offensive Bubblegum-Pop des Debüts hatte die Traurigkeit der Lieder von | |
| Sarah Assbring noch mit viel Puderzucker verziert. Nun liegt sie offener | |
| zutage und wirkt dadurch zugleich auch weniger bedrohlich. Bei Joan Wasser | |
| richtet sich der melancholische und erlösungssuchende Blick auf den | |
| Nächsten, den Anderen, den potenziellen Liebhaber; bei Assbring geht er gen | |
| Himmel. | |
| Dessen Tore öffnen sich bei so viel Andacht und "Gloria" garantiert. "From | |
| the Valley to the Stars" klingt mit der alles dominierenden Orgel, den | |
| gebetsmühlenartigen Wiederholungen und sakralen Harmonien, als säßen wir | |
| auf der Büßerbank einer kleinen schwedischen Provinzkirche. | |
| Das ist alles sehr erbaulich und Sarah Assbring jubiliert so | |
| herzerweichend, dass man gar schon die Englein summen hört. Auf Dauer aber | |
| wird einem auch die schönste Liturgie zum leeren Ritus, und man schlummert | |
| zwar getröstet hinweg und träumt vom Diesseits. Schön wäre es, wenn einen | |
| dort vielleicht Joan Wasser in die Arme nehmen könnte. | |
| 5 Jun 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Rüdenauer | |
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