# taz.de -- Retrospektive von Joan As Police Woman: Im Herzschlag ihrer Musik | |
> Hooklines für die Ewigkeit: Die New Yorker Musikerin Joan As Police Woman | |
> wird zur Klassikerin. Deshalb nennt sie ihr Best-of-Album „Joanthology“. | |
Bild: Good Cop/Bad Cop: Joan As Policewoman in New York | |
„Drums sind für mich das Wichtigste, der Herzschlag. Prinzipiell ist die | |
Musik immer nur so gut wie der Drummer“, sagte Joan Wasser anlässlich der | |
Veröffentlichung ihres Albums „Damned Devotion“, das sie 2018 mit ihrer | |
Band Joan As Police Woman herausbrachte. Gleich sieben Songs dieses | |
ikonischen Albums hat sie für „Joanthology“ ausgesucht, die just | |
erschienene, dreiteilige Retrospektive ihres 15-jährigen Schaffens als | |
Joan As Police Woman – fünf Songs in Studiofassung und zwei, die die Band | |
live für den britischen Radiosender BBC eingespielt hat. Insbesondere dem | |
fordernden „Tell Me“ und dem agitatorischen „The Silence“ ist anzuhöre… | |
dass die Synkope es ihr angetan hat. | |
Für die Aufnahmen von „Damned Devotion“ hat sie ihre frühere Vorgehenswei… | |
– Song komponieren, mit der Band proben, im Studio live einspielen – | |
weiterentwickelt. Einige Songs basieren auf Bassmelodien und Rhythmen, die | |
sie mit ihrem langjährigen Schlagzeuger Parker Kindred im Studio | |
ausgetüftelt hat, für andere hat sie auf dem Drumcomputer Beats | |
programmiert, darüber improvisierten Kindred Schlagzeug und Thomas Bartlett | |
Keyboards. Rhythmus hat ihr Leben schon immer bestimmt, sagt die | |
48-Jährige. „Als ich anfing, eigene Songs zu komponieren, schwebten mir | |
immer als Erstes die Drums vor, rhythmische Pattern oder Drum Fills.“ | |
In den mehr als 30 Songs von „Joanthology“ spiegeln sich zum einen Wassers | |
geradlinige Entwicklung von der Piano- und Schrammelgitarren-affinen | |
Singer-Songwriterin zur elektronisch verstärkten Popheroine. Zum anderen | |
werden zwei Konstanten deutlich: die Fähigkeit von Joan As Police Woman, | |
erhabene Songs zu komponieren, mit Hooklines für die Ewigkeit. Und dass das | |
mit dem Rhythmus kein hohles Gerede ist. Erstaunlich, was mit | |
Betonungsverschiebungen aus einem Viervierteltakt und einer Gesangsmelodie | |
herauszuholen ist. | |
## Fauchige Stimme | |
Die US-Amerikanerin, die in Norwalk, Connecticut, bei Adoptiveltern | |
aufwuchs, ist studierte Violinistin, Klavier spielt sie seit Kindertagen, | |
Gitarre und Bass kann sie auch. Daran, ihre fauchige Stimme als Instrument | |
einzusetzen, musste sie sich erst gewöhnen. Die Geige war ihr Sprachrohr, | |
das sie zunächst beim Boston Symphony Orchestra einsetzte, später in | |
Indie-Bands wie The Dambuilders. | |
Erst bei Black Beetle, der Band, die sie nach Tod ihres Freundes Jeff | |
Buckley mit dessen verbliebenen Bandmitgliedern 1997 gründete, fing sie an | |
zu singen. Unter ihnen war der Gitarrist Michael Tighe, mit ihm hat sie „My | |
Gurl“ komponiert. Der Song stammt von der Debut-EP „Joan As Police Woman“ | |
(2004), als Wasser die Band noch als Duo mit Schlagzeuger Ben Perowsky | |
betrieb. Klavier und Gesang beginnen behutsam in Moll, geben dem später | |
einsetzenden aufmüpfigen Schlagzeug, das auf eine College-Rock-Party | |
ausreißen will, den Rhythmus vor, dazu kommt eine aufgekratzte | |
Schrammelgitarre, aber Wassers akzentuierter Gesang hält alles unter | |
Kontrolle. | |
Mit ihrem ehemaligen Bandkollegen Antony – zu Antony and the Johnsons stieß | |
Wasser 1999 – nahm sie 2006 „I Defy“ (vom Debütalbum „Real Life“) au… | |
Neosoulsong schunkelt sich von der Lounge via verruchte Bläser in die | |
Jazz-Kaschemme, während Wasser und Antony sich einen stimmigen stimmlichen | |
Schlagabtausch liefern. Noch größer wird die Geste in dem hypnotischen | |
Chanson „To America“ (vom Album „To Survive“, 2008), bei dem Duett-Part… | |
Rufus Wainwright Wassers sprödem Gesang Las-Vegas-Schmelz beifügt. | |
## Breitgefächerte Vorlieben | |
Sowohl die Auswahl der Gastmusiker (auf „Honor Wishes“ ist David Sylvians | |
beschwörender Bariton als hauchende Backgroundstimme zu hören) als auch die | |
Auswahl für ihr Coversongs-Album „Cover“ (2009) spiegelt Wassers breit | |
gefächerte musikalische Vorlieben. „Whatever You Like“, ihre Version eines | |
Songs von Südstaaten-Rapper T. I., ist eine schwingende Farfisa-Fiesta. | |
Sonic Youths pumpendes „Sacred Trickster“ wird bei Wasser zum handclapping | |
Call-and-Response zwischen Stimme und Schlagzeug, in der Liveversion für | |
die BBC kommt es allerdings gepresst daher. Der HipHop-Klassiker „She Watch | |
Channel Zero“ von Public Enemy macht als Akustikversion allerdings | |
überhaupt keinen Sinn, aus der wütenden Energie des Originals wird bei Joan | |
As Police Woman enervierendes Kuddelmuddel. | |
Kurioserweise funktioniert „Let It Be You“, der Titelsong der weniger | |
gelungenen Kollaboration Wassers mit Benjamin Lazar Davis von 2016, | |
erstaunlich gut. Coverversionen gibt es noch andere: Die Hallräume von Talk | |
Talks elegischem „Myrrhman“ (von 1991) sind in der Wasser-Version mit | |
eindringlichen Streichern gefüllt. Princes „Kiss“, das Joan As Police Woman | |
auf der „Damned Devotion“-Tour als Zugabe im Programm hatte, kann ohne das | |
funky Tongue-and-Cheek und die Gitarrenlicks des Originals bestehen – Joan | |
Wasser drückt ihrer Produktion des Prince-Meilensteins von 1990 mit | |
bumpendem Bass und tiefergelegten Keybards ihren charakteristischen Stempel | |
auf. | |
Songs wie „Flash“ oder „Human Condition“ vom dritten Album „The Deep … | |
(2011) entwickeln mit unterkühlten Klangräumen und elegischen männlichen | |
Backingvocals hypnotische Wirkung, während der Uptempo-Gospel „Holy City“ | |
vom 2014er-Album „The Classic“ mit soulfullem Handclapping und knackigen | |
Bläserhighlights ins Tanzbein schießt. | |
Beim bisher unveröffentlichten Song „What a World“ bereitet ein Clavinet | |
den Boden, auf dem hingetupfte Bassakkorde, ein stoisches Schlagzeug und | |
gelegentliche Gitarrenfiguren gedeihen. Das, die sinister klingenden Chöre | |
und Wassers hier verletzlich-angriffslustige Stimme machen neugierig auf | |
die nächsten 15 Jahre Joan As Police Woman. | |
22 Jul 2019 | |
## AUTOREN | |
Sylvia Prahl | |
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