# taz.de -- Neues Album von Joan As Policewoman: Angelas Polizistin mit Herzsch… | |
> Großartiger Pop, gefeit gegen Schweigen und Tod: „Damned Devotion“, das | |
> neue Album der US-Musikerin Joan As Police Woman ist nun draußen. | |
Bild: Joan Wasser fährt Streifenwagen | |
Who the fuck is Angie Dickinson? TV-Nerds kennen die Antwort: eine | |
US-Schauspielerin, die in den Siebzigern die Hauptrolle von „Make-up und | |
Pistolen“ übernahm. Die Serie hatte in Deutschland nie den gleichen Status | |
wie in den USA, wo sie unter dem Titel „Police Woman“ lief. Die | |
Schauspielerin, die in dieser Rolle Minirock und Schlagring als Polizistin | |
kombinierte, war ein Vorbild für die US-Musikerin Joan Wasser. „Kraftvoll | |
und sexy“ zugleich sei ihr diese Heldin der Kindheit vorgekommen. | |
„Kraftvoll und sexy“, das traf damals schon auf ihr Debütalbum zu. Groovy | |
und gleichzeitig sensibel sind die Songs der ausgebildeten Violinistin, | |
seltsam erbauliche Stücke zwischen Pop und R&B. Vier Jahre hat die | |
47-jährige Joan Wasser im heimischen Studio herumprobiert, bis ihr neues | |
Album „Damned Devotion“ Form angenommen hat. | |
„Ich habe so viel experimentiert wie noch nie, und die Demos niemandem | |
vorgespielt“, sagt die Sängerin. Das Klangbild ist minimalistisch. Viel | |
mehr als Drum Machines und Synthesizer braucht Wasser nicht, um ihre fein | |
ausgetüftelten, elektronisch-melancholischen Kunstwerke zu fertigen. | |
## Sie braucht ein Pferd | |
Ein Song wie „Steed“ mit seinen zackig synkopierten Rhythmen fällt durchaus | |
nicht aus dem Rahmen, Wasser klingt hier mit Falsett-artigem Gesang und | |
Synthie-Fanfaren wie Prince in düster. Die Künstlerin widmet das Stück dem | |
französischen Romancier Jean Genet. Man möge ihr einen Münzpräger finden, | |
der ihr einen goldenen Widder gieße, singt Wasser kryptisch, um dann im | |
Refrain mit unverhohlener Wollust ein Pferdchen einzufordern: „Baby won’t | |
you buy me a steed / you better get ready yeah“. | |
Joan Wasser ist politisch auch über die Belange der USA hinaus | |
interessiert. Sie hatte davon gehört, wie schwer es der bundesdeutschen | |
Kanzlerin Angela Merkel bei den Koalitionsverhandlungen gemacht wird. „Is | |
Merkel gonna be kicked out?“, fragt Wasser gleich zu Beginn des Interviews | |
und gibt sich empört. Ob man die Politikerin loswerden wolle? | |
Offensichtlich genießt Angela Merkel auf der anderen Seite des Atlantiks | |
bei engagierten Linken Kultstatus. | |
Zutiefst politisch ist der Text ihres mit spröden Beats garnierten Songs | |
„The Silence“, für den Wasser Sprechchöre („My Body My Choice“) vom | |
Washingtoner Women’s March im Januar 2017 gesampelt hat. Ihre These: Es ist | |
das Schweigen, das die Klinge stumpf macht. Hilft es denn überhaupt, in | |
einer Welt die Stimme als Waffe einsetzen zu wollen, in der das gesprochene | |
und geschriebene Wort nicht mehr viel gilt? | |
## Reden hilft gegen Missstände | |
Wasser seufzt: „Wir in der industrialisierten Welt haben, dank des | |
technischen Fortschritts, ein ungekanntes Level an Komfort erreicht. Viele | |
können nicht umhin, sich zurückzulehnen. Wissenschaft hat in den USA heute | |
den Stellenwert von Astrologie. Aber wenn ich nicht daran glauben würde, | |
dass das Reden über Missstände hilft, dann müsste ich die Hoffnung ganz | |
aufgeben.“ | |
Kummer ganz anderer Art hat Joan Wasser bereits erlebt: Im Mai 1997 verlor | |
sie ihren Lebensgefährten, den postum zu Weltruhm aufgestiegenen Sänger | |
Jeff Buckley, der im Mississippi-River ertrank. Und seit der | |
Veröffentlichung ihres letzten Albums „The Classic“ (2013) starben ihre | |
beiden Väter – Wasser wurde als Säugling adoptiert. Die Künstlerin spricht | |
über die Unmöglichkeit, den Tod beim Komponieren auszuklammern. „Die | |
Fragen, die ich diesen Menschen hätte stellen wollen, aber nie den Mut dazu | |
hatte, werden mich für immer begleiten.“ In „What Was it Like“ besingt s… | |
das Gefühl, ihren Vater nie wirklich gekannt zu haben: „You were always | |
there for me / But what was it like to be you?“ | |
Auch davor, klassischen Liebeskummer in Songs zu thematisieren, hat Wasser | |
keine Scheu. Sie tut das im großartigen, auf die Essenz reduzierten | |
elektronischen Pop-Schwofer „Damned Devotion“. Der Titelsong dauert knapp | |
drei Minuten, sie verflucht darin die „verdammte Hingabe“, die ihr privates | |
wie berufliches Leben prägt: „Es geht darum, die Balance zu finden. Nicht | |
obsessiv, aber eben auch nicht zynisch zu werden. Ich werde wieder von der | |
Liebe enttäuscht werden. Aber völlig in etwas zu versinken macht das Leben | |
doch erst lebenswert.“ | |
So ist vermutlich auch der Satz im Album-Booklet zu erklären, in dem die | |
Sängerin all denen dankt, die einmal ihr Herz gebrochen haben. Sie wünsche | |
sich eine Alarmglocke für solch unvermeidliche Enttäuschungen, singt sie im | |
vorab veröffentlichten „Warning Bell“. Im Video zum Song wirft sie einen | |
Rosenstrauß aus dem Autofenster. Joan Wasser ganz verwundbar, den Verlust | |
eines Geliebten betrauernd, den sie nicht hat kommen sehen. Denn da war ja | |
diese sanfte Musik, die sie abgelenkt hat: „All I hear is music soft and | |
low.“ | |
13 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Jan Paersch | |
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