Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Landtagswahl in Brandenburg: Grüne ergreifen Flucht nach vorn
> Am 22. September müssen die Grünen um den Einzug in den Landtag bangen.
> Vor allem der Wahlkampf von Dietmar Woidke (SPD) macht ihnen zu schaffen.
Bild: Führen die Brandenburger Grünen in den Wahlkampf: Benjamin Raschke und …
Berlin taz | Spätestens seit dem Wochenende nehmen Brandenburgs Grüne keine
Rücksicht mehr auf ihren Koalitionspartner. „Die SPD ist kein Bollwerk mehr
gegen die AfD“, sagte Co-Spitzenkandidat Benjamin Raschke auf einem kleinen
Parteitag am Samstag. Ministerpräsident Dietmar Woidke wechsle in der
Asylpolitik „im Minutentakt rüber zu Positionen von rechts außen“. Raschke
wörtlich: „Der Kompass der SPD ist nach Solingen völlig verrutscht.“
Seine Kritik bezog sich auf eine Konferenz des SPD-Regierungschefs mit
Landräten und Oberbürgermeistern am vergangenen Freitag, bei der als
Konsequenz aus dem Anschlag von Solingen eine härtere Asylpraxis vereinbart
wurde.
Die Attacke auf den Koalitionspartner ist wohl auch der Versuch der Grünen,
einem strategischen Dilemma zu entkommen. Auch bei einer Runde der
Spitzenkandidaten in Potsdam am Sonntag hatte Woidke seine Entscheidung
bekräftigt, im Fall eines Wahlsiegs der in Umfragen derzeit führenden AfD
hinzuschmeißen. Er wolle am 22. September vor der AfD liegen, „damit die
Brandenburger Fahne keine braunen Flecken bekommt“, sagte Woidke. Scheitere
er damit, stehe er als Ministerpräsident nicht mehr zur Verfügung.
Damit setzt Woidke, wie zuvor schon der sächsische Ministerpräsident und
CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer, alles auf eine Karte. Vor allem
Grüne und Linke könnten dabei unter die Räder kommen. In Sachsen, wo 50
Prozent der CDU-Wähler angegeben haben, nur für die Christdemokraten
gestimmt zu haben, damit die AfD die Wahl nicht gewinne, landeten die
Grünen mit 5,1 Prozent nur knapp über dem Strich. Auch in Brandenburg muss
die Partei um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die Grünen kommen der
jüngsten Umfrage zufolge auf 5 Prozent. Die Linke würde, sofern sie kein
Direktmandat gewinnt, mit 4 Prozent nicht mehr im Parlament vertreten sein.
## Kritik an Woidkes „Ego“
Im Gespräch mit der taz sagte Raschke, er halte nichts von Woidkes Ansage,
entweder die SPD wird stärkste Partei oder er sei weg. „Da nimmt er sich zu
wichtig“, so Raschke. „In einer Demokratie muss man trennen können zwischen
dem Amt und der Person. Ich würde als Wählerin oder Wähler erwarten, dass
nicht das Ego, sondern das Wohl des Landes und eine stabile Regierung im
Mittelpunkt steht.“
Die Grünen hoffen nach wie vor, dass die aktuelle Koalition aus SPD, CDU
und Grünen auch nach der Wahl eine Mehrheit haben wird. „Wenn die Grünen
nicht im Parlament vertreten sind, könnte das Land von SPD, CDU und den
Putin-Freunden des BSW regiert werden“, sagte Raschke auch vor den 70
Teilnehmenden des Landesdelegiertenrats in Potsdam.
Ähnlich äußerte sich der Grünen-Verkehrspolitiker Clemens Rostock. [1][Auf
dem taz Panter Forum am Samstag in Cottbus] warnte Rostock vor einer
weiteren Gefahr, sollten Grüne und Linke nicht mehr im Landtag vertreten
sein. „In diesem Fall könnte die AfD auch mit einem Ergebnis unter 30
Prozent eine Sperrminorität bekommen“, sagte Rostock. Damit ließe sich etwa
die Wahl von Verfassungsrichtern blockieren. In Thüringen hat die AfD diese
Möglichkeit bereits. In Sachsen fehlte ihr zur Sperrminorität nur ein
einziger Sitz im Dresdner Landtag.
Anders als Dietmar Woidke, der auf die Unterstützung von Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) ausdrücklich verzichtet, setzen die Grünen in Brandenburg ganz
auf die Bundesprominenz, darunter Außenministerin Annalena Baerbock. Auch
sie wechselte beim Potsdamer kleinen Parteitag in den Angriffsmodus. „Ich
mache mir etwas Sorgen um meinen Bundeskanzler. Wen soll der denn am 22.
September eigentlich in Brandenburg wählen?“, sagte Baerbock. „Wenn sich
Dietmar Woidke bis zur Wahl nicht berappelt, dann hat er ja nur eine Wahl:
Bündnis 90/Die Grünen.“
Hintergrund von Baerbocks Stichelei ist eine Antwort der Brandenburger SPD
beim Wahl-O-Mat zur Landtagswahl. Auf die Aussage „Brandenburg soll sich
dafür einsetzen, dass Deutschland weiterhin Waffen an die Ukraine liefert“,
hatte die SPD mit „neutral“ geantwortet. Woidke begründete das am Sonntag
damit, dass Michael Kretschmer in Sachsen genauso auf die Frage geantwortet
habe.
Und was, wenn Woidke am 22. September tatsächlich „weg“ sein sollte, wie er
das für den Fall einer Niederlage angekündigt hat? Würde dann aus der SPD
die eher grünenfreundliche Wissenschaftsministerin Manja Schüle an seine
Stelle treten oder die zum russlandfreundlichen Flügel zählende
Finanzministerin Katrin Lange? Woidke selbst wollte sich beim Treffen der
Spitzenkandidaten am Sonntag dazu nicht äußern. „Ich konzentriere mich
nicht auf Nachfolgedebatten“, sagte er. „Wir sind nicht im Königreich. Die
SPD ist keine One-Man-Show“, erklärte ausgerechnet der Mann, dessen
Konterfei auf den Plakaten seiner Partei im Land allgegenwärtig ist –
verbunden mit der Botschaft: „Wer Woidke will, wählt SPD“.
„Mit seiner Ankündigung hat Woidke seine Partei geschwächt, weil damit
natürlich auch eine Debatte um seine Nachfolge ausgelöst wurde“, sagt
Benjamin Raschke im Gespräch mit der taz. „Damit weiß aber auch niemand,
was man mit der SPD am Wahlsonntag bekommt“, so der Grünen-Spitzenkandidat.
Für die Wahl macht sich der Grüne selbst etwas Mut. „Wir erhalten auch
Zuspruch von Sozialdemokraten und rot-grünen Wechselwählenden, die entsetzt
sind über den Rechtskurs von Woidke. Wer eine AfD-Sperrminorität verhindern
und eine Regierung ohne das BSW will, muss Grüne wählen.“
10 Sep 2024
## LINKS
[1] /programm/2024/panterforum-cottbus/de/timeline.html
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Die Grünen Brandenburg
Dietmar Woidke
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Landtagswahl Brandenburg
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Flüchtlinge
Landtagswahl Brandenburg
Schwerpunkt Stadtland
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Dietmar Woidke
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dietmar Woidke vor der Landtagswahl: „Deutschland muss härter agieren“
Der SPD-Ministerpräsident Brandenburgs will schärfer gegen illegale
Migration vorgehen, um die AfD zu schlagen.
Landtagswahlen in Brandenburg: In Brandenburg ist alles offen
Zieht die SPD von Dietmar Woidke am 22. September an der AfD vorbei? Und
wer wird Brandenburg regieren? Sogar eine große Koalition scheint möglich.
BSW-Wahlkampf in Brandenburg: Ein Phantom geht um
Die Wagenknecht-Partei dürfte auch bei der Landtagswahl in Brandenburg
abräumen. Ihr Spitzenkandidat Robert Crumbach ist fast gänzlich unbekannt.
Brandenburger Flüchtlingsrat: „Symbolpolitik statt Problemlösung“
Die Migrations- und Flüchtlingspolitik in Brandenburg sei getrieben von
populistischem Aktivismus, sagt Vincent da Silva vom Flüchtlingsrat.
Landtagswahlkampf in Brandenburg: Fünf Männer beim Monopoly
Ohne AfD und BSW: Bei einem Treffen der Spitzenkandidaten in Potsdam geht
es entspannt zu.
Landtagswahl in Brandenburg: Kein Raum für die AfD
In Michendorf wird weniger rechtsextrem gewählt als anderswo in
Brandenburg. Der Ort im Speckgürtel von Berlin boomt. Reicht das als
Erklärung?
Vorschau auf die nächsten Landtagswahlen: Brandenburg kann es besser
Die Chancen für Ministerpräsident Woidke steigen nun und die AfD hat einen
schwereren Stand: 5 Thesen nach den Wahlen für Brandenburg.
Wahlkampf in Brandenburg: Woidke geht ins Risiko
Die Brandenburger SPD setzt ganz auf ihren Spitzenkandidaten. Wenn die SPD
nicht vor AfD und CDU liegt, ist Dietmar Woidke weg. Wer könnte ihm folgen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.