# taz.de -- Klage von Ökostromerzeugern: Gebremste Strompreise vor Gericht | |
> Durch die Strompreisbremse wurden Ökostromerzeugern Gewinne abgeschöpft. | |
> Die wollen sie zurück. Das Verfassungsgericht nahm sich ihrer Klage an. | |
Bild: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt über die Abschöpfu… | |
Karlsruhe taz | Wurden die Erzeuger von Ökostrom zu Unrecht zur | |
Mitfinanzierung der Strompreisbremse herangezogen? Darüber verhandelte an | |
diesem Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Geklagt hatten | |
22 Unternehmen der Branche – vom [1][Lichtblick Solarpark Calbe] über das | |
Holzenergiewerk Melsungen bis zum Enova Windpark Gehrde. | |
Die Strompreisbremse war vom Bundestag im Dezember 2022 beschlossen worden, | |
nachdem der Strompreis im Laufe des Jahres 2022 massiv angestiegen war. | |
Hauptgrund hierfür war, dass Gaslieferungen aus Russland nach dessen | |
Einmarsch in die Ukraine gezielt verknappt wurden. Außerdem fiel rund die | |
Hälfte der französischen Atomkraftwerke vor allem wegen fehlender Kühlung | |
aus – auch das trieb den Preis in die Höhe. Auf dem Spotmarkt der | |
Strombörsen hatte sich der Strompreis innerhalb eines Jahres verfünffacht, | |
in Spitzen lag er sogar zehnmal so hoch wie zuvor. | |
Im Oktober 2022 beschloss die Europäische Union eine Notfallverordnung, mit | |
der die hohen Energiepreise gesenkt werden sollten. Sie sah auch vor, | |
sogenannte Überschusserlöse bei den Produzenten von erneuerbaren Energien | |
sowie von Atom- und Braunkohlestrom abzuschöpfen. Diese, so die | |
Argumentation, profitierten massiv von den hohen Strompreisen. Dabei hätten | |
sich ihre Produktionskosten tatsächlich nicht erhöht. Im Detail wurde den | |
EU-Staaten bei der Umsetzung der Verordnung aber viel Spielraum gelassen. | |
Der Bundestag beschloss deshalb Ende Dezember 2022 das deutsche | |
Strompreisbremsegesetz. Insgesamt hatte die Bundesregierung 43 Milliarden | |
Euro eingeplant, um den Anstieg der Preise einzudämmen. Zur Finanzierung | |
sah das Gesetz vor, dass bis Juni 2023 sieben Monate lang 90 Prozent der | |
sogenannten Zufallsgewinne bei den Energieerzeugern abgeschöpft werden | |
sollten, insgesamt rund 13,5 Milliarden Euro. Der Rest des Geldes sollte | |
aus dem Bundeshaushalt fließen. | |
## Erdgaspreise fielen schnell wieder | |
Tatsächlich kam es anders. Weil im zahlungsbereiten Europa nun plötzlich | |
[2][sehr viel Flüssiggas aus anderen Regionen der Welt] angeliefert wurde, | |
fielen die Erdgaspreise und bald auch die Strompreise wieder deutlich | |
schneller als erwartet. Insgesamt musste der Bund deshalb nur 16,3 | |
Milliarden Euro für die Strompreisbremse aufwenden, die im Dezember 2023 | |
auslief. Die Abschöpfung bei den Stromunternehmen beschränkte sich sogar | |
auf 750 Millionen. | |
Die Ökostromerzeuger, die [3][bereits Anfang 2023 geklagt] hatten, hielten | |
ihre Verfassungsbeschwerden dennoch aufrecht; die Rechtsfrage habe | |
grundsätzliche Bedeutung, argumentierten sie. Die Kläger halten es für | |
verfassungswidrig, dass Kraftwerksbetreiber zur Mitfinanzierung der | |
Strompreisbremse herangezogen wurden, statt diese Sozialleistung und | |
Wirtschaftssubvention ausschließlich aus dem allgemeinen Haushalt zu | |
bezahlen. | |
Die Abschöpfung der Überschusserlöse sei eine „Sonderabgabe“, so ihr | |
Standpunkt. Für diese gebe es verfassungsrechtliche Bedingungen, die hier | |
jedoch nicht erfüllt seien. „Weder sind die Ökostromproduzenten für den | |
Anstieg der Strompreise verantwortlich, noch wurden die Einnahmen | |
gruppennützig verwendet“, argumentierte Rechtsanwalt Christian von | |
Hammerstein. | |
Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich bei der kritisierten | |
Abschöpfung der Zufallsgewinne jedoch gar nicht um eine Sonderabgabe, | |
sodass auch deren hohe rechtliche Hürden nicht relevant seien. Denn die | |
abgeschöpften Millionen flossen nicht an den Staat, sondern nur an die | |
Netzbetreiber, die das Geld dann verwalteten und verrechneten. Es handle | |
sich also vielmehr um eine normale „Preis- und Erlösregelung“, sagte | |
Ministerialdirektor Philipp Steinberg aus dem Bundesministerium für | |
Wirtschaft und Klimaschutz. | |
Das Urteil der Verfassungsrichter wird in einigen Monaten verkündet. Falls | |
die Ökostromproduzenten in Karlsruhe erfolgreich sind, bekommen sie ihr | |
Geld zurück. | |
24 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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