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# taz.de -- Kakaoanbau in Ecuador: Jagd auf die Samen des Kakaobaums
> Kakao ist knapp auf dem Weltmarkt, das treibt die Preise nach oben. Nun
> beginnt sich auch das organisierte Verbrechen für die Bohnen zu
> interessieren.
Bild: Diese Kakaofrüchte in Ecuador bergen ein rares und deshalb heiß begehrt…
Hamburg taz | Die Staatsanwaltschaften in Ecuador haben es mit einem neuen
Delikt zu tun: Angriffe von bewaffneten Banden auf mit Kakao beladene
Sattelschlepper. Immer wieder werden Lkws aus den Kakao anbauenden
Provinzen des Landes wie Los Ríos oder Esmeraldas gewaltsam gestoppt und
ausgeplündert.
Oft sind die Aktionen von organisierten Banden penibel geplant, oft kommen
mehrere Fahrzeuge zum Einsatz und immer wieder kommt es zu Schusswechseln
mit Wachleuten, zu Toten und Verletzten. Der letzte Fall, bei dem ein
bewaffneter Wachmann starb, ein weiterer schwer verletzt wurde, datiert vom
20. Juli und ereignete sich auf der Strecke von Buena Fe im Süden des
Landes in die Hafenstadt Guayaquil.
Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft waren zwölf Männer in vier Wagen
für den Angriff und den Raub von Zugmaschine und Trailer verantwortlich.
Der Sattelschlepper wurde jedoch wenig später von Polizei und
Armeeeinheiten sichergestellt. Kein Einzelfall in Ecuador, wo die
Kakaoernte gerade zu Ende ging und wo die Bauern angesichts steigender
Preise seit rund zehn Monaten versuchen, ihre Produktion nach oben zu
fahren, sagt Jan Schubert, Kakaospezialist der [1][Edel-Schokoladenmarke
„Original Beans“].
„Die Rallye an der Börse mit Preisen von bis zu 12.000 US-Dollar pro Tonne
Kakao hat dazu geführt, dass die Bauern vernachlässigte Flächen
reaktiviert, Bäume beschnitten und gedüngt haben“, erklärt er. „Das füh…
zu Erntezuwächsen, ändert aber am bestehenden Defizit an Kakao nichts.“
## Überfälle auf Kakao-Lagerhäuser in Peru
Schubert lebt in Cuenca, einer Kolonialstadt im Süden des Landes, er konnte
noch im letzten Jahr die Partnerkooperativen in den Anbauregionen ohne
große Probleme besuchen. Das ist jetzt vorbei. „Die organisierte
Kriminalität hat die Kakaobohne entdeckt, Angriffe auf Lkws, Lagerhallen
und selbst auf Bauern, die ihre Ernte transportieren, sind alles andere als
selten.“ Vor allem im [2][unter organisierter Drogenkriminalität leidenden
Ecuador], aber auch im benachbarten Peru ist das der Fall.
Das bestätigt Luis Mendoza, der Präsident der peruanischen Vereinigung der
Kakaoproduzenten: „Überfälle auf Lagerhäuser im peruanischen Amazonasgebiet
hat es gegeben, aber auch Angriffe auf beladene Lkws auf dem Weg von San
Martín, einer von mehreren Anbauregionen für Kakao, nach Lima.“ Die hohen
Kakaopreise haben laut Mendoza dazu geführt, dass Aufkäufer aus aller Welt
auch minderwertige Bohnen zu hohen Preisen kaufen – und dazu, dass die
Kriminalität rund um die Bohnen zunimmt. Der Kakaoexperte, der ganz im
Norden Perus eine eigene Kakaofarm nahe der Stadt Piura unterhält,
berichtet, dass die Bauern derzeit in kürzeren Abständen ernten. „So wollen
sie Dieben auf den Feldern keine Chance lassen, verfrachten die Kakaobohnen
anschließend schnell in bewachte Lagerhäuser.“
Rund um den Globus ist in den Kakao anbauenden Ländern das Kakaofieber
ausgebrochen. Preise liegen derzeit bei rund 6.200 US-Dollar pro Tonne
Kakao, dreimal [3][höher als der Durchschnittspreis der letzten Jahre]. Der
pendelte oft um die 2.000 US-Dollar-Marke, daher war der Kakaoanbau für
viele Bäuer:innen nur bedingt reizvoll, so Mendoza. In Peru entschied
sich die Regierung auch deshalb vor ein paar Jahren für die Förderung von
Biokakao, für den Zuschläge gezahlt werden und der systematisch ausgebaut
wird. Das Ziel: die Ernte von derzeit 150.000 bis 160.000 auf 200.000
Tonnen bis Ende 2030 zu steigern.
Das wäre rund ein Drittel der Produktion von Ecuador, wo das Gros der Ernte
von 400.000 bis 500.000 Tonnen allerdings nach konventionellen Kriterien
angebaut wird. Hinter der Elfenbeinküste und Ghana ist Ecuador die Nummer
drei auf dem Weltmarkt für Kakao, kann trotz Erntezuwächsen aber nicht
ansatzweise die Ernteausfälle der anderen kompensieren. Die haben zu einem
Run auf die aromatischen Bohnen geführt und den Preisboom nach sich
gezogen.
## Minderwertige Kakao-Bohnen für viel Geld
Knapp 400.000 Tonnen weniger Kakaobohnen wurden in Ghana geerntet, etwa
500.000 Tonnen waren es in der Elfenbeinküste. Die Missernten in den beiden
Ländern, die für rund 60 Prozent der Kakaoproduktion verantwortlich sind,
haben zu einem Kakaodefizit auf dem Weltmarkt gesorgt. Das taxieren
Experten auf mindestens 400.000 Tonnen. Verantwortlich für die Missernten
ist, neben dem Klimawandel, die Überalterung der Kakaobäume, die sie für
zwei Schädlinge, die derzeit in Westafrika weit verbreitet sind, anfälliger
machen.
Der Kakaomangel hat dazu geführt, dass Kakaoaufkäufer mit prall gefüllten
Brieftaschen weltweit unterwegs sind, um so viel wie möglich für ihre
Auftraggeber einzukaufen. Dafür werden Preise gezahlt, die manchmal
oberhalb des Börsenpreises liegen, oft wird minderwertige Ware akzeptiert.
Das hat dazu beigetragen, dass Bäuer:innen ihre Ernte zum Teil nicht an
die eigene Genossenschaft liefern, sondern Kakao wie in der Elfenbeinküste
in großem Stil geschmuggelt wird. Faire Anbieter wie „Original Beans“
machen sich Sorgen. „Wir wissen nicht, ob wir in den nächsten Monaten
ausreichend Biokakao erhalten werden, denn vieles deutet darauf hin, dass
die Bäuer:innen ihre Bioware an zahlungskräftige Aufkäufer verkaufen“,
sagt Jan Schubert.
Gerade kleine und nachhaltige Schokoladenanbieter könnten laut Schubert
leer ausgehen, obwohl sie traditionell besser zahlen als die Aufkäufer der
Kakao verarbeitenden Industrie [4][mit Großkonzernen wie Mars, Nestlé] oder
Mondelez. „Ein Mindestpreis, der es den Bäuer:innen ermöglicht, von ihrem
Kakao zu leben und ihre Einnahmen zu kalkulieren, wäre ein Fortschritt“,
meint Schubert. Doch derzeit deute vieles darauf hin, dass es nach der
Hochpreisphase einen Ausbau des Anbaus geben wird mit dann wieder sinkenden
Preisen. Ein typischer Zyklus, der nicht im Interesse der Bäuer:innen
ist.
10 Sep 2024
## LINKS
[1] https://originalbeans.com/de?srsltid=AfmBOoouYfo_JTs_mt9y2bg-mKekcwzDJZms0Q…
[2] /Ecuador-Reise-mit-Risiken/!6006429
[3] /Internationale-Kakao-Konferenz/!6003503
[4] /Babynahrung-in-Entwicklungslaendern/!6002068
## AUTOREN
Knut Henkel
## TAGS
Welthandel
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Ecuador
Peru
Bandenkriminalität
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Kakao
Kuba
Fairer Handel
Schwerpunkt Klimawandel
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