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# taz.de -- Klimawandel gefährdet Bäuer:innen: Im Stich gelassen
> Kleine Agrarbetriebe sichern die weltweite Ernährung. Dennoch werden sie
> mit dem Klimawandel alleingelassen, meint die Kleinbäuerin Elizabeth
> Nsimadala.
Bild: Eine Kleinbäuerin in Uganda
Mein bäuerliches Leben auf den grünen Feldern im Westen Ugandas wurde einst
von den Jahreszeiten diktiert. Im Frühjahr haben wir die Saat ausgebracht
und in den Sommermonaten geerntet. Im Spätsommer kam der Regen. Das ist
heute anders. Durch den Klimawandel pflanzen wir, ohne zu wissen, wann der
Regen kommt und wie stark die Regenfälle ausfallen werden. Während ich
diese Zeilen schreibe, wächst in meiner Region die Besorgnis über eine
Nahrungsmittelknappheit. Schwere Überschwemmungen infolge von Regenfällen
haben weite Teile Ostafrikas verwüstet. Über 27.000 Hektar Ackerland wurden
zerstört und Tausende Nutztiere getötet.
Es ist klarer denn je, dass sich unsere Landwirtschaft an die
katastrophalen Folgen der Klimakrise anpassen muss. Damit Bäuerinnen und
Bauern weltweit auf Dürre, Starkregen und andere Folgen des Klimawandels
reagieren können, benötigen sie finanzielle Unterstützung. Doch genau an
der fehlt es: Die Lücke zwischen den verfügbaren und den benötigten Mitteln
für die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel weltweit beträgt
jährlich rund 212 Milliarden US-Dollar.
Allerdings bewegt sich etwas: Es gibt ein wachsendes Bewusstsein dafür,
dass das neue Finanzierungsziel, das bei der COP im November beschlossen
werden soll, ehrgeiziger sein muss. Die deutsche Außenministerin deutete
beim Petersberger Klimadialog im April an, dass bis 2030 jährlich eine
Billion US-Dollar mobilisiert werden müssten.
## Systemrelevant und übersehen
Diese Unterstützung muss auch bei denen ankommen, die uns ernähren.
Kleinbäuerliche Familienbetriebe produzieren weltweit über ein Drittel
aller Lebensmittel. Bei ihnen kamen aber 2021 nur 0,3 Prozent der
internationalen Klimafinanzierung an. Entscheidend ist, dass die Förderung
auch für Netzwerke von Familienbetrieben und den Zusammenschlüssen von
Kleinbäuerinnen und -bauern zur Verfügung steht.
Als mein frisch angepflanztes Feld durch extreme Regenfälle zerstört wurde,
hatte ich die finanziellen Mittel, um genügend Saatgut, Material und
Arbeitskräfte zu bezahlen, um das Land neu zu bestücken. Viele
Nachbarbetriebe hatten nicht so viel Glück. Der Zugang zu Förderung –
[1][vor allem nach Extremwetterereignissen] – ist für kleine Betriebe eine
Frage der finanziellen Existenz.
Dieser Missstand schadet nicht nur landwirtschaftlichen Betrieben, sondern
trifft auch die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa. In Deutschland
zeigen die Preisspitzen bei Lebensmitteln wie Kakao unsere Anfälligkeit für
die Folgen des Klimawandels. Viele Produkte, die in Deutschland auf dem
Tisch landen, werden von kleinbäuerlichen Betrieben produziert: Neun von
zehn Kakaoproduzenten sind Kleinbauern, und etwa drei Viertel (73 Prozent)
des gesamten Kaffeeanbaus liegt in der Hand von Familienbetrieben. Wenn
Landwirte mit den verheerenden Folgen des Klimawandels alleingelassen
werden, drohen in Europa leere Regale und höhere Preise. Finanzielle Hilfen
für die Landwirtschaft kommen nicht bei Kleinbauern an.
## Die Interessen von Staaten und Konzernen im Blick
Wie werden kleine Betriebe von den Finanzströmen ausgeschlossen? Die
Strukturen der Klimafinanzierung sind nicht ausgerichtet auf
kleinbäuerliche Landwirtschaft. Achtzig Prozent der Klimafinanzierung
werden über Regierungen und Nichtregierungsorganisationen aus Geberländern
bereitgestellt. Kleinbäuerinnen müssen einen Antrag stellen, um Förderung
zu erhalten. Etwa, um ihren Betrieb so umzustellen, dass sie besser mit
Dürren und Starkregen umgehen können.
Das ist oft extrem bürokratisch und zeitraubend. Die Antragstellung kann
Jahre dauern. Für Familienbetriebe und die Netzwerke, die sie vertreten,
ist dieser Prozess nahezu unmöglich zu bewältigen und viel zu langwierig.
Wenn schließlich doch Gelder bereitgestellt werden, geschieht dies häufig
in Form von Krediten mit Zinssätzen von bis zu 25 Prozent.
## Von Kleinbäuer:innen lernen
Geldgeber bevorzugen außerdem Investitionen in technische Lösungen und
Forschung. Dabei gibt es bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels
viel von den Anbaumethoden der kleinbäuerlichen Landwirtschaft zu lernen.
Techniken wie das Pflanzen von Windschutzhecken, Mischkulturen,
Mischlandwirtschaft und Mulchen sind Teil unseres landwirtschaftlichen
Erbes und entscheidend für die Anpassung. Diese Praktiken wiederzubeleben
wäre die wahre Innovation.
Das EU-Finanzierungsprogramm Horizon 2020, das 20 Millionen Euro für
agrarökologische Forschung in Subsahara-Afrika bereitstellt, klingt
beeindruckend. Aber ohne ausreichende Mittel für die Umsetzung der
Forschungsergebnisse durch die Landwirte ist unklar, was sich vor Ort
ändern wird. Es braucht mehr politische Unterstützung, damit das Geld
wirklich bei uns ankommt und uns hilft, der Klimakrise zu trotzen.
Deutschlands Rolle als bedeutender Geldgeber für Klimaschutz und -anpassung
bringt die Verantwortung mit sich, sicherzustellen, dass Familienbetriebe
mitentscheiden. Die hart erarbeitete Erfahrung der Landwirte muss im
Mittelpunkt stehen. Geldgeber müssen außerdem sicherstellen, dass mehr
Finanzmittel an Organisationen von Familienbetrieben fließen, die ein
tiefes Verständnis für die Herausforderungen der Landwirte haben und die
Fähigkeit besitzen, in die Gemeinden hineinzuwirken. [2][Diese Finanzierung
sollte langfristig, flexibel und in Form von Zuschüssen – nicht nur
Krediten – erfolgen]. So können die Organisationen die Prioritäten der
Landwirte umsetzen, anstatt die Ziele von Regierungen oder der Industrie zu
verfolgen.
Trotz widriger Verhältnisse arbeiten [3][Kleinbäuerinnen und -bauern wie
wir] jeden Tag hart, um Nahrungsmittel zu produzieren und die Welt zu
ernähren. Politische Entscheider können unser Ernährungssystem nicht
klimafest machen oder den Hunger beenden, ohne uns einzubeziehen. Es ist an
der Zeit, dass sie mit uns zusammenarbeiten.
9 Jul 2024
## LINKS
[1] /Ernaehrungssicherheit-in-Kenia/!5974345
[2] /Entwicklungsgelder-fuer-Mikrokredite/!6009126
[3] /Landgrabbing-in-Uganda/!5963708
## AUTOREN
Elizabeth Nsimadala
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Landwirtschaft
Uganda
Kleinbauern
Ernährung
GNS
Welthandel
Lieferketten
Entwicklungspolitik
Kenia
Kaffee
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