| # taz.de -- Schwanger per Eizellenspende: Das ist die perfekte Zelle | |
| > Immer mehr Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch werden per Eizellenspende | |
| > schwanger. In Deutschland ist das verboten. Ist das noch zeitgemäß? | |
| Bild: Eine Eizelle wartet auf ihre Befruchtung | |
| Um schwanger zu werden, reiste Liane Bracht „durch halb Europa“, wie sie | |
| sagt. Die heute 48 Jahre alte Berlinerin sitzt an einem Tag im Juni in | |
| einem Café in Berlin-Kreuzberg, vor sich einen Americano. Ab und zu schaut | |
| sie auf ihr Handy, sie muss später ihre Tochter aus der Kita holen. | |
| Sie habe einen recht späten Kinderwunsch gehabt, erzählt Bracht: „Ich war | |
| der Meinung, als Frau müsse ich mich beruflich etablieren und unabhängig | |
| machen, bevor ich über Kinder nachdenke.“ Sie studiert Geschichte, | |
| promoviert und führt währenddessen Beziehungen, in denen Kinder kein Thema | |
| sind. „Im Nachhinein klingt es naiv“, sagt Bracht, eine schmale Person, die | |
| klar und überlegt spricht und ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung | |
| lesen möchte. „Aber ich dachte wirklich, es sei kein Problem, mit 40 noch | |
| schwanger zu werden.“ | |
| Als der Wunsch nach einem Kind in diesem Alter schließlich aufkommt, geht | |
| Bracht zu ihrer Gynäkologin. „Die sagte direkt, dass das schwierig werden | |
| könnte.“ Die Chancen, beim Sex schwanger zu werden, liegen für Frauen um | |
| die 40 im Schnitt bei rund zehn Prozent. Als es nach einem halben Jahr | |
| nicht klappen will, vereinbart Bracht einen Termin in einer | |
| Kinderwunschklinik. Dort raten ihr die Ärzt*innen zu künstlicher | |
| Befruchtung. | |
| Bracht nimmt zwei Wochen lang Hormone, um möglichst viele ihrer Eizellen | |
| reifen zu lassen. Die werden ihr während einer kurzen Vollnarkose | |
| entnommen, mit dem Sperma ihres Partners befruchtet und einige Tage später | |
| wieder eingesetzt. Zweimal durchläuft sie diesen Prozess, „mit desaströsem | |
| Ergebnis“: Beim ersten Versuch reift eine einzige Eizelle, beim zweiten | |
| zwei. Die Kosten für die Behandlung liegen bei rund 12.000 Euro, die Bracht | |
| privat bezahlt. Schwanger wird sie dadurch nicht. | |
| Eine Freundin erzählt ihr von zwei Frauen, die sich ihren Kinderwunsch in | |
| Spanien erfüllt haben: mit Eizellen jüngerer Frauen. „Ich wusste nichts | |
| über Eizellspenden“, sagt Bracht heute. Als die Freundin ihr von Spanien | |
| erzählte, „klang das alles erst mal ziemlich verrückt“. Doch dann | |
| recherchiert sie, meldet sich in einem [1][Forum im Netz] an und findet | |
| sich in einer „Parallelwelt“ wieder: Plötzlich ist sie Teil einer Community | |
| von Frauen, die sich damit beschäftigen, in welche Länder und Kliniken sie | |
| für Eizellspenden reisen können. | |
| Denn das [2][Geschäft mit Eizellenspenden boomt]. Europaweit stieg die | |
| Anzahl der Spenden allein im Jahr 2014 um 40 Prozent. Die aktuellsten | |
| Zahlen stammen von 2021: In diesem Jahr wurden knapp 80.000 Mal Eizellen in | |
| die Gebärmutter einer anderen Frau eingesetzt. Für Deutschland gibt es | |
| keine offiziellen Zahlen – die Eizellspende ist hierzulande verboten. | |
| Schätzungen zufolge gehen derzeit jährlich zwischen 5.000 und 6.000 Frauen | |
| aus Deutschland den Weg ins europäische Ausland, um per Eizellspende | |
| schwanger zu werden – so viele, dass manche Kliniken mit deutschsprachigen | |
| Webseiten um Kundinnen werben. | |
| Illegal ist das erst mal nicht. Strafbar machen sich nach deutschem Recht | |
| nicht die Frauen selbst, sondern die behandelnden Ärzt*innen. Trotzdem | |
| entsteht bereits eine Infrastruktur. Im Forum etwa geben auch deutsche | |
| Fortpflanzungsmediziner*innen Auskunft über medizinische Fragen. | |
| Tipps kursieren, welche Kliniken hierzulande Voruntersuchungen für Reisen | |
| ins Ausland offen gegenüberstehen. Für Ärzt*innen ist das risikoreich: | |
| Allein zwischen 2009 und 2013 gab es mehr als 100 Ermittlungsverfahren | |
| wegen Beihilfe zu missbräuchlicher Anwendung von Fortpflanzungstechniken. | |
| Im europäischen Ausland sieht das zumeist anders aus. Doch auch hier | |
| unterscheiden sich die Gesetze und die damit verbundenen legalen | |
| Möglichkeiten und Kosten der Verfahren deutlich. In manchen Ländern sind | |
| nur anonyme Spenden möglich. In anderen Ländern sind sogenannte offene | |
| Spenden Pflicht – das auf diese Weise entstandene Kind hat später das Recht | |
| zu erfahren, wer seine genetische Mutter ist. Mancherorts werden niedrige, | |
| anderswo höhere Aufwandsentschädigungen an die Spenderinnen gezahlt. | |
| Eizellen tatsächlich zu verkaufen, verbietet die EU-Geweberichtlinie. | |
| Doch wenn Tausende Frauen wie Liane Bracht den Weg ins Ausland gehen, wäre | |
| es dann nicht sinnvoll, das Verbot von Eizellspenden hierzulande | |
| aufzuheben? Eine von der Bundesregierung einberufene „Kommission zur | |
| reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hat geprüft, ob | |
| und unter welchen Bedingungen die Eizellspende in Deutschland legalisiert | |
| werden könnte. Ihr gehörten unter anderem Mediziner*innen, | |
| Psycholog*innen und Jurist*innen an, die im April 2024 [3][ihren | |
| Bericht vorstellten.] | |
| Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft sich mit dieser Frage | |
| auseinandersetzt. Denn im Unterschied zu vielen Ländern weltweit gibt es | |
| hierzulande kein zeitgemäßes Gesetz, das Möglichkeiten und Grenzen der | |
| Fortpflanzungsmedizin im Ganzen regeln würde. Im Gegenteil: Details des | |
| Abstammungsrechts und der Reproduktionsmedizin finden sich in verschiedenen | |
| Gesetzen, etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch, im | |
| Schwangerschaftskonfliktgesetz und im Gendiagnostikgesetz. | |
| ## Das zentrale Gesetz ist von 1990 | |
| Zentral ist zudem das Embryonenschutzgesetz von 1990 – ein reines | |
| Strafgesetz, das, bedenkt man den rasanten medizintechnischen Fortschritt | |
| seitdem, aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Es belegt eine | |
| „missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken“ wie die | |
| Eizellspende mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei | |
| Jahren für die Ärzt*innen. Mediziner*innen dürfen zudem nicht über | |
| derlei Möglichkeiten in anderen Ländern informieren. | |
| Liane Brachts Berliner Ärztin brachte das Ausland entsprechend gar nicht | |
| erst ins Spiel. Auch die Chancen auf eine Adoption standen aufgrund ihres | |
| Alters schlecht. Mit über 40 Jahren schien ein Leben mit Kind nach | |
| deutschem Recht für Bracht kaum noch möglich. | |
| Wovon es abhängt, ob eine Schwangerschaft eintritt und ob sie auch zur | |
| Geburt eines Babys führt, ist längst nicht vollständig geklärt. Wie so | |
| häufig ist der Forschungsstand im Bereich der Frauengesundheit mäßig – | |
| zugleich sind Vergleichsstudien mit konkret diesem Fokus kaum machbar. | |
| Was man aber weiß: Ob Frauen schnell schwanger werden und ohne erhöhtes | |
| Risiko für Fehlgeburten auch schwanger bleiben, liegt unter anderem an | |
| Alter und Qualität ihrer Eizellen. Ab etwa Mitte 30 sinkt die Chance auf | |
| eine schnelle und komplikationsarme Schwangerschaft deutlich. Wird eine | |
| Schwangerschaft jedoch mit Hilfe der Eizelle einer jüngeren Frau | |
| herbeigeführt, steigt die Wahrscheinlichkeit auch für ältere Frauen. | |
| Schon 1984 kam in Spanien das erste Baby zur Welt, das durch Eizellspende | |
| gezeugt wurde, für das also Eizellen einer Frau entnommen, in vitro | |
| befruchtet und schließlich in den Körper einer anderen Frau eingesetzt | |
| wurden. Mittlerweile ist das Verfahren in allen Ländern der Europäischen | |
| Union legal – außer in Luxemburg und der Bundesrepublik. Hierzulande ist | |
| man auch aus historischen Gründen vorsichtig damit, in die Entstehung, auch | |
| in die Selektion menschlichen Lebens einzugreifen. Als Leben gilt in | |
| Deutschland analog zur Lehre der Kirchen das frühestmögliche Stadium eines | |
| Embryos: die Eizelle, sobald sie mit der Samenzelle verschmolzen ist. | |
| Im Juni 2018 trifft Liane Bracht ihre Entscheidung. Sie will versuchen, | |
| über eine Eizellspende ein Kind zu bekommen. „Für mich war anfangs vor | |
| allem wichtig, dass es eine offene Spende sein würde“, sagt Bracht. Für | |
| Samenspenden gilt in Deutschland seit einigen Jahren das „Recht auf | |
| Kenntnis der eigenen Abstammung“. Der Forschung zufolge profitieren aus | |
| Samen- wie auch aus Eizellspenden gezeugte Kinder von diesem Recht. Und | |
| davon, möglichst früh darüber aufgeklärt worden zu sein, wie sie entstanden | |
| sind. | |
| Bracht wählt eine Klinik im dänischen Aarhus. Die sucht die Spenderin nach | |
| optischer Ähnlichkeit aus. „Mir wurde auch gesagt, dass es eine Studentin | |
| ist“, sagt Bracht. Sie und ihr Partner reisen mit dem Auto an, ihr Partner | |
| gibt vor Ort Sperma ab. Brachts Zyklus und der der Spenderin werden mittels | |
| Hormongabe synchronisiert. So können einige Eizellen der Spenderin | |
| entnommen, befruchtet und einige Tage später direkt in Brachts Gebärmutter | |
| eingesetzt werden. | |
| Doch Bracht hat Pech: Anders als erhofft können der Spenderin nur zwei | |
| Eizellen entnommen werden. Auch bei jungen Frauen kann das vorkommen. „Das | |
| war ziemlich erschütternd.“ So gut die Voraussetzungen mit den Eizellen | |
| einer jungen Frau auch sind: Letztlich sind die Versuche mit fremden | |
| Eizellen zwar chancenreicher, aber doch ein Glücksspiel – und ein Geschäft. | |
| Rund 8.000 Euro hat der Versuch in Aarhus gekostet. Schwanger wird Bracht | |
| auch dieses Mal nicht. Die Leistung der Klinik ist jedoch erfüllt. | |
| Einfacher wäre der Weg für Frauen wie Liane Bracht möglicherweise, wenn | |
| umgesetzt würde, was die Kommission des Bundesregierung empfiehlt: Die | |
| Eizellspende unter bestimmten Voraussetzungen auch in Deutschland zu | |
| legalisieren. Denn in den 34 Jahren seit Inkrafttreten des | |
| Embryonenschutzgesetzes ist viel passiert. Damals ging man unter anderem | |
| von der Gefahr der „gespaltenen Mutterschaft“ aus: möglichen körperlichen | |
| oder psychischen Schäden für das Kind, dessen genetische und soziale Mutter | |
| nicht identisch sind. Was bei Vaterschaften selten thematisiert wird, wurde | |
| bei Frauen zum Problem gemacht. | |
| Diese Sorge ist unbegründet. Das zeigen mittlerweile Längsschnittstudien, | |
| die Kinder aus Eizellspenden in verschiedenen Lebensphasen untersuchen. | |
| Sowohl die körperliche und emotionale Entwicklung der Kinder wie auch die | |
| Eltern-Kind-Bindung ist unauffällig. Entscheidend für das Kindeswohl sind | |
| stabile Sorgebeziehungen sowie eine frühe Aufklärung über die Spende. | |
| Das gilt genauso für Samenspenden, die seit den 1970er Jahren hierzulande | |
| auch über Samenbanken legal sind. Seit 2018 sind offene Samenspenden | |
| Pflicht, was die Kommission nun auch im Fall einer möglichen Legalisierung | |
| von Eizellspenden fordert. „Nur damit würde das Recht auf Kenntnis der | |
| eigenen Abstammung gewahrt“, sagt die Ärztin und Medizinethikerin Claudia | |
| Wiesemann, Sprecherin der Arbeitsgruppe zu Eizellspenden der Kommission. Im | |
| Lauf des Lebens könne es für das psychische Wohl wichtig sein, Kontakt zur | |
| Eizellspenderin aufzunehmen – und möglicherweise auch von Halbgeschwistern | |
| zu erfahren. Die können zahlreich sein. Weshalb die Kommission auch eine | |
| Begrenzung der Spenden pro Spenderin empfiehlt. | |
| Die Situation der Spenderinnen nimmt die Kommission ausführlich in den | |
| Blick – zurecht. Denn sie sind es, die die höchsten Risiken tragen. Zwar | |
| sind „kurzfristige medizinische Risiken bei Eizellspenden heute sehr | |
| gering“, sagt Claudia Wiesemann. Laut Deutschem IVF-Register liegen die | |
| Risiken etwa für Blutungen bei der Entnahme von Eizellen derzeit bei | |
| weniger als einem Prozent, für sogenannte Überstimulation durch Hormone, | |
| durch die es zu Schmerzen oder Übelkeit kommen kann, bei 0,3 Prozent. | |
| Die Belastung jedoch, der die Spenderin ausgesetzt ist, ist trotzdem | |
| deutlich höher als etwa bei der Samenspende. Bei der reicht ein einziger | |
| Termin, der noch dazu weder Hormonspritzen noch Narkose erfordert. „Die | |
| Gefahr für eine Ausbeutung der Spenderin ist umso höher, je größer das | |
| finanzielle Gefälle zwischen Eizellspenderin und Wunschmutter ist“, sagt | |
| Wiesemann. Und je schwieriger es zudem für mögliche Spenderinnen ist, | |
| verlässliche Informationen und angemessene Aufklärung über den Ablauf der | |
| Spende zu bekommen. | |
| Eine Studie zu Spenderinnen, so die Kommission, deute darauf hin, dass rund | |
| 95 Prozent angemessen über die medizinischen Risiken aufgeklärt worden | |
| seien. Nur ein Prozent der Spenderinnen habe die Entscheidung für die | |
| Spende im Nachhinein bereut. In neueren [4][qualitativen Studien aus | |
| Spanien], das sich zu einem Hotspot für Eizellspenden entwickelt hat, | |
| berichten Spenderinnen allerdings oft von schlechten Erfahrungen, was die | |
| Qualität ihrer medizinischen Versorgung betrifft. | |
| Die Aufwandsentschädigungen für die Spenderinnen fallen je nach Land | |
| verschieden aus: von rund 250 Euro in Finnland über das Äquivalent eines | |
| Monatslohns in Spanien bis hin zu mehreren Tausend Dollar in den USA. Dort | |
| können Wunscheltern zum Beispiel auf aktuelle Fotos der Spenderinnen und | |
| deren Lebensläufe zugreifen. | |
| Spanien oder auch die USA kommen für Liane Bracht nicht in Frage – „zu | |
| teuer“, sagt sie. Trotzdem ist sie nach dem gescheiterten Versuch in | |
| Dänemark auf der Suche nach einer neuen, vielversprechenden Option. Auf | |
| einer Kinderwunschmesse in Berlin stellt sich eine Klinik aus Prag vor, die | |
| Mitarbeitenden sprechen Deutsch. Tschechische Kliniken haben oft lange | |
| Erfahrungen mit Eizellspenden. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es | |
| dort kaum Gesetze im Bereich der Fortpflanzungsmedizin, die die | |
| Ärzt*innen eingeschränkt hätten. | |
| Die Klinik bietet verschiedene „Pakete“ an, je nach Kosten mit | |
| Zusatzoptionen, die bessere Chancen versprechen. Bracht entscheidet sich | |
| für eines, das rund 10.000 Euro kostet. Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, | |
| Gewicht: Das ist, was sie in einer Klinik unweit der Moldau über die | |
| tschechische Spenderin erfährt. „Was man bekommt, ist die Illusion von | |
| Ähnlichkeit“, sagt sie. Die sei ihr nicht besonders wichtig gewesen, | |
| trotzdem habe sie darüber nachgedacht, wer die Frau wohl sei. Vier Reisen | |
| nach Prag folgen, vier Versuche. Die Embryonen, die ihr dabei eingesetzt | |
| werden, stammen alle von derselben Spenderin. Schwanger wird Bracht auch | |
| diesmal nicht. | |
| „Ich war kurz davor, aufzugeben“, sagt Bracht heute. „Aber es ist sehr, | |
| sehr schwer, loszulassen.“ 43 Jahre alt ist sie damals, seit mehreren | |
| Jahren bestimmt der Wunsch nach einem Kind ihr Leben. Sie setzt sich eine | |
| Frist: Wenn sie im Alter von 45 nicht schwanger sei, würde sie aufhören. | |
| ## Ihr Weg führt in die Ukraine | |
| Systematisch wertet Bracht nun Hunderte Berichte im Forum aus, vertieft | |
| sich in Forschungsergebnisse, recherchiert neueste Methoden. Hoch gehandelt | |
| wird im Forum auch eine Klinik jenseits der Europäischen Union: in Kyjiw, | |
| mit Zug oder Flugzeug in wenigen Stunden zu erreichen. Offene Spenden sind | |
| hier allerdings nicht möglich. Und dennoch: „Für schwierige Fälle wie | |
| meinen schien es dort noch Hoffnung zu geben“, sagt Bracht. Der Krieg in | |
| der Ukraine hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. | |
| In der Ukraine waren und sind sowohl Eizellspenden als auch | |
| Leihmutterschaften legal. Doch die Kyjiwer Klinik steht immer wieder in der | |
| Kritik, vor allem aufgrund von Skandalen um Leihmutterschaften. „Ich hatte | |
| meine Zweifel und durchaus Bauchschmerzen bei dem Gedanken daran, wie die | |
| Bedingungen für Eizellspenderinnen dort sind“, sagt Bracht. Das | |
| Wohlstandsgefälle zwischen ukrainischen Spenderinnen und deutschen | |
| Wunscheltern ist deutlich – was die Kommission als Risiko für Ausbeutung | |
| benennt. „Aber ich muss ehrlich sagen“, sagt Bracht, „dass ich meine | |
| Zweifel am Schluss beiseite geschoben habe. Der Wunsch war größer.“ | |
| Rund 40.000 Euro hat sie bisher bezahlt, für Behandlungskosten, Flüge und | |
| Züge, Hotels und Medikamente. Nun kommen noch einmal rund 12.000 Euro dazu, | |
| in denen ganze fünf Versuche inbegriffen sind – und zudem die Garantie, 80 | |
| Prozent des Geldes zurückzubekommen, sollte bis dahin keine Schwangerschaft | |
| zustande gekommen sein. Beim ersten Versuch lassen sich nur wenige Eizellen | |
| befruchten. Trotzdem wird Liane Bracht direkt schwanger. „Das war mein | |
| persönliches Wunder.“ | |
| Ob die Eizellspende in Deutschland in absehbarer Zeit eine Chance hat, ist | |
| derzeit schwer zu sagen. Einzig die FDP ist klar dafür. Ende August sprach | |
| sie sich für einen fraktionsübergreifenden Antrag in Sachen Legalisierung | |
| aus. Die Aufhebung des Verbots sei „überfällig“, sagte Katrin | |
| Helling-Plahr, die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im | |
| Bundestag, [5][der taz]: „Die Gründe für das Verbot der Eizellspende sind | |
| medizinisch wie gesellschaftlich schon lange nicht mehr stichhaltig.“ | |
| Die feministische Szene zeigt sich derweil in Sachen Eizellspende | |
| gespalten: Das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und | |
| Geschlechterdemokratie etwa nimmt vor allem die Belange der potentiellen | |
| Spenderinnen in den Blick und bringt „Egg Sharing“ ins Spiel – also die | |
| Möglichkeit, übrig gebliebene Eizellen aus eigenen künstlichen | |
| Befruchtungen an andere Frauen zu spenden. Terre des Femmes dagegen will | |
| aus Sorge vor Ausbeutung gänzlich am Verbot festhalten. | |
| Sollte eine Legalisierung in Frage kommen, braucht es laut Kommission | |
| bestimmte Voraussetzungen. Zum Beispiel, dass die Spenderin „umfassend und | |
| neutral“ aufgeklärt und mit dem schonendsten medizinischen Verfahren | |
| behandelt wird, das zur Verfügung steht. Sie muss eine „angemessene | |
| Aufwandsentschädigung“ bekommen, deren Höhe nicht näher beziffert wird. Und | |
| die Spende muss offen sein, sodass das Kind später erfahren kann, wer seine | |
| genetische Mutter ist. | |
| Gut möglich, dass Liane Brachts Geschichte eine andere wäre, hätte sie in | |
| Deutschland eine Eizellspende bekommen können. „Wahrscheinlich hätte mir | |
| dann schon die erste Klinik in Berlin gesagt: Deine Eizellen sind zu alt“, | |
| sagt Bracht, „aber wir können dir andere Optionen anbieten.“ Vielleicht | |
| hätte sie sich damit vier Jahre gespart, in denen sie viel Geld und Zeit | |
| investiert hat – und die emotional „total anstrengend“ waren. Auch für i… | |
| Tochter wäre es schöner, sagt Bracht, wenn sie irgendwann ihre genetische | |
| Herkunft erfahren könnte und zudem wüsste, dass „die Art und Weise, wie sie | |
| ins Leben kam, transparent und auch hierzulande anerkannt und in Ordnung | |
| ist“. | |
| Dreieinhalb Jahre alt ist Liane Brachts Tochter heute. Ihr Umfeld weiß über | |
| die Spende Bescheid, Fremde entdecken immer wieder Ähnlichkeiten zu Bracht. | |
| Abstammungsrechtlich ist die Sache klar: Mutter eines Kindes ist die Frau, | |
| die es geboren hat. Auch in Bezug auf ihrer beider Beziehung spiele die | |
| Spende keine Rolle, sagt Bracht: „Am Ende des Tages habe ich einfach ein | |
| Kind.“ Trotzdem wird die Spende weiter Teil ihres Lebens sein. Aus dem | |
| Austausch mit anderen Frauen im Forum etwa, die ähnliche Wege gegangen | |
| sind, seien zum Teil Freundschaften entstanden. Zudem ist Bracht Mitglied | |
| im Verein „FE-Netz – Familien nach Eizellspende“, der sich für die | |
| Legalisierung der Spende in Deutschland einsetzt. „Uns geht es auch darum, | |
| dass die Kinder andere Kinder kennenlernen, die auf demselben Weg | |
| entstanden sind wie sie selbst – und dass sie von Anfang an darüber | |
| Bescheid wissen, wie sie zur Welt gekommen sind“, sagt Bracht. | |
| Ab und zu liest Liane Bracht ihrer Tochter aus Kinderbüchern zum Thema vor, | |
| einige gibt es auf Englisch, ein paar auf Deutsch. In einem davon hat die | |
| Comic-Eizelle Augen, was ihre Tochter am meisten entzückt. Am Fotoalbum aus | |
| der Schwangerschaft fasziniert ihre Tochter aber vor allem eines: dass sie | |
| selbst in diesem dicken Bauch war, der auf dem Foto zu sehen ist. | |
| 16 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://fe-netz.de/ | |
| [2] /Kuenstliche-Befruchtung-im-Ausland/!5656189 | |
| [3] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/K… | |
| [4] https://www.julkari.fi/bitstream/handle/10024/146702/Hedelm%C3%B6ityshoidot… | |
| [5] /Eizellspenden/!6028123 | |
| ## AUTOREN | |
| Patricia Hecht | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| IVF | |
| Gender | |
| Gesundheit | |
| GNS | |
| Reproduktionsmedizin | |
| Familienplanung | |
| Familienrecht | |
| Kinderwunsch | |
| Schwerpunkt Abtreibung | |
| Eizellspende | |
| Eizellspende | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Abstammungsrecht und Neuwahlen: Eine Familie, die es rechtlich nicht gibt | |
| Mit dem Ampel-Aus ist wohl auch die Reform des Familienrechts vom Tisch. An | |
| der Realität geht das häufig vorbei, wie bei Michi und seinen drei Eltern. | |
| Meinungen zum Kinderkriegen: 59% der Männer in Deutschland sollten lieber schw… | |
| Russland verbietet „Propaganda“ für Kinderlosigkeit und 59% der deutschen | |
| Männer meinen, dass man Kinder bekommen sollte. Staat und Männer: Lasst | |
| FLINTA entscheiden! | |
| Vorstoß zur Eizellspenden-Legalisierung: Die Doppelmoral der FDP | |
| Frauen sollten selbst über ihren Körper entscheiden können, meint die FDP. | |
| Wäre die Partei bei allen Themen so progressiv, könnte man sie glatt | |
| liberal nennen. | |
| Eizellspenden: FDP gegen Verbot | |
| Im Bundestag soll es einen Vorstoß zur Legalisierung von Eizellspenden | |
| geben. Doch SPD und Grüne zeigen sich irritiert. | |
| Streitgespräch zu Eizellspenden: „Mit zweierlei Maß“ | |
| Eizellspende und Leihmutterschaft sind verboten. Medizinethikerin Claudia | |
| Wiesemann und Mediziner Taleo Stüwe sind dabei unterschiedlicher Meinung. |