# taz.de -- Schwanger per Eizellenspende: Das ist die perfekte Zelle | |
> Immer mehr Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch werden per Eizellenspende | |
> schwanger. In Deutschland ist das verboten. Ist das noch zeitgemäß? | |
Bild: Eine Eizelle wartet auf ihre Befruchtung | |
Um schwanger zu werden, reiste Liane Bracht „durch halb Europa“, wie sie | |
sagt. Die heute 48 Jahre alte Berlinerin sitzt an einem Tag im Juni in | |
einem Café in Berlin-Kreuzberg, vor sich einen Americano. Ab und zu schaut | |
sie auf ihr Handy, sie muss später ihre Tochter aus der Kita holen. | |
Sie habe einen recht späten Kinderwunsch gehabt, erzählt Bracht: „Ich war | |
der Meinung, als Frau müsse ich mich beruflich etablieren und unabhängig | |
machen, bevor ich über Kinder nachdenke.“ Sie studiert Geschichte, | |
promoviert und führt währenddessen Beziehungen, in denen Kinder kein Thema | |
sind. „Im Nachhinein klingt es naiv“, sagt Bracht, eine schmale Person, die | |
klar und überlegt spricht und ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung | |
lesen möchte. „Aber ich dachte wirklich, es sei kein Problem, mit 40 noch | |
schwanger zu werden.“ | |
Als der Wunsch nach einem Kind in diesem Alter schließlich aufkommt, geht | |
Bracht zu ihrer Gynäkologin. „Die sagte direkt, dass das schwierig werden | |
könnte.“ Die Chancen, beim Sex schwanger zu werden, liegen für Frauen um | |
die 40 im Schnitt bei rund zehn Prozent. Als es nach einem halben Jahr | |
nicht klappen will, vereinbart Bracht einen Termin in einer | |
Kinderwunschklinik. Dort raten ihr die Ärzt*innen zu künstlicher | |
Befruchtung. | |
Bracht nimmt zwei Wochen lang Hormone, um möglichst viele ihrer Eizellen | |
reifen zu lassen. Die werden ihr während einer kurzen Vollnarkose | |
entnommen, mit dem Sperma ihres Partners befruchtet und einige Tage später | |
wieder eingesetzt. Zweimal durchläuft sie diesen Prozess, „mit desaströsem | |
Ergebnis“: Beim ersten Versuch reift eine einzige Eizelle, beim zweiten | |
zwei. Die Kosten für die Behandlung liegen bei rund 12.000 Euro, die Bracht | |
privat bezahlt. Schwanger wird sie dadurch nicht. | |
Eine Freundin erzählt ihr von zwei Frauen, die sich ihren Kinderwunsch in | |
Spanien erfüllt haben: mit Eizellen jüngerer Frauen. „Ich wusste nichts | |
über Eizellspenden“, sagt Bracht heute. Als die Freundin ihr von Spanien | |
erzählte, „klang das alles erst mal ziemlich verrückt“. Doch dann | |
recherchiert sie, meldet sich in einem [1][Forum im Netz] an und findet | |
sich in einer „Parallelwelt“ wieder: Plötzlich ist sie Teil einer Community | |
von Frauen, die sich damit beschäftigen, in welche Länder und Kliniken sie | |
für Eizellspenden reisen können. | |
Denn das [2][Geschäft mit Eizellenspenden boomt]. Europaweit stieg die | |
Anzahl der Spenden allein im Jahr 2014 um 40 Prozent. Die aktuellsten | |
Zahlen stammen von 2021: In diesem Jahr wurden knapp 80.000 Mal Eizellen in | |
die Gebärmutter einer anderen Frau eingesetzt. Für Deutschland gibt es | |
keine offiziellen Zahlen – die Eizellspende ist hierzulande verboten. | |
Schätzungen zufolge gehen derzeit jährlich zwischen 5.000 und 6.000 Frauen | |
aus Deutschland den Weg ins europäische Ausland, um per Eizellspende | |
schwanger zu werden – so viele, dass manche Kliniken mit deutschsprachigen | |
Webseiten um Kundinnen werben. | |
Illegal ist das erst mal nicht. Strafbar machen sich nach deutschem Recht | |
nicht die Frauen selbst, sondern die behandelnden Ärzt*innen. Trotzdem | |
entsteht bereits eine Infrastruktur. Im Forum etwa geben auch deutsche | |
Fortpflanzungsmediziner*innen Auskunft über medizinische Fragen. | |
Tipps kursieren, welche Kliniken hierzulande Voruntersuchungen für Reisen | |
ins Ausland offen gegenüberstehen. Für Ärzt*innen ist das risikoreich: | |
Allein zwischen 2009 und 2013 gab es mehr als 100 Ermittlungsverfahren | |
wegen Beihilfe zu missbräuchlicher Anwendung von Fortpflanzungstechniken. | |
Im europäischen Ausland sieht das zumeist anders aus. Doch auch hier | |
unterscheiden sich die Gesetze und die damit verbundenen legalen | |
Möglichkeiten und Kosten der Verfahren deutlich. In manchen Ländern sind | |
nur anonyme Spenden möglich. In anderen Ländern sind sogenannte offene | |
Spenden Pflicht – das auf diese Weise entstandene Kind hat später das Recht | |
zu erfahren, wer seine genetische Mutter ist. Mancherorts werden niedrige, | |
anderswo höhere Aufwandsentschädigungen an die Spenderinnen gezahlt. | |
Eizellen tatsächlich zu verkaufen, verbietet die EU-Geweberichtlinie. | |
Doch wenn Tausende Frauen wie Liane Bracht den Weg ins Ausland gehen, wäre | |
es dann nicht sinnvoll, das Verbot von Eizellspenden hierzulande | |
aufzuheben? Eine von der Bundesregierung einberufene „Kommission zur | |
reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hat geprüft, ob | |
und unter welchen Bedingungen die Eizellspende in Deutschland legalisiert | |
werden könnte. Ihr gehörten unter anderem Mediziner*innen, | |
Psycholog*innen und Jurist*innen an, die im April 2024 [3][ihren | |
Bericht vorstellten.] | |
Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft sich mit dieser Frage | |
auseinandersetzt. Denn im Unterschied zu vielen Ländern weltweit gibt es | |
hierzulande kein zeitgemäßes Gesetz, das Möglichkeiten und Grenzen der | |
Fortpflanzungsmedizin im Ganzen regeln würde. Im Gegenteil: Details des | |
Abstammungsrechts und der Reproduktionsmedizin finden sich in verschiedenen | |
Gesetzen, etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch, im | |
Schwangerschaftskonfliktgesetz und im Gendiagnostikgesetz. | |
## Das zentrale Gesetz ist von 1990 | |
Zentral ist zudem das Embryonenschutzgesetz von 1990 – ein reines | |
Strafgesetz, das, bedenkt man den rasanten medizintechnischen Fortschritt | |
seitdem, aus einer anderen Zeit zu stammen scheint. Es belegt eine | |
„missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken“ wie die | |
Eizellspende mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu drei | |
Jahren für die Ärzt*innen. Mediziner*innen dürfen zudem nicht über | |
derlei Möglichkeiten in anderen Ländern informieren. | |
Liane Brachts Berliner Ärztin brachte das Ausland entsprechend gar nicht | |
erst ins Spiel. Auch die Chancen auf eine Adoption standen aufgrund ihres | |
Alters schlecht. Mit über 40 Jahren schien ein Leben mit Kind nach | |
deutschem Recht für Bracht kaum noch möglich. | |
Wovon es abhängt, ob eine Schwangerschaft eintritt und ob sie auch zur | |
Geburt eines Babys führt, ist längst nicht vollständig geklärt. Wie so | |
häufig ist der Forschungsstand im Bereich der Frauengesundheit mäßig – | |
zugleich sind Vergleichsstudien mit konkret diesem Fokus kaum machbar. | |
Was man aber weiß: Ob Frauen schnell schwanger werden und ohne erhöhtes | |
Risiko für Fehlgeburten auch schwanger bleiben, liegt unter anderem an | |
Alter und Qualität ihrer Eizellen. Ab etwa Mitte 30 sinkt die Chance auf | |
eine schnelle und komplikationsarme Schwangerschaft deutlich. Wird eine | |
Schwangerschaft jedoch mit Hilfe der Eizelle einer jüngeren Frau | |
herbeigeführt, steigt die Wahrscheinlichkeit auch für ältere Frauen. | |
Schon 1984 kam in Spanien das erste Baby zur Welt, das durch Eizellspende | |
gezeugt wurde, für das also Eizellen einer Frau entnommen, in vitro | |
befruchtet und schließlich in den Körper einer anderen Frau eingesetzt | |
wurden. Mittlerweile ist das Verfahren in allen Ländern der Europäischen | |
Union legal – außer in Luxemburg und der Bundesrepublik. Hierzulande ist | |
man auch aus historischen Gründen vorsichtig damit, in die Entstehung, auch | |
in die Selektion menschlichen Lebens einzugreifen. Als Leben gilt in | |
Deutschland analog zur Lehre der Kirchen das frühestmögliche Stadium eines | |
Embryos: die Eizelle, sobald sie mit der Samenzelle verschmolzen ist. | |
Im Juni 2018 trifft Liane Bracht ihre Entscheidung. Sie will versuchen, | |
über eine Eizellspende ein Kind zu bekommen. „Für mich war anfangs vor | |
allem wichtig, dass es eine offene Spende sein würde“, sagt Bracht. Für | |
Samenspenden gilt in Deutschland seit einigen Jahren das „Recht auf | |
Kenntnis der eigenen Abstammung“. Der Forschung zufolge profitieren aus | |
Samen- wie auch aus Eizellspenden gezeugte Kinder von diesem Recht. Und | |
davon, möglichst früh darüber aufgeklärt worden zu sein, wie sie entstanden | |
sind. | |
Bracht wählt eine Klinik im dänischen Aarhus. Die sucht die Spenderin nach | |
optischer Ähnlichkeit aus. „Mir wurde auch gesagt, dass es eine Studentin | |
ist“, sagt Bracht. Sie und ihr Partner reisen mit dem Auto an, ihr Partner | |
gibt vor Ort Sperma ab. Brachts Zyklus und der der Spenderin werden mittels | |
Hormongabe synchronisiert. So können einige Eizellen der Spenderin | |
entnommen, befruchtet und einige Tage später direkt in Brachts Gebärmutter | |
eingesetzt werden. | |
Doch Bracht hat Pech: Anders als erhofft können der Spenderin nur zwei | |
Eizellen entnommen werden. Auch bei jungen Frauen kann das vorkommen. „Das | |
war ziemlich erschütternd.“ So gut die Voraussetzungen mit den Eizellen | |
einer jungen Frau auch sind: Letztlich sind die Versuche mit fremden | |
Eizellen zwar chancenreicher, aber doch ein Glücksspiel – und ein Geschäft. | |
Rund 8.000 Euro hat der Versuch in Aarhus gekostet. Schwanger wird Bracht | |
auch dieses Mal nicht. Die Leistung der Klinik ist jedoch erfüllt. | |
Einfacher wäre der Weg für Frauen wie Liane Bracht möglicherweise, wenn | |
umgesetzt würde, was die Kommission des Bundesregierung empfiehlt: Die | |
Eizellspende unter bestimmten Voraussetzungen auch in Deutschland zu | |
legalisieren. Denn in den 34 Jahren seit Inkrafttreten des | |
Embryonenschutzgesetzes ist viel passiert. Damals ging man unter anderem | |
von der Gefahr der „gespaltenen Mutterschaft“ aus: möglichen körperlichen | |
oder psychischen Schäden für das Kind, dessen genetische und soziale Mutter | |
nicht identisch sind. Was bei Vaterschaften selten thematisiert wird, wurde | |
bei Frauen zum Problem gemacht. | |
Diese Sorge ist unbegründet. Das zeigen mittlerweile Längsschnittstudien, | |
die Kinder aus Eizellspenden in verschiedenen Lebensphasen untersuchen. | |
Sowohl die körperliche und emotionale Entwicklung der Kinder wie auch die | |
Eltern-Kind-Bindung ist unauffällig. Entscheidend für das Kindeswohl sind | |
stabile Sorgebeziehungen sowie eine frühe Aufklärung über die Spende. | |
Das gilt genauso für Samenspenden, die seit den 1970er Jahren hierzulande | |
auch über Samenbanken legal sind. Seit 2018 sind offene Samenspenden | |
Pflicht, was die Kommission nun auch im Fall einer möglichen Legalisierung | |
von Eizellspenden fordert. „Nur damit würde das Recht auf Kenntnis der | |
eigenen Abstammung gewahrt“, sagt die Ärztin und Medizinethikerin Claudia | |
Wiesemann, Sprecherin der Arbeitsgruppe zu Eizellspenden der Kommission. Im | |
Lauf des Lebens könne es für das psychische Wohl wichtig sein, Kontakt zur | |
Eizellspenderin aufzunehmen – und möglicherweise auch von Halbgeschwistern | |
zu erfahren. Die können zahlreich sein. Weshalb die Kommission auch eine | |
Begrenzung der Spenden pro Spenderin empfiehlt. | |
Die Situation der Spenderinnen nimmt die Kommission ausführlich in den | |
Blick – zurecht. Denn sie sind es, die die höchsten Risiken tragen. Zwar | |
sind „kurzfristige medizinische Risiken bei Eizellspenden heute sehr | |
gering“, sagt Claudia Wiesemann. Laut Deutschem IVF-Register liegen die | |
Risiken etwa für Blutungen bei der Entnahme von Eizellen derzeit bei | |
weniger als einem Prozent, für sogenannte Überstimulation durch Hormone, | |
durch die es zu Schmerzen oder Übelkeit kommen kann, bei 0,3 Prozent. | |
Die Belastung jedoch, der die Spenderin ausgesetzt ist, ist trotzdem | |
deutlich höher als etwa bei der Samenspende. Bei der reicht ein einziger | |
Termin, der noch dazu weder Hormonspritzen noch Narkose erfordert. „Die | |
Gefahr für eine Ausbeutung der Spenderin ist umso höher, je größer das | |
finanzielle Gefälle zwischen Eizellspenderin und Wunschmutter ist“, sagt | |
Wiesemann. Und je schwieriger es zudem für mögliche Spenderinnen ist, | |
verlässliche Informationen und angemessene Aufklärung über den Ablauf der | |
Spende zu bekommen. | |
Eine Studie zu Spenderinnen, so die Kommission, deute darauf hin, dass rund | |
95 Prozent angemessen über die medizinischen Risiken aufgeklärt worden | |
seien. Nur ein Prozent der Spenderinnen habe die Entscheidung für die | |
Spende im Nachhinein bereut. In neueren [4][qualitativen Studien aus | |
Spanien], das sich zu einem Hotspot für Eizellspenden entwickelt hat, | |
berichten Spenderinnen allerdings oft von schlechten Erfahrungen, was die | |
Qualität ihrer medizinischen Versorgung betrifft. | |
Die Aufwandsentschädigungen für die Spenderinnen fallen je nach Land | |
verschieden aus: von rund 250 Euro in Finnland über das Äquivalent eines | |
Monatslohns in Spanien bis hin zu mehreren Tausend Dollar in den USA. Dort | |
können Wunscheltern zum Beispiel auf aktuelle Fotos der Spenderinnen und | |
deren Lebensläufe zugreifen. | |
Spanien oder auch die USA kommen für Liane Bracht nicht in Frage – „zu | |
teuer“, sagt sie. Trotzdem ist sie nach dem gescheiterten Versuch in | |
Dänemark auf der Suche nach einer neuen, vielversprechenden Option. Auf | |
einer Kinderwunschmesse in Berlin stellt sich eine Klinik aus Prag vor, die | |
Mitarbeitenden sprechen Deutsch. Tschechische Kliniken haben oft lange | |
Erfahrungen mit Eizellspenden. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es | |
dort kaum Gesetze im Bereich der Fortpflanzungsmedizin, die die | |
Ärzt*innen eingeschränkt hätten. | |
Die Klinik bietet verschiedene „Pakete“ an, je nach Kosten mit | |
Zusatzoptionen, die bessere Chancen versprechen. Bracht entscheidet sich | |
für eines, das rund 10.000 Euro kostet. Haarfarbe, Augenfarbe, Größe, | |
Gewicht: Das ist, was sie in einer Klinik unweit der Moldau über die | |
tschechische Spenderin erfährt. „Was man bekommt, ist die Illusion von | |
Ähnlichkeit“, sagt sie. Die sei ihr nicht besonders wichtig gewesen, | |
trotzdem habe sie darüber nachgedacht, wer die Frau wohl sei. Vier Reisen | |
nach Prag folgen, vier Versuche. Die Embryonen, die ihr dabei eingesetzt | |
werden, stammen alle von derselben Spenderin. Schwanger wird Bracht auch | |
diesmal nicht. | |
„Ich war kurz davor, aufzugeben“, sagt Bracht heute. „Aber es ist sehr, | |
sehr schwer, loszulassen.“ 43 Jahre alt ist sie damals, seit mehreren | |
Jahren bestimmt der Wunsch nach einem Kind ihr Leben. Sie setzt sich eine | |
Frist: Wenn sie im Alter von 45 nicht schwanger sei, würde sie aufhören. | |
## Ihr Weg führt in die Ukraine | |
Systematisch wertet Bracht nun Hunderte Berichte im Forum aus, vertieft | |
sich in Forschungsergebnisse, recherchiert neueste Methoden. Hoch gehandelt | |
wird im Forum auch eine Klinik jenseits der Europäischen Union: in Kyjiw, | |
mit Zug oder Flugzeug in wenigen Stunden zu erreichen. Offene Spenden sind | |
hier allerdings nicht möglich. Und dennoch: „Für schwierige Fälle wie | |
meinen schien es dort noch Hoffnung zu geben“, sagt Bracht. Der Krieg in | |
der Ukraine hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. | |
In der Ukraine waren und sind sowohl Eizellspenden als auch | |
Leihmutterschaften legal. Doch die Kyjiwer Klinik steht immer wieder in der | |
Kritik, vor allem aufgrund von Skandalen um Leihmutterschaften. „Ich hatte | |
meine Zweifel und durchaus Bauchschmerzen bei dem Gedanken daran, wie die | |
Bedingungen für Eizellspenderinnen dort sind“, sagt Bracht. Das | |
Wohlstandsgefälle zwischen ukrainischen Spenderinnen und deutschen | |
Wunscheltern ist deutlich – was die Kommission als Risiko für Ausbeutung | |
benennt. „Aber ich muss ehrlich sagen“, sagt Bracht, „dass ich meine | |
Zweifel am Schluss beiseite geschoben habe. Der Wunsch war größer.“ | |
Rund 40.000 Euro hat sie bisher bezahlt, für Behandlungskosten, Flüge und | |
Züge, Hotels und Medikamente. Nun kommen noch einmal rund 12.000 Euro dazu, | |
in denen ganze fünf Versuche inbegriffen sind – und zudem die Garantie, 80 | |
Prozent des Geldes zurückzubekommen, sollte bis dahin keine Schwangerschaft | |
zustande gekommen sein. Beim ersten Versuch lassen sich nur wenige Eizellen | |
befruchten. Trotzdem wird Liane Bracht direkt schwanger. „Das war mein | |
persönliches Wunder.“ | |
Ob die Eizellspende in Deutschland in absehbarer Zeit eine Chance hat, ist | |
derzeit schwer zu sagen. Einzig die FDP ist klar dafür. Ende August sprach | |
sie sich für einen fraktionsübergreifenden Antrag in Sachen Legalisierung | |
aus. Die Aufhebung des Verbots sei „überfällig“, sagte Katrin | |
Helling-Plahr, die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im | |
Bundestag, [5][der taz]: „Die Gründe für das Verbot der Eizellspende sind | |
medizinisch wie gesellschaftlich schon lange nicht mehr stichhaltig.“ | |
Die feministische Szene zeigt sich derweil in Sachen Eizellspende | |
gespalten: Das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und | |
Geschlechterdemokratie etwa nimmt vor allem die Belange der potentiellen | |
Spenderinnen in den Blick und bringt „Egg Sharing“ ins Spiel – also die | |
Möglichkeit, übrig gebliebene Eizellen aus eigenen künstlichen | |
Befruchtungen an andere Frauen zu spenden. Terre des Femmes dagegen will | |
aus Sorge vor Ausbeutung gänzlich am Verbot festhalten. | |
Sollte eine Legalisierung in Frage kommen, braucht es laut Kommission | |
bestimmte Voraussetzungen. Zum Beispiel, dass die Spenderin „umfassend und | |
neutral“ aufgeklärt und mit dem schonendsten medizinischen Verfahren | |
behandelt wird, das zur Verfügung steht. Sie muss eine „angemessene | |
Aufwandsentschädigung“ bekommen, deren Höhe nicht näher beziffert wird. Und | |
die Spende muss offen sein, sodass das Kind später erfahren kann, wer seine | |
genetische Mutter ist. | |
Gut möglich, dass Liane Brachts Geschichte eine andere wäre, hätte sie in | |
Deutschland eine Eizellspende bekommen können. „Wahrscheinlich hätte mir | |
dann schon die erste Klinik in Berlin gesagt: Deine Eizellen sind zu alt“, | |
sagt Bracht, „aber wir können dir andere Optionen anbieten.“ Vielleicht | |
hätte sie sich damit vier Jahre gespart, in denen sie viel Geld und Zeit | |
investiert hat – und die emotional „total anstrengend“ waren. Auch für i… | |
Tochter wäre es schöner, sagt Bracht, wenn sie irgendwann ihre genetische | |
Herkunft erfahren könnte und zudem wüsste, dass „die Art und Weise, wie sie | |
ins Leben kam, transparent und auch hierzulande anerkannt und in Ordnung | |
ist“. | |
Dreieinhalb Jahre alt ist Liane Brachts Tochter heute. Ihr Umfeld weiß über | |
die Spende Bescheid, Fremde entdecken immer wieder Ähnlichkeiten zu Bracht. | |
Abstammungsrechtlich ist die Sache klar: Mutter eines Kindes ist die Frau, | |
die es geboren hat. Auch in Bezug auf ihrer beider Beziehung spiele die | |
Spende keine Rolle, sagt Bracht: „Am Ende des Tages habe ich einfach ein | |
Kind.“ Trotzdem wird die Spende weiter Teil ihres Lebens sein. Aus dem | |
Austausch mit anderen Frauen im Forum etwa, die ähnliche Wege gegangen | |
sind, seien zum Teil Freundschaften entstanden. Zudem ist Bracht Mitglied | |
im Verein „FE-Netz – Familien nach Eizellspende“, der sich für die | |
Legalisierung der Spende in Deutschland einsetzt. „Uns geht es auch darum, | |
dass die Kinder andere Kinder kennenlernen, die auf demselben Weg | |
entstanden sind wie sie selbst – und dass sie von Anfang an darüber | |
Bescheid wissen, wie sie zur Welt gekommen sind“, sagt Bracht. | |
Ab und zu liest Liane Bracht ihrer Tochter aus Kinderbüchern zum Thema vor, | |
einige gibt es auf Englisch, ein paar auf Deutsch. In einem davon hat die | |
Comic-Eizelle Augen, was ihre Tochter am meisten entzückt. Am Fotoalbum aus | |
der Schwangerschaft fasziniert ihre Tochter aber vor allem eines: dass sie | |
selbst in diesem dicken Bauch war, der auf dem Foto zu sehen ist. | |
16 Sep 2024 | |
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[1] https://fe-netz.de/ | |
[2] /Kuenstliche-Befruchtung-im-Ausland/!5656189 | |
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[4] https://www.julkari.fi/bitstream/handle/10024/146702/Hedelm%C3%B6ityshoidot… | |
[5] /Eizellspenden/!6028123 | |
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