# taz.de -- Meinungen zum Kinderkriegen: 59% der Männer in Deutschland sollten… | |
> Russland verbietet „Propaganda“ für Kinderlosigkeit und 59% der deutschen | |
> Männer meinen, dass man Kinder bekommen sollte. Staat und Männer: Lasst | |
> FLINTA entscheiden! | |
Bild: Eine Lücke, die für viele keine ist | |
Kinder sind teuer. Keine zu wollen könnte allerdings auch kostspielig | |
werden – zumindest in Russland. Das russische Parlament hat am Dienstag ein | |
Gesetz erlassen, das „Propaganda“ zur [1][Kinderlosigkeit unter Geldstrafe | |
stellt]. 400.000 Rubel soll das für Privatpersonen kosten, umgerechnet | |
3.800 Euro. 5 Millionen Rubel – das sind 48.000 Euro – für Unternehmen. | |
Dabei ist völlig unklar, was mit Propaganda gemeint ist. Man stelle sich | |
Menschen vor, die jahrelang mit ungewollter Kinderlosigkeit gerungen haben, | |
die irgendwann ihren Frieden damit gefunden haben, darüber sprechen sie in | |
einem Interview – und bekommen eine Geldstrafe. Kinderlosigkeit, die ein | |
Vermögen kostet. | |
Klingt faschistoid, oder? Doch so weit weg ist man in Deutschland nicht vom | |
Gedanken, dass zum guten Leben auch Kinder gehören: Eine repräsentative | |
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos ergab, dass 59 Prozent der | |
Männer der Meinung sind, dass die [2][meisten Menschen Kinder haben | |
sollten]. Bei den Frauen sind es 33 Prozent. | |
Klar, es ist einfacher Vater zu sein als Mutter. Als FLINTA kann man sich | |
ohnehin nur falsch entscheiden: Warum hat sie sich gegen Kinder | |
entschieden? Wenn sie keine Kinder hat, warum macht sie dann nicht | |
Karriere? Ist sie zu spät Mutter geworden? Zu früh? Wenn sie abends | |
ausgeht, wer kümmert sich dann um die Kinder? Warum arbeitet diese Mutter | |
schon wieder? Oder macht sie zu lange Pause? | |
## Kinderkriegen ist politisch | |
Mehr noch als in anderen Ländern klafft in Deutschland eine | |
Einkommenslücke: 30-jährige Väter verdienen [3][im Durchschnitt 70 bis 80 | |
Prozent mehr als 30-jährige Mütter]. Männer mit Kindern verdienen etwas | |
mehr als Männer ohne Kinder. FLINTA können bei der Vorstellung nur lachen. | |
Denn für sie ist Kinder zu haben ein Armutsrisiko. Es gibt etliche andere | |
Gründe von Klima- bis Kitakrise, sich gegen Kinder zu entscheiden, genauso | |
viele wie die Entscheidung für ein Kind. | |
Es ist ein sehr sensibles Thema – gerade für Menschen, die Kinder haben | |
wollen, aber nicht können. Das sind nicht wenige: Etwa jedes zehnte Paar in | |
Deutschland ist ungewollt kinderlos. | |
Kinder (nicht) zu haben war immer schon politisch, vor allem für FLINTA. | |
Der zwanghafte Reproduktionswahn hat viele Facetten: Seit jeher haben sich | |
Nationalstaaten dafür eingesetzt, dass sich die eigene Bevölkerung | |
vermehrt. | |
Das ist in Russland so, wo die Geburtenrate sinkt, das war in China so, wo | |
man lange Zeit eine Ein-Kind-Politik vertrat und nun mit der Einführung | |
einer [4][Drei-Kind-Politik] hoffnungslos versucht, gegen die Konsequenzen | |
der Vergangenheit anzukämpfen. Man muss nicht „Der Report der Magd“ gelesen | |
haben, um zu verstehen, wie desaströs solche reproduktive Regulierungen für | |
das Privatleben der Menschen sein können. | |
## My body, my choice | |
Auch in Deutschland mischt sich der Staat noch zu oft ein: Der Abbruch | |
einer ungewollten Schwangerschaft ist laut Paragraf 218 grundsätzlicht | |
strafbar, Schwangere müssen sich in den ersten zwölf Wochen zwangsberaten | |
lassen, damit sie und ihre Ärztin nicht unter Strafe gestellt werden. Der | |
Paragraf 218 gehört zwar abgeschafft, doch wenn man sich als schwangere | |
Person an die Schikane hält, hat man in Deutschland immerhin eine Wahl. Ein | |
schmaler Korridor der Entscheidungsfreiheit. | |
Umso schockierender, dass die Mehrheit der Männer in Deutschland diesen | |
Wert der Entscheidungsfreiheit nicht zu schätzen weiß. Ob jemand ein Kind | |
bekommt, ist einzig und allein seine Entscheidung – Punkt. Jahrzehntelang | |
kämpfen Feminist_innen immer wieder dafür, dass gilt: My body, my choice. | |
Mein Körper, meine Entscheidung. Der Staat hat im Uterus nichts zu suchen. | |
Dabei hat die Bundespolitik just in Richtung reproduktive Rechte geblinkt: | |
Seit Mittwoch sind sogenannte [5][Gehsteigbelästigungen] in Deutschland | |
verboten. Demnach dürfen Schwangere vor Beratungsstellen und Kliniken nicht | |
mehr belästigt werden. Zumindest also ein Ort weniger, an dem Menschen über | |
den Kinderwunsch anderer urteilen. | |
14 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.queer.de/detail.php?article_id=51635 | |
[2] https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/wissen/id_100526424/kinder-sin… | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/finanzen/elternschaft-verstarkt-ungl… | |
[4] https://www.iwkoeln.de/studien/gero-kunath-china-im-demografischen-wandel.h… | |
[5] /Gesetz-gegen-Abtreibungsgegner/!6019176 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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