# taz.de -- Organisierte Kriminalität in Deutschland: Kokain und Cybercrime | |
> Der Schaden durch Organisierte Kriminalität steigt laut BKA auf 2,7 | |
> Milliarden Euro. Was die Ampel-Regierung dagegen unternimmt und woran es | |
> hakt. | |
Bild: Ein seltener Polizeierfolg. beschlagnahmtes Kokain durch die Polizei Baye… | |
Berlin taz | Es geht um Drogenhandel, [1][Cybercrime] oder Waffenschmuggel | |
– und um enorme Geldsummen. Laut einem neuen BKA-Bundeslagebild wurde im | |
vergangenen Jahr im Bereich der Organisierten Kriminalität ein Schaden von | |
2,7 Milliarden Euro verursacht, doppelt so viel wie im Vorjahr. Den | |
Hauptanteil machte dabei ein einziges Cybercrimeverfahren aus, das für 1,5 | |
Milliarden Euro verantwortlich war. Vor neun Jahren lag die | |
Gesamtschadenshöhe noch bei 539 Millionen Euro. Und die tatsächlichen | |
Summen liegen wohl noch viel höher, das Dunkelfeld ist groß. | |
Den Lagebericht stellen BKA-Präsident Holger Münch und | |
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in Berlin vor. | |
Demnach wurden im vergangenen Jahr 642 Verfahren zur Organisierten | |
Kriminalität geführt, fast so viele wie im Vorjahr. 264 davon betrafen | |
Rauschgifthandel, 111 Wirtschaftskriminalität. Mit Abstand folgen 62 | |
Verfahren zu Eigentums- und 58 zu Schleusungsdelikten. In einem Drittel der | |
Verfahren kam es zu Geldwäscheaktivitäten: Mindestens 166 Millionen Euro | |
illegaler Gelder wurden so in Handelsgüter oder Immobilien investiert – | |
auch hier ist das Dunkelfeld groß. Die meisten Verfahren wurden in | |
Nordrhein-Westfalen geführt, gefolgt von Niedersachsen, Bayern und Berlin. | |
Ermittelt wurde gegen 7.347 Tatverdächtige, ein Drittel davon Deutsche. Der | |
Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen stieg um 10 Prozent an. Ein | |
Zehntel der Personen, gegen die ermittelt wurde, war staatenlos oder es | |
konnte die Staatsangehörigkeit bisher nicht geklärt werden, etwa in Fällen | |
von Cybercrime. Die kleinste Gruppierung bestand aus drei Mitgliedern, die | |
größte aus 279 Personen. | |
Der Behörden gelang es im vergangenen Jahr bei Kriminellen 83 Millionen | |
Euro an Vermögen zu beschlagnahmen. Im Vorjahr waren es noch 228 Millionen | |
Euro. Das BKA verweist hier darauf, dass viele Verfahren noch liefen und | |
die Einziehungen erst am Ende erfolgten. In anderen Fällen fehlten | |
Anordnungen der Justiz oder das Geld der Kriminellen war schon aufgebraucht | |
oder nicht auffindbar. | |
## Hohe Gewaltbereitschaft in dem Milieu | |
Das BKA warnt auch vor der hohen Gewaltbereitschaft in dem Milieu. In gut | |
einem Drittel der Verfahren sei es zu Gewalt gekommen. Es habe drei Morde | |
und 11 Mordversuche gegeben. In 318 Fällen wurden Schusswaffen | |
festgestellt. | |
Die Ermittler stellt auch vor der Herausforderung, dass die Tatverdächtigen | |
in 24 Prozent der Verfahren verschlüsselte Kommunikation nutzten. Bereits | |
2020 aber war es französischen Sicherheitsbehörden gelungen, den | |
international genutzten, [2][kryptierten Encrochat-Dienst] zu infiltrieren | |
und zu entschlüsseln, der auch von Kriminellen genutzt wurde. Europaweit | |
gab es daraufhin 6.500 Festnahmen. Auch gegen 3.000 in Deutschland | |
ansässige Nutzer wurde ermittelt. Ob die geknackten Chats vor deutschen | |
Gerichten verwendet werden dürfen, ist aber bis heute umstritten. | |
Vor allem der internationale Drogenhandel, [3][allen voran mit Kokain], | |
besorgt die Sicherheitsbehörden. Auch wenn die Gesamtzahl der Verfahren | |
hier um ein Zehntel sank, führt dieses Feld die Statistik weiter an. Faeser | |
hatte sich im Mai mit Minister*innen aus Belgien, Frankreich, Italien, | |
Niederlande und Spanien in Hamburg getroffen und einen verstärkten Kampf | |
gegen internationalen Drogenhandel angekündigt. Allein im Hamburger Hafen | |
waren 2023 fast 34 Tonnen Kokain beschlagnahmt worden – vier Jahre zuvor | |
waren es 9,5 Tonnen. Die Runde beschloss, Finanzermittlungen zu forcieren | |
und die [4][Zusammenarbeit mit südamerikanischen Staaten] zu verbessern. | |
Auch sollen in europäischen Häfen die Kontrollen verstärkt werden. | |
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) plant zudem ein [5][Bundesamt | |
zur Bekämpfung von Finanzkriminalität], bereits im Herbst 2023 legte er | |
dafür einen Gesetzentwurf vor. Die Grünen kritisieren allerdings fehlende | |
Befugnisse und fordern dafür eine Verabschiedung des sogenannten | |
Vermögensverschleierungsbekämpfungsgesetzes. Das ist bisher nicht erfolgt. | |
5 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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