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# taz.de -- Verschlüsselte Chats und Strafverfolgung: EncroChats doch unverwer…
> Dürfen verschlüsselte Nachrichten vor Gericht genutzt werden? Eine
> Berliner Richterin entschied dagegen: Sie hätten nicht ausgelesen werden
> dürfen.
Bild: Das Kammergericht am Kleistpark ist das Oberlandesgericht des Landes Berl…
Berlin taz | Dürfen Nachrichten aus verschlüsselten Chats vor Gericht als
Beweismittel genutzt werden? In einer Berliner Anklage hat das Gericht
jetzt dagegen entschieden. [1][Der wegen Kokainhandels Angeklagte] wurde
freigesprochen. In seinem Fall waren verschlüsselte EncroChat-Nachrichten
die Grundlage der Anklage. Der Freispruch kam kurz vor Weihnachten und
wurde von zahlreichen Strafrechtsprofessoren seit Jahren gefordert.
Zwischen April und Juni 2020 hatten französische oder von ihnen beauftragte
„Ermittler“ anderer Staaten tausende Kryptohandys mit Trojanern versehen
und Nachrichten ausgeleitet. Seit Sommer 2020 wurden zahlreiche Nutzer
dieser Handys wegen Drogenhandels und anderer Tatvorwürfe verfolgt und
verurteilt. Der Bundesgerichtshof und zuletzt auch das
Bundesverfassungsgerichts hatten das bislang gebilligt. Die Berliner
Anklage wegen umfangreichen Handels mit Kokain basierte ausschließlich auf
solchen abgefangenen EncroChat-Mitteilungen.
Das Gericht hatte aber Zweifel an ihrer Verwertbarkeit und deshalb zunächst
den [2][EuGH] angerufen. Der hielt die grundsätzliche Verwertbarkeit der
Daten zwar für möglich, aber forderte verstärkte Aufklärungsbemühungen der
nationalen Gerichte (C-670/22). Die Gerichte müssten untersuchen, wie die
Daten gewonnen wurden und ob sie nach nationalem Recht verwertbar seien.
Das Berliner Gericht sprach den Angeklagten frei, nachdem es zahlreiche
Zeugen des BKA angehört hatte, die seinerzeit die Rechtshilfe mit den
Franzosen abwickelten und die Daten auswerteten. Bislang hatten die
deutschen Gerichte für die Nutzung der Daten in Deutschland den Grundsatz
des wechselseitigen Vertrauens in die Maßnahmen der Franzosen als Maßstab
angelegt. Das hielt das Berliner Gericht nicht für ausreichend. Denn
gemessen am deutschen Recht sei die Maßnahme eindeutig unzulässig gewesen.
Für die massenhafte Ausleitung aus Handys habe es wegen des zu schwachen
Verdachts gegen die Nutzer keine Ermächtigung gegeben.
## Richterin: Deutsche Gerichte entscheiden Verwertbarkeit
Die Richterin Klimke sah in der bisherigen Rechtsprechung der deutschen
Gerichte die Bedeutung des Urteils des europäischen Gerichtshofes verkannt:
Dessen Fazit, dass die Staatsanwaltschaft in Deutschland entsprechende
Daten anfordern durfte, bedeute nicht, dass sie diese auch verwerten
durfte. Das sei lediglich eine Zuständigkeitsaussage des EuGH, nicht aber
eine Ermächtigungsbestätigung. Im Beschluss des EuGH fänden sich zahlreiche
Anhaltspunkte dafür, dass die Frage der Verwertbarkeit dort nicht
abschließend geklärt sei, sondern nun von den Gerichten in Deutschland neu
beantwortet werden müsse.
Die Maßnahme selbst beschrieb Klimke so: Das lange geplante europäische
Projekt hatten die Franzosen in den verschiedenen Vertragsstaaten im
vorhinein bekannt gemacht. Sie setzten es mit hohem technischen Aufwand um,
mit nicht offen gelegten und daher nicht weiter aufklärbaren Mitteln. Dabei
ging es nicht allein um die Überprüfung von 300 französischen
EncroChat-Nutzern, sondern darüber hinaus um tausende europäische Nutzer.
In Deutschland sei die Maßnahme, soweit sie sich auf hier betriebene
Telefone bezog, auch vorab genehmigt worden. Allerdings nicht von der
Staatsanwaltschaft, sondern von der Polizei, auf die die Staatsanwaltschaft
die Genehmigung abgewälzt hatte. Es sei dem Gericht nicht gelungen, die
Kommunikation zwischen der Polizei und den französischen Behörden
vollständig nachzuvollziehen, denn die wurde nicht offengelegt.
Anschließend hätten die französischen Behörden Daten zur polizeilichen
Gefahrenabwehr geliefert. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main
habe ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Im Rahmen der
Europäischen Ermittlungsanordnung holte die Staatsanwaltschaft dann
zusätzlich die Genehmigung zur Nutzung der Daten für die Strafverfolgung
ein. Doch in der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte habe das Gericht
weder Angaben zu der Art und Weise der Datenabschöpfung finden können, noch
solche über die Kommunikation zwischen den Polizeibehörden.
Johannes Eisenberg ist Strafverteidiger und Anwalt für Presserecht. Er
vertritt die taz in presserechtlichen Fragen.
10 Jan 2025
## LINKS
[1] /Organisierte-Kriminalitaet-in-Deutschland/!6034764
[2] /Europaeischer-Gerichtshof/!t5009204
## AUTOREN
Johannes Eisenberg
## TAGS
Justiz
Verschlüsselung
Organisierte Kriminalität
China
Drogenhandel
Ungarn
Handy
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