# taz.de -- AfD-Demo in Lichtenberg: Alerta, Alerta, Anti-AfD! | |
> Die Lichtenberger AfD-Fraktion demonstrierte am Donnerstag gegen eine | |
> geplante Flüchtlingsunterkunft im Bezirk. Zu Gegendemos kamen mehr | |
> Menschen. | |
Bild: Keine weitere Aufnahme von neuen Asylbewerbern in Lichtenberg, fordert di… | |
Berlin taz | Ob sie wüssten, wie viele Syrer in Deutschland seien?, fragt | |
der AfD-Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio die Menge. „1 Million!“, ruft | |
er empört. „Wenn also auch nur 0,1 Prozent von denen kriminell ist, sind | |
das eintausend Menschen. Eintausend Solingen-Attentäter! Wollen wir die im | |
Land haben?“. | |
Curio spricht am Donnerstagabend vor dem Linden-Center im Lichtenberger | |
Ortsteil Hohenschönhausen zu den rund 200 Demonstrant*innen, die sich zur | |
AfD-Kundgebung unter dem Motto „Es wird uns zu bunt! Lichtenberg ist voll!“ | |
am Prerower Platz versammelt haben. | |
„Die erzählen uns allen Ernstes, die würden nach Deutschland fliehen | |
müssen“, hetzt er weiter. „Das ist lächerlich. Wir würden doch auch nicht | |
nach Afghanistan ziehen, wenn es in Berlin Unruhen gäbe.“ Der Jubel ist | |
groß. | |
Die rassistischen Parolen Curios und die Parolen seiner Vorrednerin, der | |
Berliner AfD-Landesvorsitzenden Kristin Brinker, werden immer wieder von | |
Trommeln, Tröten und Musik überlagert: „Moshpit auf den Nazis, wir tanzen | |
auf den Schädeln dieser hasserfüllten Wesen“, schallt aus den Boxen quer | |
über den Platz. Der Lärm stammt von „Lichtenberg Solidarisch“, einem | |
Bündnis zivilgesellschaftlicher Initiativen, Organisationen und Parteien, | |
die als Gegenprotest zur AfD-Demo eine Kundgebung gegen Rassismus | |
organisiert hat. | |
In unmittelbarer Nähe findet eine weitere Gegendemo statt, zu der | |
antifaschistische Initiativen aufgerufen haben. Rund 250 Menschen haben | |
sich bei den beiden Demos versammelt, um ein Zeichen gegen Rechts zu | |
setzen, darunter SPD, Jusos und Linke, Omas gegen Rechts und die | |
Internationale Kommunistische Jugendorganisation. „Lichtenberg bleibt bunt, | |
Hohenschönhausen bleibt bunt!“, rufen sie. | |
## AfD-Demo richtet sich gegen geplante Flüchtlingsunterkunft | |
Anlass für die Kundgebung der Lichtenberger AfD-Fraktion sind die Pläne des | |
schwarz-roten Senats, weitere Geflüchtete im Bezirk unterzubringen. [1][Das | |
ehemalige City Hotel Berlin East an der Landsberger Allee soll umgebaut und | |
als Gemeinschaftsunterkunft für 1.200 Geflüchtete genutzt werden]. | |
Ab November werden die Gebäude vom Land angemietet. Die ersten | |
Bewohner*innen sollen bereits im Winter einziehen, der volle Betrieb | |
soll im Juli 2025 losgehen. Kritik wurde laut, nicht nur wegen der hohen | |
Anmietungskosten, sondern auch wegen der hohen Belastung für den Bezirk. | |
Lichtenberg beherbergt neben Pankow, Marzahn-Hellersdorf und | |
Tempelhof-Schöneberg die meisten Geflüchteten. | |
„Wir fordern vom schwarz-roten Senat: Keine weitere Aufnahme von neuen | |
Asylbewerbern in Lichtenberg“, schrieb die AfD in ihrem Demo-Aufruf. Zum | |
geplanten Hotel-Umbau an der Landsberger Allee hat die Partei für den 26.9 | |
eine Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beantragt. | |
Das Gegenbündnis setzt sich für die Aufnahme weiterer Geflüchteter ein, | |
äußert jedoch auch Kritik an Entscheidungen des Senats und Bezirks. | |
„[2][Lichtenberg ist der Ort mit der größten Kinderarmut], fehlenden | |
Schulen und Arztpraxen“, sagt der Bezirksabgeordnete Toni Kraus (Linke). Er | |
verstehe daher die Besorgnis der Menschen, betont jedoch: „Wir haben keine | |
Flüchtlingskrise, sondern eine Verwaltungskrise.“ Er kritisiert, dass die | |
finanzielle Last der Flüchtlingsunterbringung auf die ohnehin belasteten | |
Bezirke abgewälzt werde. Trotzdem hält er fest: „Es ist unsere menschliche | |
Pflicht, diesen Menschen Schutz zu bieten.“ | |
Ein AfD-Demonstrant sieht das anders: „In Pankow werden möblierte | |
Luxuswohnungen an Flüchtlinge gegeben“, behauptet das Parteimitglied | |
gegenüber der taz, „und wir?“ Früher seien sie „unter sich“ gewesen u… | |
Sicherheit, sagt der aus Steglitz-Zehlendorf angereiste Deutsch-Pole. Jetzt | |
sei alles schlimmer gekommen, als er es sich je hätte vorstellen können. Er | |
ist seit 11 Jahren AfD-Mitglied, erzählt er, und sei ein guter Freund des | |
Identitären Martin Sellner, der in Potsdam für den „Remigrations“-Plan | |
warb. „Ein ganz feiner Kerl“, sagt der AfDler. Und: „Er ist kein Nazi!“ | |
## Die AfD instrumentalisiert die Morde in Solingen | |
Der Rechtsextremist Sellner hatte nach den Morden in Solingen zynisch auf X | |
geschrieben: „Das ‚Festival der Vielfalt‘ wird von der Vielfalt | |
heimgesucht.“ Anschließend rief er zur „Remigration“ auf. | |
Die Kundgebung in Lichtenberg wurde schon vor den Morden in Solingen | |
angemeldet, doch die [3][Tat wird am Donnerstagabend instrumentalisiert, um | |
rassistische Narrative und Abschiebedebatten zu befeuern]. Gottfried Curio | |
wirft mit Zahlen um sich, wie viele Gewalttaten es in Deutschland jährlich | |
gebe und wie viele von Migranten verübt würden. „Wir sind nicht bereit, | |
diesen Blutzoll zu zahlen!“, ruft er. „Wollt ihr Solingen oder die AfD?“. | |
Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland zeigt sich | |
die AfD siegessicher: Kristin Brinker verspricht in ihrem Redebeitrag, dass | |
die AfD in Brandenburg, Sachsen und Thüringen stärkste Kraft werde, | |
Gottfried Curio sagt: „Am Sonntag treffen wir uns um 18 Uhr wieder und | |
feiern ein Fest der Demokratie!“ | |
## Die Gegendemonstration ist in der Überzahl | |
Zum Abschluss der AfD-Demo ertönt die deutsche Nationalhymne, die | |
Demonstrant*innen singen andächtig mit. Eine Gruppe schwarz bekleideter | |
Männer mit „Hitlerjugend-Schnitt“, Sonnenbrillen und Shirts mit der | |
Aufschrift „Heimliebe“ mokiert die durch Polizei und Absperrgitter | |
abgezäunten Gegendemonstant*innen: „Alerta, Alerta, Antifascista!“, grölen | |
sie und lachen. | |
„Lasst euch nicht provozieren“, lautet derweil die Ansage auf der | |
Gegendemo. Von ihrem Ende des Platzes dröhnt die Musik, es wird getanzt und | |
gefeiert. „Lasst euch nicht einschüchtern. Wir sind mehr!“ | |
Anm. der Red.: Eine frühere Version des Beitrags konnte sich so lesen, als | |
hätte sich AfD-Landeschefin Kristin Brinker auf der Veranstaltung | |
öffentlich rassistisch geäußert. Das war nicht der Fall. Wir haben die | |
Stelle korrigiert. | |
30 Aug 2024 | |
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## AUTOREN | |
Lilly Schröder | |
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