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# taz.de -- Sequel „Beetlejuice Beetlejuice“: Wagnis war gestern
> Tim Burton beschwört mit „Beetlejuice Beetlejuice“ noch einmal seinen
> „Bio-Exorzisten“ herauf. Leider ist es nur konventionelles
> Blockbusterkino.
Bild: Immer noch ein höllisches Team: Beetlejuice (Michael Keaton) und Bob
Quälend lange soll es gedauert haben, bis der Cast für den heute als
Kultfilm geltenden „Beetlejuice“ stand. Tim Burton war noch ein
Unbekannter, hatte gerade erst sein Spielfilmdebüt hinter sich. Auch das
Drehbuch um ein kleinstädtisches Ehepaar, das nach seinem vorzeitigen Tod
im eigenen Haus gefangen ist und es mit der Hilfe des verlotterten Geistes
„Beetlejuice“ vor einer versnobten Oberschichtsfamilie aus New York
bewahren will, war eine seltsame Erscheinung.
Der junge Alec Baldwin soll sein Mitwirken am Film gar als Gift für seine
Karriere bezeichnet haben, auch Michael Keaton lehnte mehrmals ab, ehe er
schließlich doch die titelgebende Hauptrolle übernahm.
Kein Wunder, der skurrile Witz im Umgang mit dem Makabren, der humorvolle
Bruch mit für sich genommen alptraumhaften Themen, die verspielte
Inszenierung von Schauerlichem – all das, was schließlich zu Tim Burtons
unverwechselbarer Handschrift werden sollte, besaß noch Neuigkeitswert, war
im wahren Wortsinne „komisch“, die Sonderbarkeit ein Wagnis, nicht nur
hippe Pose.
Über drei Dekaden später dürfte die Besetzung der Fortsetzung deutlich
leichter gefallen sein. Nicht nur, weil sich Tim Burton als Regiegröße
etablieren konnte, sondern auch weil er „Beetlejuice“ zu einer Zeit zurück
ans Tageslicht bringt, in der die Omnipräsenz von Wiedergängerstoffen zur
Normalität geworden ist und sich die Filmlandschaft in lästigem Ausmaß mit
Reboots, Remakes, Prequels und Sequels zu bereits Dagewesenem aufhält,
anstatt einstigen Erfolgen die verdiente ewige Ruhe zu gönnen.
Viel Herzblut für eigenwillige Projekte
Der Sorge, dass sich auch Tim Burton der Leinwandleichenfledderei
verdächtig machen könnte, steht sein Ruf als Filmemacher entgegen, der
besonders viel Herzblut in seine eigenwilligen Projekte einfließen lässt,
der sich seit jeher außerhalb der Norm am Wohlsten zu fühlen scheint.
Darüber hinaus markiert „Beetlejuice Beetlejuice“ nicht das erste Mal, dass
Tim Burton vorhandene Stoffe aufgreift.
Doch während [1][Tim Burtons Neuverfilmung von „Dumbo“] dem Disney-Stoff
den düster-depressiven Anstrich verlieh, nach dem die bedrückende
Geschichte um Ausgrenzung verlangt und sich damit eine nochmalige
Auseinandersetzung mit dem Stoff als wertvoll erwies, biedert sich seine
Interpretation der Kultfigur [2][„Wednesday“ für die gleichnamige
Netflix-Serie] bei momentanen Trends an und vereint angesagte „Murder
Mystery“ mit „Romantasy“-Elementen.
Aus der stoischen Tochter der „Addams Family“, die mit ihrer trockenen
Persönlichkeit und ihrer Faszination für das Morbide nicht nur am
Eitel-Sonnenschein-Familienideal rüttelte, sondern mit manchem
sarkastischen Spruch die moralische Hybris der USA herausforderte, war eine
nur noch leidlich unangepasste Internatsschülerin (Jenna Ortega) geworden,
die sich durch typische Coming-of-Age-Szenarien wie die erste Liebe
manövrieren muss.
„Beetlejuice Beetlejuice“ setzt diese jüngste Tendenz in Tim Burtons
Schaffen, sich auf alter Magie auszuruhen, anstatt die damalige
Einzigartigkeit des Kultstoffs neu zu interpretieren und mit seinem
früherem Einfallsreichtum zu füllen, bedauerlicherweise fort.
Kein konzentrierter Plot
Schon eine mitreißende Idee dafür, wie sich die Geschichte um den
titelgebenden „Bio-Exorzisten“ sinnhaft fortspinnen ließe, scheint zu
fehlen. „Das Jenseits wirkt so willkürlich“, sagt die jugendliche Astrid
Deetz (Jenna Ortega) frustriert zur Mitte des Films – und man möchte ihr
mit Blick auf die Ereignisse in „Beetlejuice Beetlejuice“ schlicht
zustimmen. Statt eines konzentrierten Plots, mit dem noch der Originalfilm
bestach, tischt Tim Burton einen wahren Wust an beliebig wirkenden
Handlungssträngen auf, die sich niemals recht zu einer einzigen Erzählung
zusammensetzen wollen.
Ausgangspunkt ist der Tod von Charles, des spröden Familienvaters, der im
ersten Teil des Films zum Leidwesen seiner exzentrischen Künstlergattin
Delia und seiner Goth-Tochter Lydia das Geisterhaus kaufte, in dem bald
nicht nur die Vorbesitzer ihr Unwesen trieben, sondern auch Beetlejuice.
Anlässlich seiner Beerdigung kommen die mittlerweile erwachsene Lydia
(erneut gespielt von Winona Ryder), die nun eine Fernsehsendung über
übernatürliche Phänomene moderiert, ihre weiterhin von sich und ihrer Kunst
eingenommene Stiefmutter (erneut Catherine O’Hara) sowie ihre Tochter,
besagte Astrid, zusammen.
Während im Diesseits daraufhin oberflächlich dysfunktionale
Mutter-Tochter-Beziehungen verhandelt werden – Astrid ist von der
Bekanntheit ihrer Mutter genervt, mehr noch von ihrem neuen schmierigen
Partner und Produzenten Rory (Justin Theroux) – wird Beetlejuice (erneut
Michael Keaton) im Reich der Toten von seiner nach Rache sinnenden Ex-Frau
Delores verfolgt.
Erzählstränge verlaufen im Nichts
Die von Monica Bellucci gespielte, wenig originell an Morticia Addams
erinnernde Figur wirkt ebenso wie der von Willem Dafoe verkörperte
Unterwelt-Detektiv und einstige Action-Star, der ihr auf den Fersen ist,
wie bloße Staffage, um weitere namhafte Schauspielgrößen im Projekt
unterzubringen. Ihre Erzählstränge jedenfalls verlaufen im Nichts.
Durch einen verhängnisvollen Flirt zwischen Astrid und einem harmlos
wirkenden Jungen aus der Nachbarschaft (Arthur Conti) werden beide Welten
schließlich miteinander verwoben – und Beetlejuice kehrt zurück an die
Erdoberfläche, anmaßend und abgefeimt wie eh und je. Vor allem Michael
Keatons anarchischer Darstellung ist es zu verdanken, dass „Beetlejuice
Beetlejuice“ trotz seines ziellosen Erzählwirrwarrs immerhin für ein paar
Lacher sorgt.
Von dem Herzblut, das Tim Burton einst als leidenschaftlichen Erzähler
abseitiger Geschichten auszeichnete, ist in dieser routinierten Fortsetzung
kaum etwas übriggeblieben. „Beetlejuice Beetlejuice“ steht vielmehr dafür,
dass selbst ein origineller Filmemacher wie Burton in einer
Mainstreamkinolandschaft, die die ständige Repetition zu belohnen scheint,
nicht davor gefeit ist, seine einstige Kreativität zugunsten der
mechanischen Wiederholung alter Erfolge einzubüßen – und in die Konvention
abzugleiten, die er einst mit Freude herausforderte.
11 Sep 2024
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## AUTOREN
Arabella Wintermayr
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