| # taz.de -- Remake von Film-Klassiker „The Crow“: Dann doch lieber das Orig… | |
| > „The Crow“ bekommt zu seinem 30-jährigen Jubiläum ein Remake. Doch | |
| > anstatt in die Höhen des Originals heran kommt es nicht mal vom Boden | |
| > weg. | |
| Bild: Komischer Vogel: The Crow (Bill Skarsgård) | |
| Das Leben nach dem Tod existiert. Doch für Eric Draven geht es nicht um | |
| Himmel oder Hölle, denn der Ermordete hängt zwischen beiden Welten fest. | |
| Was ihn vom Sterben abhält, ist der Wunsch nach Rache – und die Mörder | |
| seiner Geliebten zur Strecke zu bringen. Obwohl das Motiv Rache in der | |
| Kunst so oft behandelt wurde wie kaum eine andere Thematik, verliert sie | |
| nichts von ihrer rohen Kraft. | |
| Wie mächtig diese Erzählung noch immer sein kann, zeigte 1994 „The Crow“, | |
| in dem die Figur Eric Draven über den Tod hinaus Rache schwor. Der Film | |
| prägte mit seiner Stilistik und erzählerischen Wucht eine Generation und | |
| hallt bis heute nach. Nach einer langen Produktionsgeschichte erscheint nun | |
| ein gleichnamiges Remake des Kult-Klassikers. Der Versuch, die Einmaligkeit | |
| des Originals zu verdoppeln, schlägt allerdings fehl. | |
| Inhaltlich bleibt vieles gleich. Eric Draven (Bill Skarsgård) verliebt sich | |
| – im wahrsten Sinne des Wortes – unsterblich in Shelly (FKA Twigs). Doch | |
| der Verbrecherboss Vincent Roeg (Danny Huston), der mit dem Teufel einen | |
| Pakt zur Unsterblichkeit geschlossen hat, lässt beide ermorden, da Shelly | |
| um seine Identität weiß. Im Gegensatz zu seiner Freundin kann Eric nicht | |
| sterben und seine Liebe hält ihn am Leben. Er entschließt sich zu einem | |
| blutigen Rachefeldzug. | |
| Im Original wie im Remake spricht der Erzähler davon, dass die Krähen die | |
| Seelen ins Land der Toten tragen. Bei einem besonders tragischen Tod geben | |
| sie der Seele die Möglichkeit, ihren Mord zu sühnen. Das bleibt im Remake | |
| genauso vage, wie es schon 1994 war. | |
| Und auch wenn das Leben nach dem Tod existiert, verschweigt der Film, | |
| welche religiöse Vorstellung des Jenseits ihm zugrunde liegt. Zwar fliegen | |
| überall Rabenvögel umher, was auf die nordische Mythologie hindeutet, aber | |
| es gibt auch den Pakt zwischen Mensch und Teufel, der dem christlichen | |
| „Faust“-Konflikt nahekommt. „The Crow“ gibt sich jedoch keine Mühe, die | |
| Nachwelt oder ihre Regeln zu erklären. Und das ist nicht das einzige | |
| Problem dieses mutlosen Remakes. | |
| ## Keine neuen optischen Akzente | |
| Während der erste Film noch eine visuelle Identität hatte, sucht man diese | |
| im Remake vergebens. Das Remake setzt optisch keine eigenen Akzente, wirkt | |
| austauschbar und beliebig. Der Film von 1994 vermischte dagegen Elemente | |
| aus der Gothic-, Punk- und Emocore-Szene mit einer dunklen, | |
| expressionistischen Ästhetik. Das Remake versucht nun zwanghaft, etwas | |
| Eigenes zu finden. So inszeniert Bill Skarsgård seine Figur Eric Draven als | |
| tätowierten, verlorenen jungen Mann, ohne Perspektive und Idee von sich | |
| selbst. | |
| Im Gegensatz zum Original lernen sich Shelly und Eric in der Entzugsklinik | |
| kennen und finden in ihren Dämonen Gemeinsamkeiten. Eric ist | |
| orientierungslos und hat mit Suizidgedanken und selbstverletzendem | |
| Verhalten zu kämpfen. Es wäre die Gelegenheit gewesen, ihn als Sinnbild | |
| einer erschöpften Generation zu zeigen, die ihre Identität letztlich im | |
| Kollektiv findet. | |
| Dafür müsste aber die angeblich unsterbliche Liebe der beiden vermittelt | |
| werden. Denn so oft der Film die Verliebten auch zeigt, es entsteht | |
| keinerlei Gefühl für die Leinwandliebschaft, erst recht nicht durch die | |
| dilettantischen Dialoge, die sich die Darstellenden in repetitiven Bildern | |
| vorsagen. | |
| Nach Shellys Tod erkämpft sich Eric mit Schrotflinte und Katana seine | |
| Rache. Bereits diese Wahl zeigt, wie inspirationslos das Remake ist. Das | |
| japanische Schwert Katana ist als popkulturell inflationär eingesetzte | |
| Waffe inzwischen stumpf und abgedroschen und spiegelt die Ideenlosigkeit | |
| des Films wider. | |
| Gegen Ende des Remakes kommt es zur einzigen nennenswerten Actionszene in | |
| insgesamt 111 Minuten. Eric kämpft sich die Stufen einer Oper hinauf, | |
| überall spritzt und fließt das Blut. Die Wände und Böden färben sich rot, | |
| Menschen werden enthauptet, Gliedmaßen abgetrennt. Der Gewaltexzess wirkt | |
| wie ein Hilfeschrei des Films, der vergeblich versucht, zumindest in der | |
| Brutalität eine Identität zu finden. | |
| ## Graphic Novel als Vorlage | |
| Dabei hat der [1][Regisseur Rupert Sanders 2017 mit seinem Remake des | |
| japanischen Anime-Klassikers „Ghost in the Shell“] durchaus gezeigt, dass | |
| er bereits bestehendes Material adaptieren und ihm auch visuell und | |
| inhaltlich etwas hinzufügen kann. Doch mit „The Crow“, seiner dritten | |
| Regiearbeit, gelingt ihm das nicht. Seine Neuverfilmung ist zwar in ihren | |
| Gewaltszenen nicht blutleer, dafür aber in den Gefühlen. | |
| Der australische Regisseur Alex Proyas hatte 1994 eine klare Handschrift. | |
| Auch anderen Filmen gab Proyas eine stilistische Richtung und trotz | |
| schwankender Qualität bleiben „Dark City“, „Gods of Egypt“ und „Know… | |
| mehr in Erinnerung als das Remake. Die „Crow“-Filme basieren auf der | |
| Graphic Novel von James O’Barr. Das macht das Original zu einer der frühen | |
| Comicverfilmungen, die einen düsteren Antihelden im Fokus haben, die sich | |
| mit [2][„Joker“] und „The Boys“ nun großer Beliebtheit erfreuen. | |
| „Ich dachte, das Remake sei eine zynische Geldmache. Aber anscheinend gibt | |
| es nicht viel Geld zu holen“, spottete Proyas auf Facebook, nachdem der | |
| Film am Startwochenende nur 4,6 Millionen US-Dollar einnahm. Mit einem | |
| Produktionsbudget von 50 Millionen wird „The Crow“ den Produktionsfirmen | |
| massive Verluste einbringen. | |
| Wo das Remake fehlschlägt, triumphierte das Original. Besonders durch das | |
| Szenenbild bekam es Charakter. Es war die erste große Arbeit des britischen | |
| Szenenbildners Alex McDowell. Später war er unter anderem für das | |
| Produktionsdesign von „Fight Club“ verantwortlich, und tatsächlich steckt | |
| in dem Gesellschaftsdrama von David Fincher auch der Odem der Krähe. Sowohl | |
| McDowell als auch Regisseur Proyas kamen aus der Musikvideobranche, wodurch | |
| das Original mit seiner Ästhetik an die überstilisierten Musikvideos der | |
| 1990er erinnert. | |
| ## Einstieg in die Goth-Welt | |
| „The Crow“ begründete zwar nicht den Trend der Gothic-Filme, aber der | |
| Rachefilm kann als Katalysator gesehen werden, der eine junge Generation an | |
| die typischen Gothic-Themen wie Tod, Tragik und das Leben danach | |
| heranführte. | |
| Die Gothic-Kleidung mit schwarzen Mänteln und Fingernägeln wurde | |
| salonfähig, der Filmsoundtrack stürmte die Charts und beeinflusste die | |
| Musikszene auch in den Jahren danach. In der Popkultur ist „The Crow“ | |
| inzwischen unsterblich, ganz gleich ob in „South Park“ oder der Schminke | |
| von Eric Draven, die [3][Heath Ledger in „The Dark Knight“] und den | |
| Wrestler „Sting“ inspirierten. | |
| „The Crow“ ist ein Film, der nur einmal funktionieren konnte. Er ist eine | |
| Zeitkapsel der 1990er Jahre, die man zwar immer wieder öffnen und erleben, | |
| aber nie mehr nachstellen kann. Dazu kommen die tragischen Umstände des | |
| Films. | |
| Der damalige Hauptdarsteller Brandon Lee, Sohn der Martial-Arts-Legende | |
| Bruce Lee, starb bei einem [4][Unfall am Filmset durch einen Schuss, wie | |
| auch 2021 die Kamerafrau Halyna Hutchins bei einem Film mit Alec Baldwin]. | |
| Die Legendenbildung hält bis heute. Doch das Remake kann den Geist des | |
| Originals nicht einfangen, und eine Seele, die eigentlich im Mittelpunkt | |
| des Films steht, ist nirgends zu finden. | |
| 10 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Sci-Fi-Film-mit-Scarlett-Johansson/!5396922 | |
| [2] /Comic-Verfilmung-Joker/!5628582 | |
| [3] /Batman-Verfilmung-Dark-Knight/!5177133 | |
| [4] /Prozess-gegen-Schauspieler-Alec-Baldwin/!6023318 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Seng | |
| ## TAGS | |
| Horror | |
| Actionfilm | |
| Remake | |
| Rache | |
| Social-Auswahl | |
| Pop | |
| wochentaz | |
| Film | |
| Film | |
| Film | |
| Horrorfilm | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Album „Eusexua“ von FKA Twigs: Presslufthammer mit Wackelkontakt | |
| Die britische Künstlerin FKA Twigs schwelgt mit ihrem Album „Eusexua“ in | |
| Techno-Entgrenzung. Etwas abgeranzten Neunziger-Jahre-Elektropop gibt's | |
| auch. | |
| Neuer Kinofilm „Joker, Folie à deux“: Die Songs seiner Fantasie | |
| Todd Phillips setzt seinen Erfolgsfilm „Joker“ fort. „Joker: Folie à deu… | |
| mit Joaquin Phoenix und Lady Gaga empfiehlt sich als Superschurken-Musical. | |
| Sequel „Beetlejuice Beetlejuice“: Wagnis war gestern | |
| Tim Burton beschwört mit „Beetlejuice Beetlejuice“ noch einmal seinen | |
| „Bio-Exorzisten“ herauf. Leider ist es nur konventionelles Blockbusterkino. | |
| Horrorfilm „Cuckoo“ mit Hunter Schafer: Schrecken vor Bergpanorama | |
| Mit seinem zweiten Spielfilm beweist Tilman Singer ein enormes Gespür für | |
| sinistre Stimmungen. „Cuckoo“ ist ein Horrorfilm für die Sommersaison. | |
| Thriller „Longlegs“ mit Nicolas Cage: Die giftigen Zähne der Hydra | |
| Gegen den Teufel und alle Rationalität ermittelt wird in Oz Perkins’ neuem | |
| Film. „Longlegs“ vereint Serienkillerjagd mit okkultem Horrorthriller. | |
| Südkoreanischer Horrorfilm „Exhuma“: Grabesruf mit politischer Botschaft | |
| Oft sind Filme nur eines: Horror oder Politik. Der südkoreanische Film | |
| „Exhuma“ versucht, beides miteinander zu verbinden. |