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# taz.de -- Batman-Verfilmung "Dark Knight": Fettiger Agent des Chaos
> In vier Wochen spielte der Batman-Film "Dark Knight" in den USA den
> zweithöchsten Umsatz der Kinogeschichte ein. Dank des überragenden Heath
> Ledger, dessen Präsenz alles überstrahlt.
Bild: Die Seele aus dem Leib gespielt: Heath Ledger als Joker.
"Was ist ihr Vorschlag?« wird der Joker in einer Art Planungssitzung, die
er mit einer Gruppe von Finsterlingen abhält, gefragt. "Kill the Batman«,
ist seine Antwort, und man muss diesen Satz im englischen Original hören,
um zu erfassen, welche Beleidigung hier mitschwingt. Erstaunlich, was
Nuancen in der Artikulation und das Hinzufügen eines Artikels bewirken
können: Mit einem Male erscheint die titelgebende Hauptfigur der Serie, der
glorreiche Superheld reduziert auf einen recht blöden Namen: der
Fledermausmann!
Nun steht natürlich von vorneherein fest, dass Batman nicht sterben wird;
schließlich sind die Verfilmungen viel zu erfolgreich, um nicht fortgesetzt
zu werden. Doch wo das Vorhaben des Joker zum Scheitern verurteilt ist, hat
Darsteller Heath Ledger das Seine vollbracht: Sein Joker ist in "Dark
Knight« die prägende und zentrale Figur. Auch wenn er "den Batman« nicht
killen kann, hat er ihn doch zur völligen Nebenfigur degradiert.
Sobald Heath Ledgers Joker auf der Leinwand erscheint, überstrahlt seine
eigenartige Präsenz das im Drehbuch angelegte Drama, dessen Zentrum ja
eigentlich Batman und sein innerer Konflikt sein sollen. Wie eine Unwucht
bringt Ledgers Joker den nach herkömmlichem Muster gestrickten
Handlungsverlauf erst zum Schwanken und dann nachhaltig aus dem
Gleichgewicht. Für die meisten Filme wäre eine solche Performance
unerträglich, aber aus "Dark Knight« wird erst durch Ledgers Auftritt ein
interessanter Film.
Einerseits gibt es da also das Drama um Bruce Wayne alias Batman, das sich
in düster-bedeutungsschwangerem Geraune darüber erschöpft, wie böse man im
Kampf für das Gute werden darf.
Eine ganze Riege hervorragender Darsteller von Christian Bale als Batman
über Aaron Eckhart als Bürgermeister und Gary Oldman als sein bester
Polizist bemühen sich, die Lage als ernst und die Konflikte als signifikant
nicht nur für Gotham City, sondern für die ganze Menschheit darzustellen.
In den aufgeworfenen Fragen über die Möglichkeiten der Folter und die
Legitimität von Gewalt ernsthafte Kommentare zur aktuellen Weltlage
herauszuhören, würde deren Komplexität aber deutlich überstrapazieren.
Andererseits aber gibt es den Joker, der im Gegensatz dazu als etwas ganz
Einfaches erscheint: als durch und durch destruktiver Charakter. Man sieht
es schon seinem Rücken an: die nachlässig nach vorne gebeugten Schultern im
abgewetzten, dunklen Mantel, der schlurfende Gang. Und erst recht, wenn er
sich dann umdreht: das überschminkte Clownsgesicht, in dem das Make-up
fettig abbröckelt, umrahmt von angefilzten Haaren von undefinierbarer
Farbe. Hinzu kommt die Stimme: ein hässliches Näseln, dessen Redefluss ab
und zu von einer Zunge, die wie zwanghaft die vernarbten Mundwinkel
abtastet, unterbrochen wird. Bezeichnenderweise erzählt er die Geschichte
dieser Narben mehrfach in anderer Version, so dass am Ende keine davon dazu
taugt, die innere Psyche dieses Bösewichts, dieses Agenten des Chaos' zu
erklären.
Gerade in der betonten Nachlässigkeit, Hässlichkeit und psychologischen
Leere dieser Erscheinung liegt etwas ungemein Bedrohliches. Dieser Joker
ist kein bloßer Antiheld. Die Grandezza, den Glamour der bösen Taten hat er
vollständig abgelegt. Die Spielchen, die er vorbereitet sind grausam, aber
simpel. "Ich bin ein Mann von einfachem Geschmack,« sagt er an einer
Stelle, "ich liebe Dynamit, ... und Schießpulver ... und Benzin. Und was
haben diese drei Dinge gemeinsam? Sie sind billig!« Dieser Joker ist nicht
der Schurke, "you love to hate«. Er ist ein Anti-Antiheld und das macht ihn
fürchterlich irritierend. Eine Irritation, die sich zum echten Grusel
auswächst, wenn man sich klar macht, dass der junge Mann, der diesen
mordenden Zombie spielt, selbst schon tot ist.
Heath Ledger wurde am 22. Januar diesen Jahres tot in seiner New Yorker
Wohnung gefunden. Als Todesursache ermittelte man eine Fehldosierung von
Beruhigungs- und Schlaftabletten. Es sei kein Selbstmord gewesen, hieß es,
Ledger habe lediglich Schlaf finden wollen. Den nämlich, so hatte er in
ersten, die Marketingkampagne zu "Dark Knight« vorbereitenden Interviews
bekannt, habe ihm dieser "schizophrene Massenmörder-Clown« Joker geraubt.
Und ohne dass es damals schon jemand ausgesprochen hätte, war der Mythos
von der "Rolle seines Lebens« damit geboren. Ledger hatte das Ultimative
vollbracht, das man von Schauspielern erwartet: Er hat sich die Seele aus
dem Leib gespielt.
Die Leistung von Filmdarstellern zu beurteilen, war schon immer ein heikles
Unterfangen, wirkt doch auf der Leinwand die feine Schauspielarbeit à la
Laurence Olivier schnell manieristisch, während grobe Rampensau-Taktik á la
Jack Nicholson große Erfolge erzielt. Aus Mangel an objektiven Kriterien
hält man sich in Hollywood bei der Oscar-Verleihung oft an das ganz
Offensichtliche: die Unkenntlichkeit. Je mehr sich ein Schauspieler vor der
Kamera verwandelt, für desto preiswürdiger hält man ihn. Das gilt zum
einen, wenn er sich einer historischen Person anverwandelt, siehe die
Oscars für Philip Seymour Hoffman als Truman Capote und Jamie Foxx als
blinder Ray Charles. Und noch mehr gilt das fürs sogenannte "dressing
down«, also wenn ausgesprochene Schönheiten sich als hässliche Entlein
verkleiden wie Halle Berry in "Monster's Ball« oder Charlize Theron in
"Monster«. Wobei die Filmtitel schon von der Lustangst künden, die damit
verbunden ist: das Monster als die von innen nach außen gekehrte Schönheit.
Auch Heath Ledger hat sich für seinen Joker bis zur Unkenntlichkeit
hässlich gemacht. Keine Spur mehr scheint übrig von dem 26-Jährigen, dem
einst eine Karriere als Teenagerschwarm ("10 Dinge, die ich an Dir hasse"
und "Ritter aus Leidenschaft") sicher schien, der dann aber mit seiner
Rolle des schwulen Cowboys in "Brokeback Mountain« als Charakterdarsteller
überzeugte. Die Kombination von Fragilität und Leidenschaft, von
jungenhaftem Charme und trotziger Verschlossenheit war in Filmen wie "The
Patriot« und "The Four Feathers« sein Markenzeichen.
In "Dark Knight« sieht man nun, wie er tatsächlich über sich hinausgeht,
seine Grenzen sprengt, wie er eisern gegen das eigene Bedürfnis, das ewige
Schauspielerbedürfnis, geliebt zu werden, anspielt. Der Joker vergleicht
sich mit einem Hund, der einem Auto nachjagt: "Ich könnte nichts damit
anfangen, wenn ich es eingeholt hätte!" An anderer Stelle variiert er den
notorischen Satz über die Dinge, die uns nicht umbringen, an die Stelle des
"sie machen uns stärker", setzt er ein verwirrendes: "sie machen uns
fremder". Und tatsächlich ist es das, was hier vor unseren Augen passiert:
Sowohl die aus den anderen Filmen vertraute Figur des Joker als auch sein
Darsteller Heath Ledger werden uns auf unheimliche Weise fremd.
Es ist ein zutiefst zwiespältiges Gefühl, das einen bei diesem Anblick
überfällt: Einerseits gibt es da diese Pflicht zur Bewunderung für diese
"außerordentliche« Leistung, für dieses "sich die Seele aus dem Leib
spielen«. Andererseits verspürt man auch schnell ein Ressentiment genau
gegen diese Pflicht. Haben wir Zuschauer etwa verlangt, dass er sich so
aufopfert? Ein bisschen begreift man, weshalb so viel darüber geredet wird,
dass Heath Ledger einen Oscar bekommen soll. Es ist der hilflose Versuch,
diesem "Opfer« genüge zu tun, das Monster wieder zu befrieden.
Interessanter Weise wurde dieser Tage gemeldet, dass Terry Gilliam
Schwierigkeiten hat, für seinen Film, "The Imaginarium of Doctor
Parnassus«, in dem Ledger seine wirklich letzte Rolle spielt, einen Verleih
zu finden. Da die Dreharbeiten zum Zeitpunkt von Ledgers Tod noch nicht
abgeschlossen waren, sprangen in einem etwas bizarr anmutenden Experiment
Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law ein, um den Film zu Ende zu bringen
und den sowieso von Pech verfolgten Gilliam aus der Bredouille zu helfen.
So beeindruckend das Ganze klingen mag und so sehr man von Ledgers
Schauspielfähigkeiten auch überzeugt ist, versteht man doch das Zögern:
Noch ein neuer Film des eben gestorbenen Schauspielers - da kommt ein
ungutes Gefühl von Geisterbeschwörung auf.
19 Aug 2008
## AUTOREN
B. Schweizerhof
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