| # taz.de -- Renaturierung von Flüssen: Zurück zur Natur | |
| > Flussläufe zu renaturieren ist eine sinnvolle Angelegenheit. Doch es ist | |
| > ein schwieriges Unterfangen, wie ein Besuch an der Wümme bei Bremen | |
| > zeigt. | |
| Bild: Hier sozusagen am Arbeitsplatz: Georg Musiol ist einer der beiden Leiter … | |
| Bremen taz | Die Wümme ist in ihrem Unterlauf nördlich von Bremen ein | |
| idyllisch mäandernder Fluss, gesäumt von breitem Schilfröhricht und Weiden. | |
| Hier ein Graureiher, dort eine Rohrweihe. Eine intakte Flusslandschaft, | |
| denkt, wer hier mit Rad oder Kanu unterwegs ist. Doch der Eindruck täuscht. | |
| [1][„Hier fehlen sehr viele Arten“], sagt Georg Musiol. | |
| Der sportliche 72-Jährige steigt vom Rad und zeigt auf einen der | |
| zahlreichen Tümpel, die die Wümme an beiden Ufern begleiten. „Das wären | |
| eigentlich ideale Kinderstuben für Fische.“ Doch sie fallen aufgrund des | |
| starken Tidenhubs in diesem Flussabschnitt zwei Mal am Tag trocken. Dann | |
| glänzt schokoladenbrauner Schlamm in der Sonne, zurück bleiben kleine | |
| Pfützen modrigen Wassers. Das und die hohe Fließgeschwindigkeit verhindern | |
| das Ansiedeln von Wasser- und Uferpflanzen. Diese fehlen nicht nur Laich | |
| und Larven vieler Arten, sondern auch Insekten als Lebensraum und diese | |
| wiederum Vögeln, die sich von ihnen ernähren. | |
| Georg Musiol ist angetreten, das zu ändern, Quappe, Hecht, Tüpfelralle und | |
| Löffelente anzulocken. Bis 2017 war er Abteilungsleiter in der Bremer | |
| Umweltbehörde. Jetzt leitet er gemeinsam mit einem anderen Rentner das auf | |
| sechs Jahre angelegte [2][Projekt „Auenlandschaft Untere Wümme“] im Auftrag | |
| der Stiftung Nordwest Natur. 7,6 Millionen Euro stehen für eine | |
| Flussstrecke von 18,5 Kilometern zur Verfügung. | |
| Man kann es nett finden, wenn Rentner Flüssen zu einem Zustand verhelfen, | |
| der nicht nur den Bedürfnissen von Menschen, sondern auch denen von | |
| Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen gerecht wird. Oder man kann fragen: | |
| Echt jetzt? [3][Das ökologische Gleichgewicht von Flüssen] ist dem | |
| Engagement Einzelner und damit auch dem Zufall überlassen? | |
| ## „Es ist ein zäher Kampf“ | |
| „Ja, das kann man so sagen“, sagt Rocco Buchta am Telefon. Er kennt sich so | |
| gut mit dem Thema aus wie vielleicht kein Zweiter. Beim Nabu, dem | |
| Naturschutzbund Deutschland, leitet er das Institut für Fluss- und | |
| Auenökologie. 1965 geboren, hat der promovierte Wasserbauingenieur schon | |
| während der Wendezeit angefangen, sich für die [4][Renaturierung der | |
| Unteren Havel] einzusetzen, lange Zeit in seiner Freizeit, unentgeltlich. | |
| Heute koordiniert er das von ihm initiierte Naturschutzprojekt Untere | |
| Havelniederung, das nach eigener Darstellung größte Projekt dieser Art | |
| Europas. 1995 schrieb Rocco Buchta das Konzept, 2005 begannen die | |
| Planungen, 2010 die Umbauten, 2034 soll das Vorzeigeprojekt abgeschlossen | |
| sein. | |
| „Es ist ein zäher Kampf“, sagt er. Die Tatsache, dass Flüsse Kreis- und | |
| Ländergrenzen überqueren, mache ihn nicht leichter. Viele Behörden seien | |
| überfordert, auch wenn es in ihnen Leute gebe, die die Dringlichkeit | |
| verstanden hätten. Aber dann fehle an zu vielen Stellen doch das Geld, das | |
| Problem systematisch anzugehen. Naturschutz habe keine Priorität. Richtig | |
| schimpfen will Rocco Buchta allerdings nicht. Er sei froh über alle, die | |
| sich engagieren. | |
| Zum Beispiel der Bremer Georg Musiol. Der ist seit November fast jeden Tag | |
| auf den Straßen links und rechts der Wümme unterwegs, mit einem eigens | |
| dafür angeschafften E-Bike. Mit 20 Wochenstunden ist er bei einer | |
| Tochtergesellschaft der Stiftung angestellt. Tatsächlich arbeite er viel | |
| mehr. Wie viel mehr, will er nicht sagen. Er möchte lieber über die Wümme | |
| reden, die in diesem Bereich eine natürliche Grenze zwischen zwei | |
| Bundesländern bildet. | |
| Am Bremer Ufer fährt man auf dem Deich: An der schmalen, für den | |
| Durchgangsverkehr gesperrten Straße stehen ein paar Einfamilien- und viele | |
| Bauernhäuser; das Blockland ist Bremens Agrarzentrum. Die meisten Landwirte | |
| hier halten Milchvieh, für alles andere ist der Marschboden zu nass. Am | |
| niedersächsischen Ufer führt der Weg hinter dem Deich an Feldern und Wiesen | |
| entlang, Häuser stehen hier nur wenige. | |
| ## „Wir wollten es noch mal wissen“ | |
| Die Gegend kannte Georg Musiol schon vorher gut, er war Präsidiumsmitglied | |
| der Stiftung Nordwestnatur. Diese bemüht sich seit 1999 um den Erhalt der | |
| Wümmelandschaft. Mit deren ehemaligem Geschäftsführer hat er das Projekt | |
| ausgeheckt. Beiden war Urlaub und Hobbypflege im Ruhestand zu wenig. „Wir | |
| wollten es einfach noch mal wissen.“ | |
| Sie wussten, woher sie das Geld für die Renaturierung bekommen würden: Aus | |
| dem [5][2017 beschlossenen Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“]. Nach | |
| ihm sollen Flüsse vom Verkehrsministerium und seinen nachgeordneten | |
| Behörden nicht mehr nur als Wasserstraßen für den Schiffsverkehr entwickelt | |
| werden, sondern auch als Lebensräume. Es geht wie andere, teils ältere | |
| Renaturierungsprogramme der Bundesländer zurück auf die bereits im Jahr | |
| 2000 verabschiedete EU-Wasserrahmenrichtlinie. Bis 2027 sollen danach | |
| Oberflächengewässer „in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden�… | |
| Doch dem Bund gehören nur Flussbetten und unmittelbare Ufer der großen | |
| Bundeswasserstraßen sowie einiger Nebenstrecken, insgesamt 7.300 | |
| Flusskilometer. An ihnen haben die Wasser- und Schifffahrtsämter neun | |
| eigene Projekte umgesetzt, an Weser, Fulda und Rhein. Die meisten umfassen | |
| nur wenige Kilometer. | |
| Wer den ökologischen Zustand von Flüssen als Biotope verbessern will, muss | |
| sich aber auch um die angrenzenden Flächen kümmern. Deshalb hat das | |
| Bundesumweltministerium 2019 ein flankierendes Förderprogramm zur | |
| naturnahen Auenentwicklung aufgelegt. Auen sind natürliche | |
| Überschwemmungsgebiete, Landschaften, die Flüsse begleitet haben, bevor der | |
| Mensch sie begradigte und zwischen künstlich befestigte Ufer zwängte, oft | |
| vor Jahrhunderten schon. Sie bieten nicht nur besonders vielen Arten einen | |
| Lebensraum, sondern [6][können zugleich Hochwasser regulieren, indem sie | |
| Wasser aufnehmen und langsam wieder abgeben]. | |
| ## Nach jedem Hochwasser aufs Neue | |
| Doch zwei Drittel der Auen sind eingedeicht und können dieser Funktion | |
| deshalb nicht nachkommen, wie der letzte [7][Auenzustandsbericht] aus dem | |
| Jahr 2021 zeigt. Dabei heißt es seit über 25 Jahren, man müsse „den Flüss… | |
| mehr Raum geben“. Nach jedem Hochwasser aufs Neue, auch dieser Tage wieder. | |
| Tatsächlich hat sich die Fläche der überschwemmbaren Auen zwischen 2009 und | |
| 2021 um gerade einmal 1,5 Prozent vergrößert. Seitdem sind zwar weitere | |
| Deiche zurück verlegt worden, wie [8][dem aktuellen Bericht des nationalen | |
| Hochwasserschutzprogramms] zu entnehmen ist. Aber das Tempo wirkt behäbig | |
| angesichts der sich häufenden Flutkatastrophen. | |
| Nun haben [9][Deichrückverlegungen und andere Hochwasserschutz-Maßnahmen] | |
| nicht automatisch einen ökologischen Mehrwert. So wie umgekehrt Flüsse | |
| renaturiert werden können ohne nennenswerte [10][Effekte für den | |
| Hochwasserschutz]. Auch an der Unteren Wümme geht es in erster Linie um | |
| Artenvielfalt. Aber nicht nur. | |
| Georg Musiol lehnt sein Rad an das Geländer der Wümme-Brücke bei | |
| Lilienthal. Von hier bis zur Mündung soll der Fluss renaturiert werden. | |
| Georg Musiol hat im Winter gesehen, wie hier [11][das Wasser wochenlang auf | |
| den Wiesen stand] und in die angrenzenden Wohngebiete drückte. In der | |
| Region mussten Häuser und Höfe evakuiert werden, die Pegel stiegen an | |
| vielen Stellen so hoch wie nie zuvor. Eine Machbarkeitsstudie soll nun | |
| prüfen, ob ein künstlicher Nebenarm an dieser Stelle für Entlastung sorgen | |
| kann. | |
| Beantragt hatten Georg Musiol und seine Mitstreiter die Studie lange vor | |
| dem Hochwasser. Nach vier Jahren Planung und Abstimmung kam Ende 2023 die | |
| Finanzierungszusage für ihr Projekt. Allerdings aus dem ganz neuen, erst im | |
| März 2023 beschlossenen Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. Der Bund | |
| übernimmt drei Viertel der Kosten, den Rest teilen sich die Länder Bremen | |
| und Niedersachsen sowie die Stiftung, die dafür von den | |
| Umweltschutzverbänden BUND und WWF unterstützt wird. Mit dem Geld sollen | |
| unter anderem Schwellen zwischen Fluss und Tümpeln eingebaut werden, damit | |
| das Wasser nicht mehr ganz abfließen und strömungsberuhigtes Süßwasserwatt | |
| entstehen kann. An anderen Stellen werden ehemalige Entwässerungsgräben mit | |
| einem Propfen verschlossen, sodass die Wiesen dauerhaft feucht bleiben. | |
| ## Der menschengemachte Unterschied | |
| Verantwortlich für den großen Einfluss der Gezeiten auf den Wasserstand bis | |
| hinein in die Stadt Bremen ist [12][der kontinuierliche Ausbau von Außen- | |
| und Unterweser] als Schifffahrtsstraße. Jede Vertiefung deren Fahrrinne | |
| wirkt sich auch auf die Zuflüsse aus. Die Wümme fließt in die Lesum und | |
| diese nach zehn Kilometern in die Weser. Mit der Flut drängt das Wasser ins | |
| Land zurück. | |
| Den menschengemachten Unterschied kann man messen. Im Blockland liegen | |
| Georg Musiol zufolge zwischen Hoch- und Niedrigwasser im Mittel 225 | |
| Zentimeter. Um 1900 sollen es nur 80 Zentimeter gewesen sein. Man könne den | |
| Tidenhub auch durch technische Maßnahmen an der Mündung reduzieren, sagt | |
| Georg Musiol. „Wir erwarten vom Bundesverkehrsministerium, dass hier etwas | |
| passiert.“ Es gelte das Verursacherprinzip. | |
| Es gibt nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz zehn Projekte, die seit | |
| 2020 über die zwei Programme im Blauen Band Deutschland gefördert wurden, | |
| die meisten davon mit Beträgen zwischen 2 und 17 Millionen Euro, vier | |
| befinden sich entweder ganz oder teilweise in Niedersachsen. Hinzu kommen | |
| drei Vorhaben, bei denen die Voruntersuchung gefördert wird. Antragsteller | |
| sind häufig Naturschutzverbände. In einem Fall arbeitet der Nabu mit einem | |
| Landkreis zusammen; eigene Anträge haben nur drei Kommunen gestellt. An der | |
| Unteren Wümme kooperieren neun Organisationen und Institutionen, deren | |
| Interessen miteinander abgestimmt werden müssen. | |
| Die überschaubare Zahl an Projektanträgen – nur einer wurde nach Angaben | |
| des Bundesamts abgelehnt – hat damit zu tun, dass man sich durch ein | |
| Dickicht an Förderrichtlinien kämpfen muss. „Naturnahe Gewässerentwicklung | |
| ist ein komplexes Unterfangen“, [13][heißt es auf der Homepage des | |
| Bundesumweltamts], „es gilt verschiedene Interessen abzuwägen und | |
| vielfältige Gesetzesvorgaben zu berücksichtigen“. Wie komplex das ist, | |
| [14][illustriert ein schwindelerregendes Schaubild auf der Seite]. Nicht | |
| minder abschreckend wirkt die Auflistung der diversen Finanzierungsquellen | |
| von Bund, Ländern, Kommunen und der Europäischen Union; das blaue Band ist | |
| nur eins von vielen Förderprogrammen. | |
| ## Problem der Flächenverfügbarkeit | |
| Und dann ist da noch das Kleingedruckte: „Eine wesentliche Voraussetzung | |
| für eine naturnahe Gewässerentwicklung ist die Sicherung der dafür | |
| notwendigen Flächen“ – „die fehlende Flächenverfügbarkeit“ sei „di… | |
| Herausforderung“. Das ist auch einer der Gründe, warum der Hochwasserschutz | |
| nur so langsam voran kommt. Denn die Auen, wenn sie nicht überbaut wurden, | |
| gehören immer irgendwem, im ländlichen Raum meistens Bauern. Und die hängen | |
| an ihrem Besitz, selbst wenn es sich um landwirtschaftlich nicht nutzbare | |
| Flächen handelt. | |
| Diese Erfahrung macht gerade Georg Musiol. Er muss mit etwa 30 bis 40 | |
| Parteien darüber verhandeln, ob sie der Stiftung Nordwest Natur Flächen | |
| verkaufen oder die Nutzungsrechte abtreten. Mit etwa der Hälfte habe er | |
| schon gesprochen, die ersten Verträge seien unterschriftsreif, ein Verkauf | |
| abgeschlossen. Manche Grundstückseigentümer:innen seien sehr | |
| aufgeschlossen, sagt der studierte Jurist. „Andere gucken konsterniert, | |
| wenn sie den Quadratmeterpreis hören.“ | |
| Eine halbe Million Euro hat er insgesamt für den Flächenankauf zur | |
| Verfügung, er orientiert sich an den Preisen des Deichverbands rechts der | |
| Weser. „Manche Eigentümer hätten gerne das Doppelte.“ Und dann gebe es di… | |
| die partout nicht verkaufen wollen, weil die Flächen schon immer in | |
| Familienbesitz waren. Oder mehrere Parteien, die sich nicht einigen können, | |
| etwa zerstrittene Geschwister. Solche Befindlichkeiten können dazu führen, | |
| dass sich eine Maßnahme an einer Stelle nicht umsetzen lässt. | |
| Georg Musiol deutet an, dass er Fingerspitzengefühl für die | |
| Verkaufsgespräche braucht. Er bekommt mit, welche Nachbarn seit Jahrzehnten | |
| nicht mehr miteinander reden, hat zum Teil mit sehr betagten Menschen zu | |
| tun, hört von Leid und Krankheit. Er bittet die taz darum, in dieser Phase | |
| des Projekts nicht die Landbesitzer:innen anzusprechen. „Die Gefahr | |
| ist hoch, dass die Türen zugehen und die kriegen Sie nicht mehr auf.“ | |
| ## „Auen des Blauen Bands“ | |
| Das bestätigt Thomas Arkenau aus dem benachbarten Landkreis Verden. Dieser | |
| setzt als Kommune gemeinsam mit dem Nabu derzeit [15][das Projekt | |
| „Allervielfalt Verden“] um. Es ist mit 16,8 Millionen Euro für eine 30 | |
| Kilometer lange Flussstrecke das bislang finanzstärkste | |
| Renaturierungsvorhaben im Förderprogamm Auen des Blauen Bands. | |
| Thomas Arkenau hat es noch in seiner Funktion als Leiter der | |
| Naturschutzbehörde mit angeschoben, den Impuls hatte der örtliche | |
| Nabu-Verein gegeben. Jetzt, ebenfalls als Rentner, ist Arkenau mit zehn | |
| Wochenstunden angestellt. Er ist wie Georg Musiol in Bremen nicht der | |
| einzige Mitarbeiter im Team und will das Projekt nicht bis zum Ende leiten, | |
| sondern vor allem die schwierigen Verhandlungsgespräche am Anfang führen. | |
| „Ich weiß, mit wem man in welcher Reihenfolge reden muss“, sagt er am | |
| Telefon. | |
| Er kennt viele Bauern in der Gegend, weil er das alles schon einmal gemacht | |
| hat, die Wümme ein paar Kilometer flussaufwärts. Ende der 80er Jahre war | |
| das, nach einem Studium der Landschaftsplanung und Ökologie hatte er in der | |
| Naturschutzbehörde angefangen. Die hatte sich vorgenommen, die Fischerhuder | |
| Wümmeniederung zu renaturieren, ein verzweigtes Binnendelta, das in der | |
| ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf drei Wümme-Hauptarme verknappt | |
| wurde. Der Tidenhub fällt hier nur gering aus. | |
| Thomas Arkenau traf damals auf Carsten Puvogel, dessen Familie seit | |
| mindestens 400 Jahren in Fischerhude Landwirtschaft betreibt. Heute führt | |
| Carsten Puvogel – „Jahrgang 1957, derselbe wie Thomas, glaube ich“ – mit | |
| seiner Tochter einen von nur noch sechs Höfen im Ort, sie halten 140 | |
| Milchkühe, seit zwei Jahren mit Biosiegel. [16][Als er 1987 erstmals Wind | |
| bekam von den Plänen], die Wümmeniederung unter Naturschutz zu stellen, | |
| fürchtete er wie die anderen Bauern im Ort um seine Existenz. „Wir hätten | |
| uns an alle möglichen Auflagen halten müssen, die Flächen nicht mehr | |
| wirtschaftlich nutzen können“, erzählt er auf der Kücheneckbank im | |
| Bauernhaus. In der Lokalzeitung lässt sich nachlesen, wie die verschiedenen | |
| Parteien miteinander stritten, sich gegenseitig der Kompromisslosigkeit | |
| bezichtigten. Gegner des Vorhabens stellten Schilder auf – „Dieser Ort | |
| stirbt durch Naturschutz“ –, auch Treckerdemos soll es gegeben haben. | |
| ## Heute ein Vorzeigeprojekt | |
| Die Fischerhuder Wümmeniederung gilt heute als [17][Vorzeigeprojekt | |
| gelungener Flussrenaturierung], 1992 hat sie begonnen. Gelöst wurde der | |
| Konflikt, als den Landwirten im Rahmen einer Flurbereinigung Flächen zum | |
| Tausch angeboten wurden, was ihnen größere Einheiten bescherte. Zudem | |
| verzichtete die Behörde auf Flächen, die nah an Hof oder Ställen lagen. | |
| Statt 840 war das Naturschutzgebiet so nur noch 750 Hektar groß. | |
| Nicht alle waren damals zufrieden, sagt Carsten Puvogel, aber heute | |
| beschwere sich niemand mehr. Auch er ist froh, dass er seinen | |
| ursprünglichen Widerstand aufgab. „Es würde hier heute sonst ganz anders | |
| aussehen“, sagt er. „Noch mehr Mais.“ Der Fischotter und andere Arten wä… | |
| wohl nicht zurück gekommen, [18][sogar der Lachs hat sich nach einem | |
| Bericht des Landes Niedersachsen] aus dem Jahr 2012 wieder vermehrt. Er, | |
| der langjährige CDU-Politiker, sei über die Auseinandersetzung damals zum | |
| Umweltschützer geworden, sagt Carsten Puvogel, und Thomas Arkenau, der von | |
| der anderen Seite, ein Freund. | |
| Zum Schluss des Besuchs zeigt Carsten Puvogel im Ort eine der Sohlgleiten, | |
| die die alten Wehre ersetzt haben. Der von Erlen gesäumte Fluss rauscht | |
| über Stufen aus großen Feldsteinen ein leichtes Gefälle hinunter. Fische | |
| und Kleinstlebewesen können hindurch, der Fluss wird vor dem Austrocknen | |
| geschützt. „Manche im Ort hatten Sorge, dass das nicht klappt, aber ich | |
| habe den Ingenieuren vertraut“, sagt der Landwirt und guckt von der alten | |
| hölzernen Wehrbrücke hinunter aufs Wasser. Langsam fließt es auf die Stufen | |
| zu und schnell hindurch. | |
| 500.000 Kilometer Fluss soll es in Deutschland geben, das entspricht 12,5 | |
| Erdumrundungen. Es ist mehr blaues Netz als blaues Band. Es gibt ein | |
| unsichtbares, sehr lockeres Netz, was darüber liegt. Menschen verbinden | |
| sich miteinander, um Flüssen ihre Lebenskraft zurück zu geben. | |
| 30 Sep 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /EU-Einigung-bei-Land--und-Meeresschutz/!5972166 | |
| [2] https://www.bfn.de/projektsteckbriefe/auenlandschaft-untere-wuemme | |
| [3] /Umweltschuetzer-ueber-Hochwasser-in-Bayern/!6015384 | |
| [4] /Gewaesser-und-Klimawandel/!5880053 | |
| [5] https://www.blaues-band.bund.de/Projektseiten/Blaues_Band/DE/01_Bundesprogr… | |
| [6] /Oekologe-ueber-Ueberschwemmungsgebiete/!5979974 | |
| [7] https://www.bfn.de/auenzustand | |
| [8] https://www.lawa.de/documents/anlage-1-nhwsp-massnahmenliste-2024-barrieref… | |
| [9] /Hochwasserschutz-in-Deutschland/!6017264 | |
| [10] /Hochwasserschutz-in-Sachsen/!6022228 | |
| [11] https://www.rathaus.bremen.de/sixcms/media.php/13/top+15_20240514_Hochwass… | |
| [12] /Streit-um-Weservertiefung/!5967566 | |
| [13] https://www.umweltbundesamt.de/renaturierungen-planen-umsetzen-kontrollier… | |
| [14] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/2113/bilder/grpl… | |
| [15] https://www.allervielfalt.de/ | |
| [16] https://ezeitung.weser-kurier.de/titles/weserkurier/6593/publications/4556… | |
| [17] https://www.landkreis-verden.de/portal/seiten/naturschutzgrossprojekt-fisc… | |
| [18] https://www.laves.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presse/presseinfor… | |
| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Artenvielfalt | |
| Renaturierung | |
| Hochwasserschutz | |
| Hochwasser | |
| wochentaz | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Umweltzerstörung | |
| Klima | |
| Hochwasser | |
| Flüsse | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Quecksilber in Seen, Flüssen und Bächen: Europas Gewässer in kritischem Zust… | |
| Die EU-Kommission ist wegen Verschmutzungen durch Quecksilber und andere | |
| Gifte besorgt. Deutschland erhält ein besonders schlechtes Zeugnis. | |
| Hochwasserschutz in Sachsen: Hier geht’s nicht den Bach runter | |
| Kleine Gewässer sind wichtig für den Hochwasserschutz. An der sächsischen | |
| Jauer wird deswegen heute schon umgebaut. | |
| Ökologe über Überschwemmungsgebiete: „Wir haben zu viele Auen verloren“ | |
| Seit Jahrzehnten heißt es bei Hochwasser-Katastrophen, Flüssen müsse mehr | |
| Raum gegeben werden. Der Auenökologe Mathias Scholz erklärt, warum das so | |
| ist. | |
| Gewässer und Klimawandel: Freies Fluten für die Havel | |
| Um sie als Wasserstraße zu nutzen, zwängte schon das Kaiserreich die Havel | |
| in ein zu enges Bett. Für viel Geld wird der Fluss jetzt renaturiert. |