# taz.de -- Rechtsextreme auf Berliner Sportplätzen: Geduldete Neonazis | |
> Seit Jahren trainieren Rechtsextreme in Pankow in einer bezirklichen | |
> Sportanlage. Die jeweiligen Stadträt:innen schauen ebenso lange | |
> einfach weg. | |
Bild: Neonazis auf dem Weg zum Training im Sportkomplex Rennbahnstraße | |
Berlin taz | Sie greifen bewaffnet und aus dem Hinterhalt | |
Antifaschist:innen an, demonstrieren ihre vermeintliche Stärke bei | |
[1][Kampfsporttrainings in öffentlichen Parks] und Sportanlagen und ködern | |
zunehmend junge Leute für ihre „nationale Revolution“: Die militante | |
Neonazi-Partei Der Dritte Weg fällt seit Monaten durch Angriffe und | |
Drohgebärden auf. Und wie antifaschistische Recherchen zeigen, wird die | |
Infrastruktur, um solche Übergriffe vorzubereiten, von einem Berliner | |
Bezirk zur Verfügung gestellt. | |
In einer Kraftsporthalle auf dem Sportkomplex Rennbahnstraße im Pankower | |
Ortsteil Weißensee treffen sich wöchentlich und zu festen Trainingszeiten | |
Neonazis. Zuerst berichtete der Tagesspiegel darüber. Die Halle gehört dem | |
Bezirksamt Pankow, während der Trainingszeiten hat der Sportverein TSC | |
Preußen 97 das Hausrecht. | |
Auf Fotos, die der taz zur Verfügung gestellt wurden, sind bekannte Kader | |
des Dritten Wegs zu sehen, die in der Trainingshalle offenbar routiniert | |
ein und aus gehen. Die Sportanlage dürfte von hohem Nutzen für die Neonazis | |
sein. Schließlich verfügt der Dritte Weg – soweit bekannt – über keine | |
eigenen Trainingsstätten in Berlin. | |
Besonders häufig zu sehen ist Christian Schmidt, ein ehemaliger NPD-Kader, | |
der heute beim Dritten Weg unterwegs ist. Zwei junge Frauen, die schon bei | |
öffentlichen Kampfsporttrainings der Partei aufgefallen sind, haben die | |
Trainingsstätte besucht. Ebenfalls mit von der Partie: Erik S., der | |
führende Kopf der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), der | |
Nachwuchsorganisation des Dritten Wegs. | |
## Attacke auf Antifaschist:innen am Ostkreuz | |
Mitglieder der NRJ werden verdächtigt, [2][hinter einem Angriff auf | |
Antifaschist:innen am S-Bahnhof Ostkreuz] zu stecken. Am ersten | |
Juliwochenende griffen 15 bis 20 vermummte Neonazis mit Knüppeln, | |
Schlagstöcken und Pfefferspray mehrere Personen an, die sich dort für die | |
gemeinsame Anfahrt zur Demonstration „Nach den Rechten schauen“ im | |
Marzahn-Hellersdorfer Ortsteil Kaulsdorf verabredet hatten. | |
Mehrere Antifaschist:innen wurden verletzt, zwei mussten mit | |
Kopfverletzungen ins Krankenhaus. Laut Augenzeug:innen und Polizei | |
hatten die Neonazis Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. „Die | |
Brutalität des Vorfalls ist erschreckend“, so die Berliner Register. | |
Zudem zeige sich, dass der Dritte Weg seine traditionellen | |
Schwerpunktgebiete im Osten Berlins verlässt und weiter in Richtung | |
Innenstadt vorrückt. Im Zusammenhang mit dem Überfall am Ostkreuz hat die | |
Polizei [3][Mitte Juli die Wohnungen mehrerer Neonazis durchsucht], | |
darunter die von NRJ-Anführer Erik S. | |
## Begründung fürs Nichtstun: Neonazis seien ja „unauffällig“ | |
An der Rennbahnstraße trainieren also bekannte Kader genau jener | |
Gruppierung ihre Körper, die seit Wochen für Gewalt auf Berlins Straßen | |
sorgt. Im Bezirksamt Pankow sieht man darin offenbar kein allzu großes | |
Problem: Der zuständige Sportstadtrat Jörn Pasternack (CDU) erklärte, dass | |
die Teilnehmer:innen des Neonazi-Trainings „unauffällig während des | |
Sportbetriebes“ seien. | |
Auch der Polizei scheint das bezirklich geduldete Neonazi-Sparring keine | |
Sorgen zu bereiten. „Von legalen Sportaktivitäten – auch von | |
Kampfsporttrainings – auf öffentlich nutzbaren Sportanlagen gehen im | |
Allgemeinen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus“, | |
heißt es von der Pressestelle. Nach taz-Informationen finden die Trainings | |
nach wie vor statt. | |
Im Sportkomplex Rennbahnstraße ist schon einmal ein Neonazi-Training | |
aufgeflogen, ohne dass ernsthafte Konsequenzen daraus gezogen worden sind. | |
2022 tauchten auf Indymedia Fotos auf, die ein Boxtraining auf dem | |
Fußballplatz desselben Sportkomplexes zeigen. Mit dabei: Neonazis, die bis | |
heute an der Rennbahn trainieren, zum Beispiel Christian Schmidt, damals | |
noch NPD. Auch Roy Grassmann, ein Reporter [4][des rechtsextremen Senders | |
AUF1] und Ex-NPDler, war sowohl damals wie heute bei den Trainings mit an | |
Bord. | |
Und bereits 2022 unternahm das Bezirksamt Pankow, namentlich Pasternacks | |
Vorgängerin Dominique Krössin (Linke): nichts. Selbst [5][eine | |
parlamentarische Anfrage ihrer eigenen Genoss:innen im Abgeordnetenhaus] | |
blieb folgenlos. | |
## Verbindungen zu Identitären und zum AfD-Umfeld | |
Beim Training auf dem Fußballplatz vor zwei Jahren hatten die Neonazis | |
offenbar auch Besuch von Kameraden. So boxten sie mit Mitgliedern der | |
Identitären Bewegung. Zu sehen ist etwa [6][Mario Müller], der auch an dem | |
Treffen in der Potsdamer Villa Adlon teilgenommen haben soll. | |
Laut Correctiv hat Müller, heute „wissenschaftlicher Mitarbeiter“ eines | |
AfD-Bundestagsabgeordneten, in Potsdam damit geprahlt, Adressen von | |
Antifaschist:innen an polnische Hooligans weitergegeben zu haben. Auch | |
Phillip Zech, 2019 und 2020 im Vorstand der AfD Charlottenburg-Wilmersdorf, | |
ist auf den Fotos zu sehen. | |
Auf dem aktuellen Bildmaterial, das der taz vorliegt, sind zwar keine | |
Aktivist:innen der IB zu sehen. Doch zwischen der Weißenseer | |
Neonazi-Kraftsportgruppe und dem Vorfeld der AfD bestehen weiterhin | |
Kontakte: Bei einem Halbmarathon in Brandenburg im vergangenen Jahr hat | |
Zech einem führenden Kader des Dritten Wegs, der am Lauf teilgenommen hat, | |
[7][mit einem High-Five im Vorbeilaufen begrüßt]. | |
AUF1-Moderator Roy Grassmann trainiert wiederum nicht nur regelmäßig mit | |
den Kadern des Dritten Wegs an der Rennbahnstraße, er war auch [8][Besucher | |
des „Weihnachtskonzerts“ der Jungen Alternative Brandenburg]. Am 29. | |
Dezember 2023 feierten Identitäre und Neonazis gemeinsam in der Gaststätte | |
[9][„Mittelpunkt der Erde“] in Hönow, wie sich anhand von Fotos | |
nachvollziehen lässt. | |
## Unterwanderung des Breitensports | |
Laut einer Recherche des Antifaschistischen Monitors Berlin beginnen | |
Neonazis des Dritten Wegs nun auch, den Breitensport zu unterwandern. An | |
mindestens zwei öffentlichen Laufveranstaltungen sollen Neonazis aus dem | |
Umfeld der Partei teilgenommen haben: dem „Berlin-Marsch“ im Oktober 2023 | |
und dem „Schlossinsellauf“ im Juni 2023 im brandenburgischen Lübben. | |
Beim „Berlin-Marsch“ liefen mit Christian Schmidt und Leander Schultze dann | |
auch zwei Mitglieder der Trainingsgruppe aus Weißensee mit. In Lübben | |
traten die beiden laut der Antifa-Recherche sogar unter dem Teamnamen | |
„Körper und Geist“ an. „Körper und Geist“ ist auch der Name der | |
parteieigenen Arbeitsgruppe für Kampfsport und Straßenkampf. | |
Trotz der zunehmenden Aktivitäten der militanten Neonazis, scheint es an | |
vielen Stellen kein Problembewusstsein zu geben. Auch im Sportkomplex an | |
der Rennbahnstraße können die extremen Rechten mindestens seit Monaten | |
ungestört trainieren – selbst wenn sie in Szenekleidung und mit | |
Sporttaschen von bekannten Neonazi-Marken erscheinen. | |
8 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtsextreme-Jugend/!6024038 | |
[2] /Neonazi-Angriff-am-Ostkreuz/!6025195 | |
[3] /Razzia-bei-Neonazipartei-Dritter-Weg/!6020758 | |
[4] /Rechter-Fernsehsender-Auf1/!5969652 | |
[5] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/19/SchrAnfr/S19-11… | |
[6] /AfD-Mitarbeiter-Mario-Mueller/!5983336 | |
[7] https://monitorberlin.blackblogs.org/2024/07/15/altbekannte-neonazi-sportgr… | |
[8] https://kontrapolis.info/wp-content/uploads/2023/12/Uebersicht-Kontrapolis-… | |
[9] /Protest-gegen-AfD-nahe-Veranstaltung/!5987112 | |
## AUTOREN | |
Daniel Brandt | |
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