# taz.de -- AfD-Mitarbeiter Mario Müller: Scharnier zur Neonazi-Szene | |
> Der Rechtsextremist arbeitet für den AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt. | |
> Müller soll laut Correctiv politische Gegner geoutet haben. | |
Bild: Mario Alexander Müller (Bildmitte) auf einer Demonstration der Identitä… | |
BERLIN taz | Ein Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten soll | |
politische Gegner geoutet haben, was zu einem Angriffen auf einen Mann | |
geführt haben soll. [1][Das geht aus neuen Enthüllungen des | |
Recherchezentrum Correctiv hervor], die am Mittwochabend bei einer | |
Inszenierung im Berliner Ensemble und parallel online veröffentlicht | |
wurden. Der Bericht dreht sich um den rechtsextremen Gewalttäter Mario | |
Müller, der für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt arbeitet. | |
Müller weist alle Vorwürfe zurück. | |
Müller ist als langjähriger Aktivist ein Bindeglied zwischen der AfD, der | |
sich als intellektuell gebenden Neuen Rechten und der Neonazi-Szene. Er | |
steht durch seine Anstellung als AfD-Mitarbeiter exemplarisch für die | |
Gefahr, die von der Partei ausgeht. | |
Laut Correctiv war Müller am 25. November bei einem konspirativen Treffen | |
von AfD- und CDU-PolitikerInnen, Unternehmern und Rechtsextremisten im | |
„Landhaus Adlon“ in Potsdam dabei. Martin Sellner – wie Müller ein | |
langjähriger Kopf der Identitären Bewegung – hatte laut den Recherchen bei | |
dem Treffen über den Plan rassistischer Ausbürgerungen und massenhafter | |
Vertreibungen gesprochen. Der erste Bericht über diese sogenannten | |
„Remigrations“-Vorhaben sorgte in den vergangenen Tagen für Aufsehen. | |
Neben Sellner hielt auch Müller in Potsdam einen Vortrag, wie Correctiv am | |
Mittwoch berichtete. Er soll Einblicke in seine Strategie im Kampf gegen | |
Linke gegeben haben. Müller brüstete sich demnach damit, den Kanal | |
„Dokumentation Linksextremismus“ zu betreiben. Er bestreitet das gegenüber | |
der taz. | |
Auf der Plattform X (früher Twitter) folgen dem Kanal über 13.000 Accounts, | |
regelmäßig wurden dort Details über linke Akteure verbreitet, mit Fotos, | |
Namen und weiteren Angaben. Wer hinter dem Kanal steht, war bisher nicht | |
bekannt. | |
## Angriff auf politischen Gegner | |
Laut Correctiv erklärte Müller bei dem Treffen zudem, 2021 den | |
Aufenthaltsort des ehemaligen deutschen Antifa-Aktivisten Johannes D. in | |
Polen an einen Schlägertrupp verraten zu haben. Gegen D. waren in der | |
linken Szene zuvor Vergewaltigungsvorwürfe ausgesprochen worden. Nach | |
seinem Aufenthalt in Polen wurde D. zum Kronzeugen im Verfahren gegen die | |
Antifaschistin Lina E.. Seine Aussagen führten maßgeblich dazu, [2][dass | |
das Gericht sie im Mai 2023 unter anderem wegen der Mitgliedschaft in einer | |
kriminellen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei | |
Monaten verurteilte]. | |
Müller rechnet sich laut Correctiv zu, dass D. zum Kronzeugen wurde. | |
Correctiv verweist allerdings auf eigene Aussagen von D. im Thüringer | |
Untersuchungsausschuss, wonach eher persönliche Gründe und seine Ächtung in | |
der linken Szene den Ausschlag gaben. | |
Dass der Rechtsextremist Müller seine Arbeit bei einem | |
AfD-Bundestagsabgeordneten nutzen könnte, um vor allem gegen politische | |
Gegner vorzugehen, wurde bereits länger befürchtet. In dem Bericht von | |
Correctiv äußerten unter anderem die Linken-Politikerinnen Martina Renner | |
und Katharina König-Preuss die Sorge vor der Bedrohung, die durch die | |
Zugänge rechtsextremer AfD-Mitarbeiter im Bundestag ausgingen. | |
## Müller hat laut Bundestagsverwaltung Hausverbot | |
Bereits im März 2023 hatte sich die taz bei der Bundestagsverwaltung nach | |
Müller erkundigt. Damals hieß es, er sei nicht im Besitz eines | |
Bundestagsausweises und habe keine Berechtigung zum Zugang zu | |
Verschlusssachen. Auf erneute Anfrage der taz erklärte die Pressestelle des | |
Bundestags am Donnerstag, dass sich daran seitdem nichts geändert habe und | |
spezifizierte, Müller habe sogar Hausverbot: Er „darf die Liegenschaften | |
des Deutschen Bundestages auch nicht als Gast betreten.“ | |
Der AfD-Abgeordnete Schmidt erklärte auf Anfrage der taz unter anderem auf | |
die Frage, ob Müller über ihn beispielsweise an Verschlusssachen gelange: | |
„Er hat keinen Zugang zu Verschlusssachen oder dergleichen.“ Weiter | |
erklärte Schmidt: „Grundsätzlich überwache ich nicht die | |
Freizeitaktivitäten meiner Mitarbeiter.“ | |
Müller selbst erklärte der taz, der Correctiv-Bericht enthalte | |
„Falschbehauptungen und wilde Spekulationen“. Er habe bei dem Treffen in | |
Potsdam über den Fall Lina E. gesprochen und geschildert, wie Johannes D. | |
zum Kronzeugen wurde, „aber ganz sicher nie behauptet, irgendwelche | |
Schläger auf den Mann angesetzt zu haben.“ | |
Auch betreibe er nicht den Account „Dokumentation Linksextremismus“, | |
erklärte Müller. Er nutze seine Anstellung bei dem AfD-Abgeordneten Jan | |
Wenzel Schmidt nicht, um an Informationen über politische Gegner zu | |
gelangen und die Ausspähung politischer Gegner gehöre nicht zu seinen | |
Aufgaben. Er beschäftige sich „im Deutschen Bundestag ausschließlich mit | |
mandatsbezogener Sach- und Öffentlichkeitsarbeit.“ Weiterhin erklärte | |
Müller der taz: „Gewalt lehne ich aus Überzeugung ab.“ | |
## Müller verletzte einen Jugendlichen am Kopf | |
Müller wurde mehrfach als Gewalttäter verurteilt. 2010 hatte er in | |
Delmenhorst bei Bremen einen linken Jugendliche mit einem Totschläger am | |
Kopf verletzt: Müller hatte ihm ein Metallstück in einer Socke auf die | |
Stirn gehauen. Dafür bekam er eine Bewährungsstrafe. 2021 wurde Müller | |
erneut verurteilt, weil er zwei Zivilpolizisten angegriffen hatte. | |
Müller zeigt in seinen politischer Aktivitäten eine lange Kontinuität und | |
ist gut vernetzt. Aufgewachsen in dem Dorf Harpstedt bei Delmenhorst, | |
engagierte er sich bereits als Jugendlicher in der „Aktionsgruppe | |
Delmenhorst“ und war im Umfeld der JN, der Jugendorganisation der | |
ehemaligen NPD. Später studierte er in Magdeburg und ging dann nach Halle. | |
Dort nahm er als Aktivist der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ eine | |
führende Position in der Gruppe „Kontrakultur“ und einem rechtsextremen | |
Hausprojekt ein. Bereits in dem Hausprojekt in Halle gab es Kontakte zur | |
AfD, etwa zu Hans-Thomas Tillschneider. 2019 sorgte [3][Müllers Anwesenheit | |
bei der Geburtstagsfeier des Hamburger Publizisten Matthias Matussek für | |
einen Eklat.] | |
Müller schrieb für das rechtsextreme Magazin „Compact“ und veröffentlich… | |
ein Buch im Verlag des Rechtsextremisten Götz Kubitschek. Darin schrieb er | |
bereits 2017 über die sogenannte „Remigration“, also die rassistische | |
Vertreibung von MigrantInnen, wünschte sich eine „Festung Europa“ und | |
erklärte: „Bevor eine politische Revolution gelingen kann, muss man | |
sicherstellen, dass das Volk diese Revolution für legitim erachtet.“ | |
## Vernetzung auf Wanderung mit NS-Bezug | |
Fotos zeigen Müller mit Mitgliedern des rechtsextremen ukrainischen | |
Asow-Batallion ebenso wie mit Rechtsextremen auf der Insel Lesbos, die im | |
März 2020 versucht haben sollen, Boote von Geflüchtete zu behindern. Müller | |
war angeblich nur als Reporter vor Ort. | |
Auch aktuelle Recherchen der Fachjournalist*innen von „Recherche Nord“ | |
belegen Müllers Vernetztung zu unterschiedlichen Strukturen der | |
Neonazi-Szene. [4][Fotos von Recheche-Nord zeigen] Müller im Juli 2023 auf | |
einer Wanderung, dem sogenannten „Marsch zur Stedingsehre“ – eine der | |
wichtigsten Hintergrundveranstaltungen der Neonaziszene in Norddeutschland. | |
Laut „Recherche Nord“ waren neben Müller im Juli mit dabei: Teilnehmende | |
vom neonazistisch ausgerichteten III. Weg, von der NPD/Die Heimat und | |
insbesondere deren Jugendorganisation JN und von der Identitären Bewegung. | |
Auch ehemals Aktive der Jungen Alternativen seien mitgewandert. | |
In der Vergangenheit seien Teilnehmer*innen der 2009 verbotenen | |
„Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) dabei gewesen, ebenso wie Hannes | |
Ostendorf, Sänger der Rechtsrockband Kategorie C. | |
Laut Lotta Kampmann von „Recherche Nord“ hat der Marsch für Teilnehmende | |
einen offenen NS-Bezug. „Wir wissen, dass dort entsprechende Reden gehalten | |
und Symbole gezeigt werden“, sagt sie der taz. Die Szene treffe sich | |
regelmäßig zu Wanderungen wie der im Juli 2023. Dahinter stehe die | |
Strategie, weniger in der Öffentlichkeit aufzutreten und sich stattdessen | |
stärker nach innen zu vernetzen. | |
Zu Müller erklärte Kampmann der taz, er zeige einen unglaublichen | |
Fanatismus, was seine Weltanschauung und seinen Aktivismus angehen. „Müller | |
ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass jugendliche Neonazis durch | |
entsprechende Organisationsstrukturen, die sich ihrer „annehmen“, zu | |
gewaltbereiten Überzeugungstäter*innen werden. Jugendorganisationen | |
wie die JN, in der Müller auch politisiert wurde, haben also einen massiven | |
Einfluss auf Jugendliche, wenn ihnen nicht Einhalt geboten wird.“ | |
18 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/17/geheimtreffen-in-pot… | |
[2] /Soli-Demo-fuer-Lina-E/!5935934 | |
[3] /Kater-nach-der-Party-mit-Mario-Mueller/!5576574/ | |
[4] https://recherche-nord.com/gallery/2023.07.15.W.html | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
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