Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Studie zu Umweltmaßnahmen: Klima-Gesetze meist ineffektiv
> Nur 12 Prozent der weltweiten Maßnahmen sparen Emissionen, so eine Studie
> des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Doch es gibt Erfolge.
Bild: Das nützt dem Klimaschutz: Die Einführung der LKW-Maut senkte die Emiss…
Berlin taz | Die Zahl der [1][Todesfälle durch Hitze] in Europa könnte sich
durch die Klimaerhitzung bis zum Ende des Jahrhunderts verdreifachen. Zu
diesem Ergebnis kommt [2][eine Studie der „Gemeinsamen Forschungsstelle“
der EU], die in der renommierten Fachzeitschrift The Lancet erschienen ist.
Wenn die globale Temperatur um durchschnittlich 3 Grad über das
vorindustrielle Niveau steigt, könnten demnach jedes Jahr zusätzlich
129.000 Menschen durch Hitze in Europa sterben.
Klimaschutz könnte also Leben retten. Ob Politik, die zum Zwecke des
Klimaschutzes gemacht wird, auch tatsächlich wirkt, das hat ein Team des
Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK in Zusammenarbeit mit der
OECD, der Universität Oxford und weiteren Spezialisten untersucht. [3][Das
Ergebnis ist ernüchternd]: Von 1.500 untersuchten Gesetzen, Verordnungen
oder anderen politischen Steuerungsinstrumenten führten lediglich 189
tatsächlich zu rückläufigen Emissionen.
„Wir haben untersucht, welche politische Aktionen messbare Reduktionen zur
Folge hatten – und welche nicht“, sagt [4][Studien-Co-Autor Moritz Schwarz
der taz]. Demnach hatte etwa die 2009 eingeführte Abwrackprämie in
Deutschland keinerlei Einfluss auf die Emissionen aus dem Straßenverkehr.
Damals hatte die Große Koalition aus Union und SPD 5 Milliarden Euro
bereitgestellt, um alte Autos zu verschrotten und neue zu kaufen – was
einerseits die Wirtschaft ankurbeln sollte, andererseits den
Benzinverbrauch und damit Treibhausgase verringern.
Auch die [5][milliardenteure Förderung von E-Autos] hatte laut der
Untersuchung keinen Rückgang der Emissionen zur Folge. „Die Einführung der
LKW-Maut 2005 dagegen schon: Sie senkte die Verkehrsemissionen um 11,7
Prozent“, sagt Forscher Schwarz. Auch die Ökosteuerreform 1999 sei ein
wirksames Klimaschutz-Instrument gewesen: „Dadurch gingen die Treibhausgase
in Deutschland um 7,6 Prozent runter.“
## CO2-Mindestpreis – aber richtig
Politikmaßnahmen aus 41 Ländern untersuchten die Forscher, neben
Industriestaaten auch in Ländern wie Brasilien, Saudi-Arabien, Peru oder
Indonesien. Gibt es Länder, die richtig gut abschneiden? „Es gibt
Politikfelder, die herausstechen“, sagt Schwarz. Etwa habe Großbritannien
2013 einen CO2-Mindestpreis eingeführt und fossile Brennstoffe im
Stromsektor verteuert. „Das hat die Kohle aus dem Markt gedrängt und den
britischen Stromsektor dekarbonisiert.“ Oder neue Verbrauchsnormen in den
USA: 2007 hatte die Regierung beschlossen, dass Neuwagen nur noch eine
deutlich geringere Mengen an Benzin verbrauchen dürfen, was den Verkehr der
USA um 8 Prozent klimafreundlicher machte. Auch in China fanden die
Forscher wirksame Klimapolitik: „Dort haben neue Technologiestandards dafür
gesorgt, dass die Industrie klimafreundlicher wurde“, sagt Schwarz. Das
habe zwar nicht dafür gesorgt, dass die chinesischen Emissionen insgesamt
zurückgegangen sind, „sie sind aber weniger stark angestiegen“.
Leitautor Nicolas Koch vom PIK urteilt: „Unsere Ergebnisse verdeutlichen:
Viel hilft nicht automatisch viel, es kommt vielmehr auf den richtigen Mix
der Maßnahmen an.“ Sein Co-Autor Schwarz nennt das Beispiel Strommarkt in
Großbritannien: „Der CO2-Preis allein hätte wohl kaum zur Dekarbonisierung
geführt.“ Mittlerweile gibt es auch in Deutschland einen solchen Preis für
Kohlendioxid, trotzdem kamen im ersten Halbjahr dieses Jahres [6][noch 23
Prozent des deutschen Stroms aus Kohle]. „Erst die zusätzliche Verteuerung
fossiler Brennstoffe führte in Großbritannien zu Klimaschutz“, sagt der
Forscher. Er rät der Bundesregierung, dem Beispiel zu folgen – falls es
Deutschland ernst meint mit dem Klimaschutz. „Klar ist, dass dafür die
Dekarbonisierung des Stromsektors entscheidend ist, weil viele andere
Bereiche ihren Energiebezug auf Strom umstellen werden.“
1.500 Politikmaßnahmen, von denen lediglich 189 die Emissionen tatsächlich
gesenkt haben – ein ernüchterndes Ergebnis? „Natürlich hätten wir uns me…
gewünscht“, sagt Moritz Schwarz. Die Forscher:innen würden aber nicht
urteilen, dass 1.311 Maßnahmen keinen Erfolg gehabt hätten. „Wir sagen: Bei
189 Maßnahmen konnten wir eine direkte Reduktion feststellen.“ Faktoren wie
Wirtschaftswachstum oder Bevölkerungsentwicklung berücksichtigt die Studie,
als Bilanzzeitraum wurde die Politik der Jahre 1998 bis 2022 betrachtet. In
den 1.500 politischen Maßnahmen sind beispielsweise energetische
Bauvorschriften, Kaufprämien für klimafreundliche Produkte oder die
Einführung von Grenzwerten enthalten.
„Klimaschutz kann nur gelingen, wenn die Politik die Bevölkerung mitnimmt“,
sagt Moritz Schwarz. Natürlich müssten soziale Härtefälle durch eine
sinnvolle Förderpolitik flankiert werden, beispielsweise beim Austausch von
fossilen Heizungen. Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK erklärt: „Wir
gewinnen aus unseren Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber,
welche Maßnahmen sich gut ergänzen.“ Es wäre zu wünschen, dass die
Politiker sich von den Forschenden diese Erkenntnisse mal erläutern lassen
würden.
22 Aug 2024
## LINKS
[1] /Folgen-der-Klimakrise/!6026777
[2] https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIiS2468-2667(24)00179-8/…
[3] https://www.science.org/doi/10.1126/science.adl6547
[4] https://www.pik-potsdam.de/members/moritzsc
[5] /E-Auto-Foerderung-der-Bundesregierung/!5850778
[6] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/06/PD24_219_43312…
## AUTOREN
Nick Reimer
## TAGS
Klimaforschung
Umweltschutz
Schwerpunkt Klimawandel
Maut
CO2-Emissionen
GNS
klimataz
Wir retten die Welt
Ampel-Koalition
Alpen
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Emissionen der Autoindustrie: Das Problem mit dem Rückspiegel
Manchmal ist Vergesslichkeit ein Segen. Unpraktisch nur, wenn das
Langzeitgedächtnis sich noch gut an alte Versäumnisse beim Klimaschutz
erinnert.
Umfrage in Deutschland und USA: Klimaschutz wird als Chance gesehen
Mehr als 50 Prozent in Deutschland und den USA sehen in mehr Klimaschutz
Vorteile für die Wirtschaft. Viele wollen mehr Ehrgeiz in der Klimapolitik.
Klimawandel und Tourismus: Die Alpen verlieren ihren Kitt
Extremwetter, Gletscherschwund, schmelzender Permafrost – Europas
Zentralgebirge erwärmt sich enorm. Das macht auch das Bergsteigen immer
unsicherer.
Studie der Umwelthilfe: Diese deutschen Städte sind zu heiß
Die Umwelthilfe warnt, dass viele deutsche Städte nicht genug auf Hitze
vorbereitet sind. Sie fordert weniger Flächenversiegelung und mehr Bäume.
Klimaexperte über Kipppunkte: „Das Risiko ist inakzeptabel hoch“
Die Klimakrise treibt die Eisschmelze an. Süßes Tauwasser strömt ins
salzige Meer und bringt die Strömung durcheinander, sagt Forscher Stefan
Rahmstorf.
Studie zur Belastung des Planeten: Deutlich erhöhtes Infarktrisiko
Zu viel Plastik, zu hoher Verbrauch von Süßwasser, zu viel Erwärmung: Laut
einer aktuellen Studie sind 6 von 9 planetaren Grenzen sind überschritten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.