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# taz.de -- US-Präsidentschaftwahlkampf: Wird Trump jetzt plattgewalzt?
> Kamala Harris und ihr frisch vorgestellter Vize-Präsidentenkandidat haben
> einen Hype im Wahlkampf ausgelöst. Trägt er sie ins Weiße Haus?
Bild: Die Leute lieben sie: Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris und ihr n…
Die vergangenen sechs Wochen waren wohl die erstaunlichsten, die das an
Überraschungen selten arme US-Wahlkampftheater in den letzten Jahrzehnten
hervorgebracht hat. Seit jenem 27. Juni, an dem [1][Joe Biden in der
TV-Debatte] mit Donald Trump aller Welt bestätigte, was die
Republikaner*innen immer behauptet und die Wähler*innen befürchtet
hatten – dass er nämlich körperlich und mental definitiv nicht mehr in der
Lage ist, erneut als Präsident anzutreten –, sind die US-Demokrat*innen
einmal durch die Hölle gegangen.
Wochenlang erklärte Biden, er bleibe im Rennen, egal was komme, egal wie
die Medien ihn abschrieben, egal [2][wer ihn dazu auffordere],
beiseitezutreten. Die Partei schien sich ihrem Schicksal zu ergeben, im
November deutlich und vernichtend geschlagen zu werden. Und dann kam die
Wende.
Am 21. Juli trat Joe Biden [3][von der Kandidatur zurück] und sprach sich
für seine Vizepräsidentin Kamala Harris aus. In Windeseile fand sie
[4][nahezu einhellige Unterstützung] aller wichtigen Stimmen, niemand
schickte sich an, gegen sie anzutreten. Die Partei sah die Chance zur
Kehrtwende, die sich durch Bidens Abgang bot, verstand, dass jetzt rasch
Einigkeit und Aufbruch signalisiert werden muss, und ergriff die
Gelegenheit.
In nur zwei Wochen wandelte sich die Stimmung von Depression [5][zu
Euphorie]. Zum ersten Mal im gesamten Wahljahr bewegten sich die
Umfragewerte in Richtung der Demokrat*innen. Die Spenden flossen wieder
– und gleich in Rekordhöhe.
Und selbst wenn hinter den Kulissen heftig über die Auswahl des Running
Mate, des Vizepräsidentschaftskandidaten, gepokert wurde, reihten sich alle
ein, als in der vergangenen Woche dann Minnesotas Gouverneur Tim Walz
benannt wurde und sich vor einer [6][begeisterten Menge] in Philadelphia
der nationalen Öffentlichkeit vorstellte.
## Wer ist denn überhaupt dieser Tim Walz?
Kamala Harris hat sich mit Walz jemanden gesucht, dessen inhaltliches
Profil deutlich klarer ist als ihr eigenes, und der anders als sie selbst
als Gouverneur auch viele Dinge umgesetzt hat. Kostenlose Schulspeisung,
Waffenkontrollgesetze, das Recht auf Abtreibung, klar
gewerkschaftsorientiert, Rechte auch für papierlose Migrant*innen –
alles Punkte, die in Minnesota mit dem Namen Tim Walz in Verbindung
gebracht werden.
Dazu ist er Ex-Militär, Ex-Lehrer, erfolgreicher Football Coach – [7][ein
volksnaher Typ] und guter Redner, der schon in seinen ersten Auftritten als
Running Mate zugespitzte Attacken auf die Gegenseite fuhr. [8][Sein Begriff
„weird“] – schräg, sonderbar – für das Duo Trump/Vance ist längst zum
stehenden Ausdruck geworden.
## Wofür steht dieses demokratische Ticket?
Wer auf die Harris/Walz-Webseite geht, findet viele Möglichkeiten, deren
Wahlkampfkasse mit Spenden zu unterstützen – aber der Reiter „on the
issues“, unter dem normalerweise inhaltliche Positionen zu wichtigen Themen
nachzulesen wären, fehlt gänzlich.
Natürlich ist das der Tatsache geschuldet, dass Harris’ Kandidatur noch
keine drei Wochen alt ist und sie eben nicht in einem langen Vorwahlprozess
genötigt war, zumindest programmatische Eckpunkte festzulegen. Der Hype,
den das Ticket in diesen Tagen erlebt, lebt insofern zunächst nur davon,
dass hier lebendige Gegenkandidaten zu Trump angetreten sind.
Der meistgerufene Wahlkampfslogan bei den ersten Veranstaltungen in den
Swing States bislang: „We’re not going back!“ – kein Schritt zurück! D…
geht gegen Trump und das „Project 2025“ und funktioniert erst einmal. Um
aber drei Monate Wahlkampf, TV-Debatten und Interviews zu überstehen –
Harris scheut derzeit den Umgang mit Reporter*innen –, reicht das nicht
aus.
Mehr noch: Solange es zu den republikanischen Kernthemen Migration,
Grenzsicherung, Inflation keine klaren programmatischen Gegenentwürfe von
Harris/Walz gibt, werden Donald Trump und sein Vizepräsidentschaftskandidat
J. D. Vance formulieren, was von dem „linksradikalen“ Duo alles
Schreckliches zu erwarten sei.
## Genau, Trump, der ist ja auch noch da. Wie hat er reagiert?
Donald Trump hat vermutlich die für ihn schlimmsten zwei Wochen des Jahres
hinter sich. Natürlich hatte er darauf gehofft, dass Joe Biden an der
Kandidatur festhält. Sein gesamter Wahlkampf war auf ihn als Gegner
eingestellt, und Trump hatte das Gefühl, nicht viel tun zu müssen.
In den Tagen nach der verheerenden Debatte hielt er sich zurück, erst
[9][das Attentat auf ihn] und der republikanische Nominierungsparteitag
brachten ihn wieder ins Rampenlicht. Ansonsten genoss er still, wenn die
Demokrat*innen angstvoll einen weiteren Liveauftritt Bidens verfolgten.
Das ist vorbei.
Seit der Nominierung von Tim Walz zum Vizepräsidentschaftskandidaten ist
Kamala Harris mit ihm zusammen unterwegs – und plötzlich füllt sie in Swing
States wie Pennsylvania, Wisconsin oder Michigan Hallen wie bislang nur
Trump.
Das wurmt Donald Trump gewaltig, denn die Größe seiner Kundgebungen war für
ihn stets ein wichtiges Argument. Möglicherweise hat er deshalb in den
letzten Tagen auf die für ihn so typischen Großveranstaltungen fast völlig
verzichtet – im direkten Vergleich hätte er womöglich nicht gut ausgesehen.
Stattdessen lud er am Donnerstag zu einer Pressekonferenz auf sein Anwesen
in Mar-a-Lago. Dort behauptete er, Kamala Harris sei so brutal inkompetent,
dass es kein Wunder sei, dass sie nicht mit den Medien spreche, Walz sei
ein Linksradikaler, der Minnesota zugrunde geritten habe, würden
Harris/Walz ins Weiße Haus einziehen, sei das der [10][Untergang der USA].
Na gut.
## Wie geht es jetzt weiter?
Die Dynamik dieses vollkommen neu aufgeschüttelten Wahlkampfs bis zum 5.
November ist nicht vorauszusagen. Wenigstens bis zum Nominierungsparteitag
vom 19. bis zum 22. August in Chicago dürfte auf demokratischer Seite der
Hype anhalten. Aber spätestens danach werden die noch ungelösten
inhaltlichen Fragen in den Mittelpunkt rücken.
Schon in dieser Woche etwa fanden sich bei einer Veranstaltung von Harris
in Michigan propalästinensische Protestierende ein, die ihre Rede mit
lauten Zwischenrufen („Keine Stimme für Völkermord!“) störten. Harris
wehrte das mit den Worten „Wenn ihr wollt, dass Donald Trump gewählt wird,
dann sagt das! Ansonsten rede jetzt ich“ und einem intensiven Staredown ab.
Wo Harris/Walz aber wirklich im Nahostkonflikt stehen, ein für manche
Wähler*innengruppen gerade im wichtigen [11][Swing State Michigan]
entscheidender Punkt, bleibt unklar. Bis zur ersten TV-Debatte zwischen
Kamala Harris und Donald Trump, die am 10. September in Philadelphia vom
Sender ABC ausgetragen werden soll, muss noch viel programmatische Arbeit
geleistet werden.
Am Ende macht das Rennen, wer sein Wähler*innenpotenzial am besten
ausschöpft und an die Urne bringt. Ausgang? Wieder vollkommen offen.
10 Aug 2024
## LINKS
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[6] /Podcast-Bundestalk/!6028835
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[8] /Demokraten-im-Wahlkampf/!6025461
[9] /Ikonisches-Attentats-Foto/!6024573
[10] /Kandidatur-von-Kamala-Harris/!6024920
[11] /Linke-Protestwaehler-in-den-USA/!6015960
## AUTOREN
Bernd Pickert
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