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# taz.de -- Obama-Berater über Harris’ Vorteile: „Sie erlaubt sich, verlet…
> Die Chancen stehen gut für Kamala Harris, meint Patrick Gaspard. Sie
> spreche über Probleme, die viele angehen, und habe einen großen Vorteil
> gegenüber Männern.
Bild: Ihr Publikum: Kamala Harris kann die Leute begeistern
taz: Herr Gaspard, Euphorie für Kamala Harris prägt momentan die
öffentliche Stimmung. Allerdings verkörpert Harris nicht für alle
Amerikanerinnen und Amerikaner eine neue Hoffnung: Der Erfolg von Donald
Trump beruht darauf, dass er eine Erzählung von weißem Stolz anbietet.
Welche Art von Stolz bietet Kamala Harris diesen Menschen an?
Patrick Gaspard: Wir bewegen uns in vielerlei Hinsicht auf ein neues
Amerika zu. Kamala Harris’ Vater war jamaikanischer, ihre Mutter
asiatischer Abstammung. Sie erkennt das in sich selbst, in ihrer Weise der
„Americanness“, des Amerikanischseins an. Immer mehr Menschen haben einen
gemischten Hintergrund, sie werden die neuen Führungsgenerationen sein.
Donald Trump sagte vor der National Association of Black Journalists: „Nun,
ich weiß nicht, ob sie schwarz ist. Sie sagt, sie sei schwarz. Gestern war
sie Inderin, und ich weiß nicht, was das ist.“ Für Trump mag jemand wie
Harris vielleicht wie ein Einzelfall wirken. Aber für die meisten Leute ist
es Alltag: „Nun, nein, das ist wie mein Nachbar oder die Lehrerin meines
Kindes oder die Verlobte meines Sohnes.“ Und deshalb denke ich, dass Kamala
Harris die Chance hat, die Menschen ihres grundsätzlichen Amerikanischseins
zu versichern.
taz: Diese Gewissheit des Amerikanischseins ist der neue Stolz für alle?
Gaspard: Ja. Meine Eltern stammen aus Haiti. Aber ich wurde im Kongo
geboren und kam als Kind in die Vereinigten Staaten. Ich bin stolz darauf,
dass ich amerikanischer Staatsbürger bin. Ich kann Ihnen gar nicht sagen,
wie bizarr es ist, zu sehen, wie Donald Trump in den letzten Wochen auf
Wahlkampftour geht und ständig über Menschen spricht, die aus dem Kongo
hierher kommen. Er, Trump, sei der Einzige, der die „Kongolesischen Staaten
von Amerika“ verhindern könne. Und die Leute jubeln ihm zu. Sie haben also
Recht, dass Kamala Harris nicht alle repräsentiert. Aber sie kann diese
Wähler beruhigen. Sie kann deren Angst, dass etwas zu Ende geht, durch die
Vorstellung ersetzen, dass es etwas Neues gibt, bei dem sie mitgenommen
werden.
taz: Nun ist Donald Trump in seiner emotionalen Intelligenz überragend.
Selbst Leute aus dem demokratischen Lager sagen, dass Harris diesen
Instinkt nicht hat.
Gaspard: 2016 hat Trump noch über die Kämpfe und Beschwerden der weißen
Wähler aus der Arbeiterklasse gesprochen. Jetzt verbringt er 90 Prozent
seiner Zeit damit, über seine eigenen persönlichen Beschwerden zu
lamentieren: „Sie benutzen das Justizministerium als Waffe gegen mich. Sie
haben mir die Wahl gestohlen.“ Harris kann dagegen die Geschichte des
Durchschnittsbürgers erzählen. Derjenigen, die von den Obergrenzen für
verschreibungspflichtige Medikamente profitiert haben. Von den
Bauarbeitern, die in Michigan und Nevada jetzt Arbeitsplätze haben. Und sie
kann sagen, was es für die Menschen bedeuten wird, von der Senkung der
College-Kosten zu profitieren. Es geht also weniger um emotionale
Intelligenz als darum, die Menschen auf eine Art und Weise widerzuspiegeln,
die für sie selbst in Ordnung ist.
taz: Es heißt aber auch, Kamala Harris sei nicht gut auf der Bühne.
Gaspard: Dagegen würde ich mich wehren. 2008 habe ich als Politischer
Direktor von [1][Barack Obamas] Kampagne fungiert. Ich kann Ihnen sagen,
dass Kamala Harris überall im Land, wo wir sie stellvertretend für Obama
hinschickten, bei den Zuhörern ankam. Das war nicht das Publikum in den
Chefetagen von Unternehmen oder Anwaltskanzleien. Es waren Menschen aus
Kirchengemeinden, bei Picknicks und Kuchenverkäufen. Ihre Gabe, aktiv
zuzuhören, unterscheidet sich sehr von der Art und Weise, wie Männer auf
eine Geschichte reagieren.
taz: Das ist nicht die Bühne.
Gaspard: Ich habe Harris auch in Philadelphia bei der Vorstellung ihres
Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz gesehen. Harris erzählte auf der
Bühne, [2][warum sie Walz ausgewählt hat, wie sie ihn als jedermanns
Lieblingslehrer sieht]. Sie sprach über ihr eigenes Aufwachsen. Ich war in
einer Arena mit 20.000 Menschen, die es bei dieser emotionalen Ansprache
kaum auf den Sitzen hielt. Sie hat einen wirklich guten Sinn für Humor und
eine gewisse Respektlosigkeit. Es gibt einen Grund, warum vor allem junge
Leute sie lieben und Kamala-Memes kreieren. Auch Albernheit ist ein Gefühl.
Kamala Harris ist wunderbar albern auf eine Weise, mit der sich die
Menschen identifizieren können. Sie erlaubt sich selbst, auf diese Weise
verletzlich zu sein.
taz: Welchen Vorteil hat es im US-Wahlkampf, sich verletzlich zu zeigen?
Gaspard: Es erfordert viel Kraft, so verletzlich zu sein und seine alberne
Seite zu zeigen, wenn man in Amerika mit asiatischen Eltern aufgewachsen
ist. Ich sage das als Immigrant. Ich erinnere mich an das Gefühl des
Zusammenzuckens, wenn deine Eltern oder Großeltern dich nach der Schule vom
Spielplatz abholen und sie auf eine bestimmte Art und Weise reden oder dich
mit einem bestimmten Essen zur Schule schicken und du dich ausgegrenzt
gefühlt, alles getan hast, um dich anzupassen und so zu sein wie alle
anderen amerikanischen Kinder. Harris hat dieses Problem nicht. Es gibt bei
ihr eine Verletzlichkeit, eine Albernheit, eine Zugänglichkeit. Das sind
starke emotionale Inhalte, die gut eingesetzt werden können, um die
Geschichten und Kämpfe von Menschen aufzugreifen.
taz: Es wird auf die Swing States ankommen. Erreicht Harris die Menschen im
Mittleren Westen?
Gaspard: Eine aktuelle Umfrage von Fox News zeigt, dass Kamala Harris von
46 Prozent der weißen Wähler unterstützt wird. Sie zeigt, dass sie bei
diesen Wählern ausreichend stark werden könnte, um sich einen Wahlsieg zu
sichern. Eines der Themen, das bei weißen unabhängigen Wählern,
insbesondere in den Vorstädten, eine wichtige Rolle spielen dürfte, ist
Abtreibung. Und ich vermute, dass die deutlich gesunkene Inflation im Land,
die gesunkene Kriminalität und die Abtreibung als bestimmendes Thema dazu
beitragen, die Unterstützung dieser speziellen Wähler zu behalten.
taz: Die Leute sehen, dass die Inflationsrate zurückgeht. Aber das Gefühl
bleibt, dass, was auch immer mit der Wirtschaft besser läuft, nicht in
ihrem Geldbeutel ankommt. Wie lautet die Antwort der Demokraten?
Gaspard: Kein Wähler wird seine Stimme auf der Grundlage der Preise vom
letzten Monat abgeben. Sie schauen, wohin die Reise geht. Die
Vizepräsidentin betont, wie nützlich ihr Hintergrund als Staatsanwältin bei
der Kontrolle von Unternehmen und der Verhinderung von Preiswucher sein
wird. Probleme in den Lieferketten hatten die Inflation verursacht. Aber
dann gingen in vielen Branchen, die nicht betroffen waren, die Preise durch
die Decke. Präsident Biden wollte das Thema nicht auf aggressive Weise
ansprechen. Kamala Harris scheint diese Zurückhaltung nicht zu haben. Sie
sagt: Schluss mit der Preisabzocke bei Müsli, Milch und Eiern.
taz: Angesichts des Klimawandels muss sich auch die US-Wirtschaft
ökologisch wandeln. Hat Harris einen Plan, wie sie das anpacken kann? Oder
wird sie das Thema aus strategischen Gründen meiden?
Gaspard: Gerade aus strategischen Gründen muss das Thema angesprochen
werden. Man wird die Begeisterung der jüngeren Wähler nicht
aufrechterhalten können, wenn man den Klimawandel und die Energiewende
nicht auf sinnvolle Weise angeht. Harris hat noch keine Klima-Agenda
veröffentlicht. Sie wird mit den Investitionen werben, die im Rahmen des
Inflation Reduction Act getätigt wurden, um die Emissionen zu senken und
grüne Arbeitsplätze zu schaffen. Mit den 334.000 neuen grünen
Arbeitsplätzen. Von diesen wurden 32.000 in Georgia geschaffen, weitere
21.000 in Michigan, 20.000 in Nevada und 18.000 in Arizona.
taz: Lassen Sie uns über Gaza sprechen. Joe Biden und Kamala Harris
unterstützen Israel und sehen dabei zu, wie Zehntausende in den Ruinen
dessen sterben, was einmal Gaza war. Wird sich Harris von diesem Kurs
distanzieren?
Gaspard: Wir haben von der Vizepräsidentin bereits viel mehr Mitgefühl für
die Notlage der Palästinenser gehört, als dies von dieser Regierung bislang
der Fall war. Die Position, die Kamala Harris nach ihrem Treffen mit
Benjamin Netanjahu im Juli bezogen hat, besagt: Israel hat das Recht, sich
zu verteidigen. Es kommt jedoch darauf an, wie es sich verteidigt. Das ist
sehr wichtig. Viele in der US-Regierung sagen offen, dass die Zahl der
Todesopfer ein obszönes Ausmaß erreicht hat. Von der Basis wird starker
Druck ausgeübt, Israel keine Waffen mehr zu liefern, die für offensive
Zwecke verwendet werden können. Es ist unausweichlich, dass sich die
Kandidaten mit diesem Thema auseinandersetzen müssen.
taz: Der Satz „Israel darf sich wehren, aber die Frage ist wie“ ist schon
etwas Besonderes für Sie? Glauben Sie, dass das den protestierenden
Studenten ausreichen wird?
Gaspard: Der Ton, die Haltung der Vizepräsidentin, insbesondere in Bezug
auf das Leiden der Palästinenser, wird gesehen und anerkannt. Bei
denjenigen von uns, die sich für einen Waffenstillstand einsetzen und
dafür, dass die USA einen Friedensprozess voranbringen, hat das Hoffnung
geweckt. Aber wenn die Dinge in Gaza in diesem Tempo weitergehen, wenn wir
immer tiefer und tiefer in diese überwältigende humanitäre Krise
hineingeraten, in diese überwältigenden Menschenrechtsverletzungen, dann
würde es schwierig werden, den bisherigen Kurs beizubehalten.
19 Aug 2024
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## AUTOREN
Barbara Junge
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