Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte um Schulessen in Berlin: Nur auf die Kosten geschaut
> Mit kostenlosem Schulessen für alle könnte Berlin ein Vorbild sein. Weil
> aber auch in der Hauptstadt gespart werden muss, will es die CDU
> streichen.
Bild: Am Essen soll doch eigentlich nicht gespart werden
Trends werden bekanntlich in Amerika gesetzt. Aktuell besonders gefeiert
wird da drüben Tim Walz, [1][der als Vizepräsidentschaftskandidat] das
Land, die Demokraten und auch gleich noch die Demokratie retten soll. Und
wohl [2][auch kann]. Weil er ein grundsympathischer Typ ist, der Politik
für die Menschen macht, zum Beispiel für die Schüler:innen in Minnesota.
Dort hat er als Gouverneur des US-Bundesstaates 2023 [3][unter dem Jubel
der Jugend] kostenloses Schulessen verfügt. Für alle. Auch für die rich
kids.
Berlin sieht sich auch gern als Stadt der Trendsetter. Tatsächlich darf
sich die Hauptstadt beim Thema Schulessen auf die Schulter klopfen. Sie hat
als bis heute einziges Bundesland 2019 kostenloses Essen für alle
Schüler:innen eingeführt, früher also noch als der nun hoch gelobte
Gouverneur aus Minnesota.
Doch was macht die Berliner CDU, der man per Gründungsprägung einen Hang
zum american lifestyle nachsagen kann? Nun, [4][sie möchte den
Hauptstadtkindern in die Suppe spucken und das kostenlose Essen vom
Menüplan streichen], weil ihr die Sparideen für den Landeshaushalt
ausgegangen sind.
Die Hauptstadt-Union befindet sich schon seit Monaten im Kampf gegen die
„Umsonststadt“, in der angeblich staatliche Gelder für Bürger ohne Not
verprasst werden – also für die Reichen. Inzwischen ist auch die [5][noch
neue Landesspitze der SPD] auf dem Robin-Hood-Trip: Die Reichen sollen
blechen! Klingt ja auch nur gerecht, oder?
Gemeinsames Schulessen, das zeigen nicht nur [6][Berichte aus den USA],
fördern die Gesundheit von Kindern, ihre Lernfähigkeit und die Integration.
Langfristig senkt das gesellschaftliche Kosten enorm. Wer also hier kürzt,
verschuldet sich bei den späteren Generationen.
## Auch Reiche brauchen niedrigschwellige Angebote
Der wichtigste Punkt in der Debatte wird oft übersehen. Wenn nur Kinder
wenig Begüteter kostenlos bekocht werden, bekommt es den Beigeschmack einer
Armenspeisung. Schon in den Mensen werden die Kids in ökonomische Klassen
sortiert. Egalität, ein Grundpfeiler der Gesellschaft, kann nur erlernt
werden, wenn alle mitmachen können. Auch und gerade die Reichen brauchen
dafür ein niedrigschwelliges Angebot. Sonst sind sie weg, irgendwo anders,
wo sie mit ihrem teuren Geld noch mehr rausschlagen können für die lieben
Kleinen. In Privatschulen mit probiotischer Polenta.
Wenn Vermögende im Bildungsbereich mehr zahlen müssen, führt das aber nicht
nur zur sozialen Spaltung. Es ist auch irrsinnig. Weil Reiche eh schon mehr
Steuern zahlen. Deshalb käme in anderen Bereichen nie jemand auf die Idee,
die Nutzung öffentlicher Angebote an das Einkommen zu koppeln. Oder hat
schon mal jemand die Forderung vernommen, dass Gutverdiener:innen mehr
latzen sollten für Parkplätze oder U-Bahn-Tickets?
Aber ist es gerecht, wenn in Berlin alle Kinder kostenlos kauen, im Rest
der Republik aber nicht? Nein, aber das ist ja kein Grund, eine
vorbildliche Initiative an der Spree in den Orkus zu kippen.
Das sieht im Übrigen der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ genauso. Das vom
Bundestag [7][mit ausgelosten Bürger:innen besetzte Gremium] nannte
[8][in seinem im Frühjahr vorgestellten Gutachten] als allerwichtigste
Maßnahme: [9][die bundesweite Einführung von kostenfreiem Mittagessen] für
alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit. Dies sei eine
Investition in die Zukunft.
Die Maßnahme solle sich nicht nur an einkommensschwache Haushalte richten,
um die Kinder vor Stigmatisierung zu schützen und um die gemeinschaftliche
Komponente zu fördern, argumentierte der Bürgerrat. Durch das gemeinsame
Essen könne auch die soziale Entwicklung von Kindern gefördert werden. Und
das ist schlichtweg unbezahlbar.
9 Aug 2024
## LINKS
[1] /Harris-Vizekandidat-Tim-Walz/!6028717
[2] /Demokraten-im-US-Wahlkampf/!6025387
[3] https://twitter.com/MorePerfectUS/status/1636824655582597120
[4] /Debatte-um-kostenloses-Schulmittagessen/!6025295
[5] /Neue-Doppelspitze-der-Berliner-SPD/!6012676
[6] https://www.fastcompany.com/91168428/how-tim-walz-made-school-meals-free-fo…
[7] /Buergerraete-in-Deutschland/!6024944
[8] https://dserver.bundestag.de/btd/20/103/2010300.pdf
[9] /Vorschlaege-des-Buergerrats-Ernaehrung/!5995119
## AUTOREN
Gereon Asmuth
## TAGS
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Grundschule
Ernährung
Schwarz-rote Koalition in Berlin
Tim Walz
Essen
Schule
Grundschule
Die Linke
Kita-Gebühren
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue Ausschreibungen für Schulcaterer: Bremen wärmt Massenverpflegung auf
Schulbehörde schert aus dem Aktionsplan 2025 für gesunde und nachhaltige
Ernährung aus: Künftig spielt der Preis die entscheidende Rolle.
Chaos beim Schulessen: Kinder kommen hungrig heim
Ein neuer Groß-Caterer für Schulen hat Probleme, Essen zu liefern. Kritik,
er habe sich übernommen, weist er zurück: schuld sei das Vergabeverfahren.
Debatte um kostenloses Schulmittagessen: Sollen sie etwa Stullen essen?
Berlin gibt derzeit über 180 Millionen für das Mittagessen an Grundschulen
aus. Ein Betrag, der angesichts der Haushaltslage Begehrlichkeiten weckt.
Vorschläge für Schul- und Rentenpolitik: Linke fordert kostenlose Schulessen
Die Linkspartei stellt fünf Punkte für eine bessere Schulpolitik vor. Wie
sie umgesetzt werden soll, lässt sie offen.
Pro und Contra gebührenfreie Angebote: Nicht mehr gratis für alle?
Die SPD streitet darüber, ob die Kostenlos-Politik bei Kita oder Schulessen
unabhängig vom Einkommen wieder abgeschafft werden soll.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.