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# taz.de -- Alternative Hinterhof-WG gibt auf: Kein Schutz trotz Schutzverordnu…
> Eine Künstler:innen-WG, die sich mit Hilfe des Hamburger Senats eine
> Fabriketage in Ottensen hergerichtet hat, muss ausziehen. Die Politik ist
> machtlos.
Bild: Seit den 80ern wohnen und arbeiten hier Künstler:innen: Fabriketagen-WG …
Hamburg taz | In einem Hinterhof in Hamburg-Ottensen haben zwei WGs aus
alternativen Urzeiten überlebt. Die Nachricht, dass eine der beiden [1][WGs
in der Brunnenstraße] nun aufgibt, löst bei ihren Unterstützer:innen
in der Altonaer Bezirkspolitik Bestürzung aus. „Ach, das ist ja schade!“,
„Sah es vor Gericht wirklich so schlecht aus?“, lauten die Kommentare aus
den Reihen der Grünen und der SPD.
Seit den 1980er-Jahren wohnte und arbeitete die Künstler:innen-WG im
dritten Stock des alten Fabrikgebäudes, 1988 organisierte sie sich als
Verein, um von der Stadt Hamburg Fördergelder für die Sanierung ihrer Räume
zu bekommen. Das vom Senat aufgelegte Programm nannte sich „Alternative
Baubetreuung“, 388.000 DM flossen damals, damit sie ihre Fabriketage
zusammen mit einem alternativen Sanierungsträger herrichten konnten.
Nicht alle blieben, es kamen neue Leute, aber die Fluktuation hielt sich in
Grenzen. Während um sie herum auf dem freien Wohnungsmarkt die Mieten
anzogen und der Stadtteil Ottensen sich zu einer linksbourgeoisen Enklave
entwickelte, in der sich sehr gut, aber eben auch sehr teuer leben lässt,
konnte die WG, die sich nach einer Feuerschutzverordnung ironisch „F91“
nannte, in ihrer Fabriketage bleiben – dank einer niedrigen Miete.
Zwar mussten sie im Gegenzug das alte Gemäuer selbst instand halten, aber
sie konnten bleiben – bis der langjährige Eigentümer, ein Erbe der
ehemaligen Fabrikbesitzer, das Gebäude vor zwei Jahren an einen Hamburger
Investor verkaufte.
Frühere Verkaufsversuche hatte die Stadt mit dem Verweis auf ihr
Vorkaufsrecht abgeblockt. Denn der Hinterhof liegt mitten in einem Gebiet,
in dem eine „Soziale Erhaltungsverordnung“ gilt. Deren Ziel sei es, „die
Zusammensetzung der ansässigen Wohnbevölkerung zu erhalten und vor
Verdrängung zu schützen“, so steht es auf der [2][Homepage der Stadt
Hamburg].
Das Vorkaufsrecht soll dazu dienen, dieses Ziel zu erreichen. 2021 jedoch
wurde es in seiner jetzigen Fassung [3][vom Bundesverfassungsgericht
gekippt] und wartet seitdem auf eine [4][Neuformulierung] – zuständig dafür
ist der Bundesjustizminister, derzeit von der FDP.
Schon ohne diese juristische Vollbremsung konnte man über die Schlagkraft
dieser Waffe für den Mieterschutz verschiedener Meinung sein, sah die
Immobilienbranche doch durchaus [5][Möglichkeiten, sie auszuhebeln]. So
aber war nun gar kein Halten mehr. Der neue Käufer des Fabrikensembles, die
Lapis Real Estate, überzog die beiden verbliebenen WGs mit Räumungsklagen,
ließ das Gebäude samt Bewohner:innen mit einer Drohne filmen und gerade
erst sanierte Fenster aus „Brandschutzgründen“ zumauern.
Die Sache ging vor Gericht. Doch während die WG aus dem 2. Stock, die
„Wilde 13“, ihren Prozess in erster Instanz vor dem Amtsgericht gewann, sah
es für die F91 aus dem dritten Stock weniger gut aus. Zum Problem wurde
dabei genau die Rechtsform, die sie gewählt hatte, um seinerzeit an dem
städtischen Sanierungsprogramm teilnehmen zu können. Die F91 ist ein
Verein, nach jetziger Rechtslage aber kann ein Verein keinen
Wohnmietvertrag haben. Obwohl die WG also in der Fabriketage wohnt, gilt
der Mietvertrag als Gewerbemietvertrag und ist damit auch leicht kündbar.
Vor dem Hamburger Landgericht, wo die Sache landete, wurde zwar
festgestellt, dass auch im dritten Stock des Fabrikgebäudes ganz offenbar
jemand wohnt, die Mieter:innen also wohl irgendwie geschützt werden
müssten. Doch die Verhandlung wurde vertagt, und im weiteren Fortgang
scheinen die Konditionen, zu denen die Mitglieder der WG hätten weiter
wohnen bleiben können, nicht sehr verlockend gewesen zu sein.
## Des Kämpfens müde
Was genau passiert ist, kann nur vermutet werden, denn die WG F91 will zu
der Angelegenheit nichts mehr sagen. Davon, dass die WG auszieht, erfuhr
die taz von einer ehemaligen Mitbewohnerin. Sie seien des Kämpfens müde,
sagte sie.
Schon im vergangenen Jahr hatte sich die F91 hilfesuchend an den Senat
gewandt. Im Antwortschreiben aus der Baubehörde stand, die Sache täte ihnen
sehr leid, aber die Soziale Erhaltungsverordnung sei „kein Instrument des
individuellen Mieterschutzes“. Nach einer Kündigung müsse der Wohnraum nur
wieder als Wohnraum vermietet werden. Der Schutz durch das
Sanierungsprojekt des Senats, an dem die WG beteiligt war, habe nur für 20
Jahre gegolten, für den Vermieter ergäben sich daraus keine Verpflichtungen
mehr.
Man „bedauere sehr, Ihnen nicht konkreter helfen zu können“, und danke für
„Ihr Engagement“, so endet das Schreiben, das für die F91 wie Hohn
geklungen haben muss.
Bleibt als letzter Hort des Widerstands die WG aus dem 2. Stock, die Wilde
13. „Wir haben ja erst mal die Räumungsklage gewonnen“, heißt es von da,
das Urteil sei „eindeutig“ gewesen. „Wir bleiben auf jeden Fall!“
31 Jul 2024
## LINKS
[1] /Raeumungsklage-gegen-WGs/!5959989
[2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/bezirke/altona/themen/planen-…
[3] /Urteil-des-Bundesverwaltungsgericht/!5814508
[4] /Mieterschutz-vor-Verdraengung/!5814189
[5] https://www.engelvoelkers.com/de-de/hamburgcommercial/soziale-erhaltungsver…
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
Hamburg
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