Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- 50 Jahre Galerie Kicken: Aus der Nische ins Licht
> Seit 50 Jahren prägt die Galerie Kicken die Wahrnehmung von Fotografie
> als Kunstform. Zum Jubiläum kuratierte Wilhelm Schürmann eine
> Ausstellung.
Bild: Ein Blick in die Ausstellung: Kein Format ist viel größer als DIN-A4
Ohne Rudolf Kicken wäre dieses Bild vielleicht nie wieder in einer
Ausstellung zu sehen gewesen: Die Kamera über den Kopf haltend, Schatten
werfend, die runde Sonnenbrille auf der Nase, für sein Selbstporträt um
1930 fotografierte sich [1][der Fotograf Umbo] liegend. Jetzt hängt die
Schwarz-Weiß-Fotografie in der Ausstellung „50 Years | 50 Photographs“ in
der Galerie Kicken Berlin.
Vor 50 Jahren wurde die Galerie gegründet. Ein Jubiläum, das es verdient,
gefeiert zu werden. Denn mit dieser Galeriegründung begann eine
Pionierleistung, die maßgeblich dazu beitrug, den Blick auf die Fotografie
als Kunst in Deutschland für immer zu verändern.
Es ist eine stille, eine zurückhaltende Ausstellung, die der Fotograf und
Galerie-Mitbegründer Wilhelm Schürmann zum Jubiläum kuratiert hat. Die
ausgewählten Fotografien sind allesamt schwarz-weiß. Kein Format ist viel
größer als DIN-A4.
Und doch ist die Ausstellung unbedingt sehenswert. Nicht nur wegen des
Jubiläums. Auch weil sie durchweg fantastische Fotoarbeiten zeigt: Da
blicken einen drei Selbstporträts von der in diesem Jahr verstorbenen
[2][Helga Paris] aus den 1980er Jahren an. Da beeindruckt die perfekte
Komposition von Henri Cartier-Bressons 1933 entstandener Aufnahme „Madrid“
oder fasziniert die Vielschichtigkeit eines Fotos von Ralph Gibson aus der
Serie „Deja-Vu“ von 1973.
Star der 1920er und 30er
Oder eben das Selbstporträt von Umbo. Sein Werk steht exemplarisch für das,
was die Galerie Kicken im vergangenen halben Jahrhundert geleistet hat.
In den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war [3][Umbo] ein
Star. Seine experimentellen Porträts und unorthodoxen Aufnahmen der
Berliner Boheme machten ihn zum begehrtesten Fotografen der Weimarer
Republik. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten geriet er wie so viele
Künstler dieser Zeit in Vergessenheit. Ein Bombenangriff zerstörte 1943
sein Berliner Atelier, alle Negative verbrannten.
Verarmt und vergessen verdiente Umbo Ende der 1970er Jahre seinen
Lebensunterhalt als Kassierer in der Kestner-Gesellschaft in Hannover. Dort
wurde der Galerist Rudolf Kicken auf ihn aufmerksam – und brachte seine
Arbeiten zurück ins Licht der Öffentlichkeit.
Doch zurück zu den Anfängen: Irgendwann seien seine Aachener Mitbewohner
aus dem Skiurlaub zurückgekommen und hätten ihm gesagt, dass sie dort einen
kennengelernt hätten, „der ist genauso fotoverrückt wie du“, erzählt
Schürmann am Telefon. Gemeint war Rudolf Kicken.
Fotografie als Kunstform
Das war Anfang der 1970er Jahre. Eine Zeit, in der Fotografie in
Deutschland als ein mechanischer Vorgang ohne jeden künstlerischen Wert
wahrgenommen wurde. In den Museen war von dem jungen Medium nichts zu
sehen. Von Sammlungen ganz zu schweigen.
Kicken wusste, dass es auch anders geht. Er kam gerade aus den Vereinigten
Staaten zurück, wo er ein Jahr lang in Rochester im Osten des Landes
Fotografie studiert und ein Praktikum in der legendären New Yorker
Fotogalerie Light Gallery absolviert hatte. Dort wurde Fotografie ganz
selbstverständlich als Kunst wahrgenommen, gehandelt und ausgestellt.
Gemeinsam mit Schürmann gründete er 1974 in Aachen die Galerie
Lichttropfen. Bereits 1975 nahmen sie an der Kölner Kunstmesse teil, 1976
sogar an der [4][Art Basel]. Gekauft hätten damals nur Kollegen, sagt
Schürmann, der bald darauf ausstieg, weil er lieber selbst sammeln wollte.
Kicken missionierte beharrlich weiter. Mit wachsendem Erfolg. 1979 zog er
mit seiner Galerie nach Köln. Dort begann sich ein neuer Kunstmarkt zu
entwickeln, und auch der Name Kicken wurde immer bekannter. Als er 2000
nach Berlin zog, war Kicken längst die erste deutsche Fotogalerie von
Weltrang.
Legenden wie Diane Arbus
Kicken repräsentiere ganz klar das „Who is who“ der Fotografie, sagt die
Kunsthistorikerin Angela Lammert am Telefon. Ob es nun Fotografenlegenden
wie Eugen Atget, Diane Arbus oder Bernd und Hilla Becher seien. Ob es die
tschechische Fotografie, weibliche Fotografinnen oder die Erweiterung zur
fotografischen Dokumentation in Ost und West mit [5][Sibylle Bergemann],
Helga Paris oder Uta Mahler sei. All diese Künstler und künstlerischen
Ausrichtungen im öffentlichen Bewusstsein wieder sichtbar zu machen, das
sei „sein großes Verdienst“.
Vieles von dem, was sie sich auf die Agenda geschrieben hätten, sei
inzwischen an einem Punkt der Vollendung angelangt, sagt Annette Kicken.
Sie ist die Ehefrau von Roland Kicken und führt seit seinem Tod 2014 die
Galerie in Berlin weiter. Die Spezialisierung auf das Medium Fotografie als
Kunst, das sei so eigentlich nicht mehr nötig. Die verschiedenen Medien
würden mittlerweile ganz selbstverständlich im Dialog präsentiert.
Die Jubiläumsausstellung muss dann auch nicht mehr laut und auffällig sein.
Die Galerieräume im zweiten Stock eines Charlottenburger Altbaus seien ja
auch ein wenig versteckt, sagt Kicken. Wer uns besucht, müsse das schon
wollen. Sie habe sich das nicht unbedingt so ausgesucht, aber irgendwie sei
es trotzdem passend.
31 Jul 2024
## LINKS
[1] /Ausstellung-ueber-Fotograf-Umbo/!5664023
[2] /Helga-Paris-ist-tot/!5991050
[3] /Ausstellung-ueber-Amateurfotografie/!5631671
[4] /Kunstmesse-Art-Basel/!6014466
[5] /Fotografie-in-Ostdeutschland/!5860892
## AUTOREN
Verena Harzer
## TAGS
Fotografie
Galerie
Kunst
zeitgenössische Fotografie
Kunstmarkt
zeitgenössische Fotografie
Bildende Kunst
zeitgenössische Fotografie
Berlin Ausstellung
Fotografie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berliner Galerien: Berlins hohe Mieten machen dem Kunstmarkt zu schaffen
Wie steht es um den Kunstmarkt? Kurz vor dem Gallery Weekend gab das IFSE
erste Einblicke in eine bundesweite Studie über die Situation der Galerien.
Fotografie von Tata Ronkholz in Köln: Banales für die Ewigkeit
Büdchen, Boutiquen, Gittertore: Die Kölner Ausstellung „Gestaltete Welt“
würdigt die lang übersehene Fotografin und Becher-Schülerin Tata Ronkholz.
Samischer Künstler Joar Nango: Merzen in der Mitternachtssonne
Bei Joar Nango verändern sich Funktionen von Alltagsdingen. Ein Besuch bei
dem samischen Künstler in Norwegen und im Sprengelmuseum Hannover.
Fotografiefestival in Arles: Ironie ist eine Strategie
„Les Rencontres d’Arles“ stehen im Zeichen der Krisen, auch der
Wahlergebnisse in Frankreich. Dennoch findet das Fotografiefestival eine
Leichtigkeit.
Fotograf Michael Ruetz: Das Unsichtbare erfassen
Der Fotograf Michael Ruetz zeigte in seinen Arbeiten Motive über einen
langen Zeitraum, zuletzt in der Akademie der Künste in Berlin. Nun ist er
im Alter von 84 Jahren verstorben.
Ausstellung über Fotograf Umbo: Mit dem Namen eines Clowns
Er ist aus dem Bauhaus geflogen und trotzdem berühmt: Die Berlinische
Galerie widmet sich dem Fotografen Umbo, umtriebig in der Weimarer Zeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.