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# taz.de -- Kunst mit Sound zu 50 Jahre Bethanien: Reizempfänger und Klangerze…
> Es knarzt und rattert und pulsiert. Mit der Klangkunst-Ausstellung
> „Sounds Of Bethany“ feiert das Künstlerhaus Bethanien seinen 50.
> Geburtstag.
Bild: Sound der Bonsais: „Die Konferenz der Bäume“ von Christina Kubisch v…
Eine Hommage an die Elemente und ihre Tonlagen, an Berlin und seine
Klangfarben und eine Untersuchung, wie sich das eigentlich anhören lässt,
ist die Ausstellung zum 50. Jubiläum des Künstlerhauses Bethanien. Seit
2010 hat es sein Domizil in der Kottbusser Straße in Kreuzberg. Das
Künstlerhaus wird gerahmt von einem Café und einem Geschäft für
Waschmaschinen. Die weißen Riesen geben ziemlich gute Trommler ab, und
vielleicht finden ihre Rhythmen auch Eingang in die Installation, die die
Besucher von „Sounds Of Bethany“ empfängt: „plus.minus.kleiner als.grö�…
als X“ heißt die neue Arbeit, in der [1][Robert Lippok] ein Ensemble aus
Reizempfängern und Klangerzeugern aufgebaut hat.
Ein Glaskörper wie aus der chemischen Industrie, Neonröhren, Lautsprecher,
Resonatoren, Motoren und ein Modularsystem bilden eine alchemistische
Zimmerbaustelle. Holz rattert und Metall klingt wie von unsichtbarer Hand
gesteuert. Wer eintritt, trägt zur Installation bei: Es gibt viele
verschiedene Arten, eine Tür zu öffnen und einen Raum zu betreten. Dass sie
alle unterschiedlich klingen, fließt in Lippoks Labor ein. Der Musiker,
Komponist und bildende Künstler hat den Ansatz einer Ausstellung von 2023
in der Galerie Pankow für das mit seinem Bruder Ronald Lippok betriebene
offene Bandprojekt Ornament & Verbrechen aufgegriffen, er überschreitet die
Grenze zwischen Innen und Außen.
Lippok bringt Kontaktmikrofone zum Einsatz. Sie nehmen die Vibrationen des
Gebäudes und seines Fundaments auf. Die U-Bahn-Linie 8 grundiert das
Klangbild. „Der künstlerische Raum ist nicht nur der Galerieraum“, sagt
Christoph Tannert, seit 1992 am Bethanien und von 2000 bis 2024 sein
künstlerischer Leiter wie auch Geschäftsführer. Er weist auf die Künstlerin
Christina Kubisch hin: Sie hat vor einigen Jahren die Besucher einer
Bethanien-Ausstellung mit Kopfhörern zu einem Klangspaziergang auf die
Kottbusser Straße verführt, in dem Straßengeräusche Teil der Komposition
wurden.
Einer Klanginstallation Kubischs aus den Jahren 1988/89 gehört einer der
Räume von „Sounds Of Bethany“: „Die Konferenz der Bäume“ findet statt
zwischen fünf spiralförmig mit Kabeln umwickelten Bonsais, die auf einem
ovalen Stehtisch Platz genommen haben, eine Handvoll frisches Grün auf
einer weißen Holzplatte.
## Kontrapunkt zu Truppenmanövern
Das Möbelstück lässt sich mit einem Paar elektromagnetischer Kopfhörer
umrunden und dabei eine 5-Kanal-Komposition Kubischs buchstäblich
durchlaufen: Flächige Klänge gehen in pulsierend körnige Sounds über, je
nach Abstand und Standort ändern sie ihre Lautstärke oder trennen sich. Die
Idee kam Kubisch 1987 während einer Residenz in Worpswede. Der Name
assoziiert heutzutage die Künstlerkolonie, dabei war und ist die Gegend
Militärgebiet. Kubisch wollte einen Kontrapunkt zu Truppenmanövern und
Umweltzerstörung setzen.
Die Installationen von Robert Lippok und Christina Kubisch sind zwei von
insgesamt 19 aktuellen und historischen Arbeiten, die der [2][Kurator
Carsten Seiffarth] auf zwei Etagen zusammengestellt hat. Hinzu kommen
Videos. Für ein kurzweiliges Intermezzo sorgt ein Clip von [3][Frieder
Butzmann]. In „Akkordarbeit – Für Nam June Paik“ umrundet der Komponist
„komischer Musik“, so Butzmann über Butzmann, im Seemannspullover und mit
dunkler Kappe unzählige Male einen Konzertflügel und spielt im Vorbeilaufen
kurze Akkordsplitter.
Dass an der Wand eine Uhr mit Testbild-Zifferblatt hängt, mag ein Hinweis
auf die Kunstrichtung und Lebenspraxis sein, der sich viele der
ausgestellten Werke verdanken und zu deren Protagonisten Nam June Paik
gehört: Fluxus, jener Pfiff auf die Hochkultur. Am Ende wirft Butzmann eine
Vinyl-LP auf die Klaviersaiten. Das klingt wie eine Zitherpauke.
Der Langspielplatte kommt eine prominente Rolle in der Ausstellung zu: In
den Exponaten der Bildhauerin Claudia Märzendorfer erfährt das für seine
Langlebigkeit geliebte Medium eine Umdeutung beziehungsweise
Richtigstellung. Was wir hören, ist der Schall einer Schwingung, die
bereits begonnen hat. Märzendorfer hat ihre Sammlung von Eis-Schallplatten
beigesteuert: LPs, die je nach Raumtemperatur ein- bis zweimal abspielbar
sind.
## Plattenspieler mit vier Tonarmen
In einem Clip anhören und anschauen lässt sich Wojciech Bruszewskis
„Gramophone“ aus dem Zyklus „Some Music“: Der Filmemacher und Videokün…
hat einen Plattenspieler mit vier Tonarmen entwickelt. An verschiedene
Stellen einer LP mit einer Cello-Suite von Johann Sebastian Bach gesetzt,
entwickelt sich eine vielschichtige Überlagerung.
Kupferband als Speichermedium, das die Besucher mit einer speziellen
Konstruktion eigenhändig abtasten können, verwendet der Architekt und
Sonologe Raviv Ganchrow in „Spark Reach“, einer Kombination aus Blitzen,
Tropenstürmen und Bienen. Danach empfiehlt sich ein Besuch des Ruhepols der
Ausstellung: In „Trainwaves“ inszeniert Maia Urstad einen Bahnhof nach
Anbruch der Dämmerung. Die verschiedensprachigen Durchsagen und das Knarzen
der Technik sind die einzige Musik, aber was für eine.
6 Aug 2024
## LINKS
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[3] /Der-Musiker-Frieder-Butzmann/!5725831
## AUTOREN
Robert Mießner
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