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# taz.de -- Kunstausstellung in Brandenburg: Draußen am See
> Das Silent Green und die Galerie Ebensperger wollen in Kirchmöser alte
> Gebäude in Kulturorte verwandeln. Vorab läuft die Ausstellung „Am
> Seegarten“.
Bild: Der Theatersaal im alten Klubhaus der Eisenbahner in Kirchmöser ist jetz…
Der Vogel ist nicht Teil der Performance. Er hat sich verflogen, kreist
tschilpend durch den Theatersaal des alten Klubhauses der Eisenbahner in
Kirchmöser, Seine Stimme legt sich über die Soundarbeit von [1][Jan St.
Werner], die dort aus einem Lautsprecherpanel tönt und rauscht und dröhnt.
So kann das passieren, wenn man die Kunst aus den Galerien heraus verlegt
an Orte mit einer anderen Bestimmung. Erst recht an Orte, die gar keine
Bestimmung mehr haben.
„Am Seegarten“ nennt sich das Ausstellungsprojekt, zu dem neun Berliner
Galerien gemeinsam mit dem Silent Green Kulturquartier den Sommer über
jedes Wochenende ins Brandenburgische einladen. Einigermaßen bequem ist
Kirchmöser, ein Ortsteil von Brandenburg an der Havel, sogar zu erreichen:
50 Minuten dauert es mit dem Regionalexpress von Charlottenburg zum Bahnhof
Kirchmöser, dort steigt man in den Bus um oder aufs Rad und ist kurze Zeit
später vor Ort.
Oft schon hat man das gesehen in den vergangenen Jahrzehnten:
Kunstinstallationen, Skulpturen, Malerei, Video- und Soundarbeiten an
verlassenen Orten, in ranzigen, heruntergekommenen Gebäuden, die früher
einmal von Bedeutung waren, mittlerweile aber nur noch so herumstehen. In
baufälligen Industrieruinen, trocken gelegten Schwimmbädern, verfallenen
Schlössern, leer stehenden Krankenhäusern oder Ähnlichem. Nicht selten
hatte es die Kunst dort dann nicht leicht, gegen ihre Umgebung anzukommen,
wird manchmal gar selbst zur Nebendarstellerin.
Imposante Klinkerbauten
Die Ausstellung „Am Seegarten“ bespielt neben dem Klubhaus, das 1915 als
Offizierscasino errichtet wurde, auch den ehemaligen Verwaltungsbau einer
Pulverfabrik, der später als Krankenhaus genutzt wurde, zwei durchaus
imposante Klinkerbauten. Und sie macht dabei vieles besser als ähnliche
Kunstprojekte – weil sie auf einiges verzichtet: Es gibt keinen Kurator
oder Kuratorin, kein Thema, das zwanghaft durchgezogen wird.
Der alles verbindende rote Faden ist vielmehr der Ort. Fein abgestimmt,
wirken die Positionen, Farben, Formen, Motive scheinen sich in einigen von
ihnen zu wiederholen. Die Bilder von Navid Nuur – [2][präsentiert von Plan
B] – weisen auffällige Ähnlichkeit zur Patina der abgewetzten Wände auf, an
denen sie hängen. Entstanden sind sie aber ganz anders: Nuur zermahlt
Vitamin-D-Tabletten und nutzt das Pulver als Pigmente für seine Malerei,
macht auf diese Weise Licht sichtbar, das dieses zersetzt. So manches
Detail aus Sinta Werners Fotocollagen – vertreten von Alexander Levy –
wiederum hätten ebenso gut vor Ort aufgenommen werden können.
Andere Arbeiten nehmen Bezug auf die frühere Nutzung des Gebäudes, unter
anderem als Augenklinik. John Bock (Sprüth Magers) etwa, hat ein klappriges
Krankenbettgestell aufgebaut und mit allerlei Objekten – Eierschalen, eine
vertrocknete Topfpflanze, eine Chilischote zwischen zwei kleinen Spiegeln
arrangiert, Lupen, Augenförmiges – zu einer rätselhaften Versuchsanordnung
zusammengesetzt.
Bei wieder anderen verwandeln sich die Räume quasi in Filmsets, assoziative
Welten öffnen sich. Heike Kabisch (ChertLüdde) hat Skulpturen in mehreren
Räumen verteilt, langbeinige Figuren, die ihre Köpfe unter Textilien
verbergen und die da herumliegen und herumlungern, als täten sie das
öfters. Ähnlich verhält es sich mit John Millers (Meyer Riegger)
Schaufensterpuppe eines Jungen im weißen Dreiteiler, dem man gleich in
einem der ersten Räume urplötzlich gegenüber steht.
Bauhaus und Black Mountain
Initiiert haben das Ganze das Silent Green und die [3][Galerie Patrick
Ebensperger]. Vor einem Jahr bereits haben sie die Gebäude von der Stadt
Brandenburg an der Havel gekauft. Großes vor haben sie dort, „Am Seegarten“
ist erst der Anfang. Einen Ort für Kunst, aber möglichst auch für
Wissenschaft haben sie im Sinn. Bauhaus und Black Mountain nennt Jörg
Heitmann von Silent Green als Vorbilder, was ein wenig größenwahnsinnig
klingt, aber das weiß er offenbar selbst: „Es ist eine Idee, an die man
glauben muss,“ sagt er.
An der Baugenehmigung arbeiten sie noch. Dann soll ein [4][Atelierhaus mit
Künstlerstudios zu günstigen Preisen] und Ausstellungsmöglichkeit
entstehen. Das Klubhaus wiederum soll Probebühne etwa für Tanzkompagnien
samt Übernachtungsmöglichkeit werden, aber auch für Hochzeiten und andere
Feierlichkeiten zu mieten sein. Wichtig scheint es ihnen, zu betonen, dass
sie sich nicht abschotten wollten, nichts Elitäres in die Landschaft
stellen. Die Anbindung an den Ort und die Bewohner*innen sei ihnen
wichtig.
Bis es soweit ist, lockt erst mal die temporäre Ausstellung im Ist-Zustand
nach Kirchmöser. Und ein bisschen auch der Plauer See, in den man direkt
nach dem kulturellen Teil springen kann.
20 Jul 2023
## LINKS
[1] /Space-Synthesis-Kunsthalle-Baden-Baden/!5934498
[2] /Die-Kunst-der-Woche-in-Berlin/!5923435
[3] /Die-Kunst-der-Woche/!5855064
[4] /Ateliersterben-in-Berlin/!5938780
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
zeitgenössische Kunst
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