# taz.de -- Die Kunst der Woche: Wo der Wind ein Lied singt | |
> Vielschichtig: poetische Reflexionen über Gärten in der Klosterruine. Und | |
> eigenwillige Positionen zu Traditionen in Südkorea bei Esther Schipper. | |
Bild: Ein Garten in der Ruine: „Out of Season“ Shirin Sabahi, Klosterruine … | |
Eine ebenso schlechte wie gute Idee war es, der Ausstellung von Shirin | |
Sabahi in der Klosterruine ausgerechnet an einem jener extrem heißen Tage | |
der vergangenen Woche einen Besuch abzustatten. Schlecht, weil Hitze | |
bekanntlich Kopf wie Blick beduselt, gut aber, weil die Klosterruine, | |
gelegen zwischen Alexa und Grunerstraße, immer schon eine angenehm kühle | |
Oase der Ruhe in dieser unwirtlichen Gegend nahe des Alexanderplatzes war, | |
unterstützt von Sabahis Kunst aber sogar noch ein bisschen mehr. | |
„Out of Season“, [1][so der Titel der Outdoor-Ausstellung], ist eine | |
poetische Reflexion über Gärten – naheliegenderweise Klostergärten als | |
Rückzugsort und Forschungsstätte. Aber auch über Gärten als Orte mit | |
komplizierter Bedeutung, an denen versucht wird, die Natur zu beherrschen | |
oder in deren Botanik sich koloniale Verstrickungen zeigen. | |
Zweischneidig, vielschichtig sind denn auch die Objekte, die Sabahi in | |
ihren Garten gestellt hat. Ein achteckiger, poolblau angestrichener | |
Springbrunnen plätschert vor sich hin. Erinnern könnte er an die | |
Wasserbecken und Brunnen islamischer Gärten oder Innenhöfe, errichtet zur | |
religiösen Einkehr. Ebenso aber auch an die historischen Berliner | |
Klohäuschen, in der schwulen Cruisingszene bekannt als „Café Achteck“ – | |
eine andere Form der Einkehr. | |
Wunderschön, aber völlig leblos funkeln überdimensionierte Schnittblumen im | |
Sonnenlicht. Sabahi hat sie aus Schalen, Vasen, Tellern und Bechern aus | |
solchem bunten Glas zusammengesetzt, wie es sie jetzt nur noch auf dem | |
Trödel für kleines Geld zu kaufen gibt. Dahinter singt eine „Geisterharfe“ | |
im Wind, ein aus spiegelndem Metall nachgebauter und mit Saiten bestückter | |
Windfänger, in der traditionellen persischen Architektur ein Element zur | |
natürlichen Klimatisierung von Innenräumen, der hier im Außenraum freilich | |
nichts auszurichten vermag. | |
Und zwischen allem stehen Klappstühle, verbindende rote Punkte, wie sie für | |
die Bundesgartenschau 2005 in München hergestellt wurden – Sinnbilder | |
dafür, inwiefern Gärten zu Instrumenten der Politik werden können, aber | |
auch bequeme Sitzgelegenheiten, um von dort aus zu lauschen und zu schauen. | |
Dui Jip Ki bedeutet im Koreanischen so viel wie „Umdrehen“ und wird in | |
diversen Zusammenhängen genutzt, ob man nun einen Pfannkuchen wendet, seine | |
Meinung ändert oder auch beim Ringkampf den Gegner oder die Gegnerin auf | |
den Boden legt und damit besiegt. | |
Dass die [2][Gruppenausstellung koreanischer Kunst], mit der Esther | |
Schipper in ihren Berliner Räumen den einjährigen Geburtstag ihrer Seouler | |
Dependance begeht, diesen Titel trägt, sei als Hinweis auf die | |
Heterogenität der Positionen zu verstehen – so steht es in der | |
Pressemitteilung. Das klingt banaler, als es sich in der Ausstellung zeigt, | |
nämlich in vielen neuen interessanten Wendungen im Sinne eines individuell | |
eigenwilligen Umgangs mit Traditionen. Einen ziemlich guten Einblick in die | |
Kunstproduktion des südostasiatischen Landes bekommt man so – ganz ohne | |
Fernreise. | |
Einladungen zur Kontemplation über die Essenz von Malerei sind die zarten | |
Gemälde von Hong Joo Kim (*1945), dem ältesten Künstler der Ausstellung. In | |
direkter Nachbarschaft dazu beweist Lee Bae (*1956), wie erstaunlich | |
vielfältig der Fokus auf ein Material – Holzkohle – und ein Motiv – den | |
Pinselstrich – sein kann. | |
Haneyl Choi, geboren 1991, ist einer der ersten offen queer lebenden | |
Künstler Südkoreas. Die Skulpturen, mit denen er vertreten ist, erzählen | |
vom komplizierten Aneinandergebundensein von Liebenden während der | |
Pandemie. | |
Jin Meyersons (*1972) wiederum, geht es um Präsenz – sowohl im | |
gesellschaftlichen Diskurs mit seiner Geschichte als in die USA adoptiertes | |
Kind, als auch innerhalb der Malerei, die er mit einem Instagramfilter | |
erweitert, der die einzelnen Schichten auseinanderdröselt und ins | |
Dreidimensionale verschiebt. | |
Neu und anders ist auch die Art und Weise mit der eine ganze Generation | |
junger Malerinnen mit Farbe und Leinwand umgeht. Suyeon Kim (*1986) etwa | |
lässt quasi malen: Für ihre Bilderserie ließ sie den Pinsel frei über der | |
Leinwand schwingen, wählte als Hintergrund die jeweilige Farbe des Himmels | |
in jener Stunde. | |
Gab es überhaupt je so viel Malerei bei Esther Schipper zu sehen? Es steht | |
ihr jedenfalls gut. | |
26 Jul 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://klosterruine.berlin/de/program/out-of-season | |
[2] https://www.estherschipper.com/exhibitions/1218-dui-jip-ki-esther-schipper-… | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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