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# taz.de -- Die Kunst der Woche: Sauger und andere Unruhestifter
> Rätselhaft und voller Memento-Mori-Symbolik ist die Welt Atushi Kagas.
> Bei Wera Bet steckt der Teufel im Detail – er wurde vom Staubsauger
> verschluckt.
Bild: Blick in Atsushi Kagas Ausstellung „Things Will Carry Us Through“ bei…
Knopfäugige Häschen haben es auch nicht leicht. Zumindest nicht, wenn sie
von Atsushi Kaga gezeichnet, gemalt oder geformt wurden. Die Welt, die der
in Japan geborene und in Irland lebende Künstler entwirft, ist bevölkert
von putzigen Tierwesen, drolligen Artverwandten der Figuren eines
Studio-Ghibli-Films, niedlich wie aus der Spielwarenabteilung.
Musterbeispiele sind sie für die Art von Cuteness, der man in letzter Zeit
in der Kunst immer häufiger begegnet.
Bei Atsushi Kaga wirkt diese als ein Lockmittel, um von weniger süßen
Dingen zu erzählen, von Einsamkeit, Verletzlichkeit, menschlichen Lastern,
der Vergänglichkeit des Seins. Der Hase, der einem fast auf allen Arbeiten
Kagas begegnet, dient seit langem schon als eigentümliches Alter Ego des
Künstlers. In der Pressemitteilung zur Ausstellung ist zu lesen, dass er
Usacchi heißt, kaffeesüchtig ist und glaubt, in einem vorherigen Leben eine
mexikanische Katze gewesen zu sein.
Rätselhaft sind manche der Bilder, die in Kagas Ausstellung „Things will
carry us through“ bei [1][Tanya Leighton] zu sehen sind, bei näherer
Betrachtung, surreal, beinahe absurd. Oder wie ist der Fuchs zu erklären,
der dem schlafenden Usacchi auf dem Gemälde „Things will carry us through“
wie eine Decke über dem Bauch hängt, während dieser gerade von einem
Elefanten durch die Fluten getragen wird? Überhaupt bietet das Bild mehrere
Ebenen, die man erkunden könnte, den Hintergrund aus Blattgold etwa, der
auf die Malerei der Edo-Ära verweist oder die grün bewaldeten
Bildschnipsel, die dazwischen aufblitzen und bei denen es sich um
Ausschnitte aus Pierre Bonnards „Die Familie Claude Terrasse im Garten“
(1896) handelt.
Bei einer Sammlung an Zeichnungen, die gerahmt an einer Wand hängen, gibt
schon der Titel „Things come and go“ die Richtung vor. So findet sich auf
den 23 zarten Bildchen eine Memento-Mori-Symbolik fast wie aus dem
Lehrbuch: Spielkarten, heruntergebrannte Kerzen, Kartoffeln, aus denen
grüne Keime treiben, Schnittblumen, Schnecken, Holzschilder, auf die das
Wort „End“ eingeritzt wurde.
In den kleinen Bronzen wiederum, die auf einem Tisch unter von Kaga
bemalten Papier-Lampions arrangiert wurden, werden die zarten Bande von
Freundschaften durchgespielt: Häschen, Fuchs und Katze machen gemeinsam auf
zwei Lammfellschuheinlagen ein Nickerchen, Hase und Schildkröte musizieren
zusammen, Hase und Katze teilen sich eine Banane. Worum es eben geht bei
Kaga, ist die Fragilität des Lebens und all dessen, was dieses ausmacht –
Träume, menschliche Beziehungen, Materielles und Immaterielles. Zerplatzen
kann all das wie die Seifenblasen, die Usacchi so gerne steigen lässt.
## Im Auge des Staubsaugers
Ebenfalls zeichnerisch und malerisch arbeitet Wera Bet, die seit Samstag
bei [2][SOX] auf der Oranienstraße ausstellt. Allein das ist schon Grund
zur Freude. Erst kürzlich wurde die Scheibe des Schaufensterprojektraums
mutwillig zerstört. Davon ist nichts mehr zu sehen. Das Glas ist
ausgetauscht und dahinter sind nun die Zeichnungen Bets angebracht, eine
klebt sogar daran. Das passt gut, denn Bets Kunst besteht aus
erzählerischen wie assoziativen Schichten, die sich überlagern.
Grafisch wirkt sie, was nicht zuletzt daher rührt, dass die Künstlerin
stark von polnischen Plakaten der 1950er bis 1970er Jahre inspiriert ist.
Vorne sticht das Bild eines Staubsaugers ins Auge, Sinnbild einerseits für
weiblich konnotierte Hausarbeit, aber auch für maschinelle Kraft, mit der
man die eigene verstärken kann. So ein Sauger ist ja überhaupt ein tolles
Gerät, kann er doch unliebsame Dinge zum Verschwinden bringen. In sein
Inneres lässt sich in der größten der drei Zeichnungen blicken, wobei
Blicken schon das richtige Stichwort ist: Auf ein überdimensioniertes Auge
schaut man da, auf Wimpern, Pupille und Äderchen. Weiter hinten im Korpus
des Saugers sind einige mythologische Anspielungen zu entdecken, ein
herumwandelnder Teufel, die Blüte einer Narzisse, ein Satyr, der eine
nackte Frau zu belästigen scheint. Ist das der Dreck, der weggesaugt wurde?
Von Rita Gorgonowa erzählt die Künstlerin im Gespräch während der
Eröffnung, einer polnischen Gouvernante, die zum Subjekt einer der
spektakulärsten Kriminalfälle der zweiten polnischen Republik wurde,
schuldig gesprochen für den Mord an einer 17-Jährigen, ohne dass es dafür
je einen Beweis gegeben hätte. Geschlechterverhältnisse sind ein großes
Thema Bets, Lee Lozano, die sich in ihrer Kunst drastisch und mit beißendem
Humor mit solchen auseinandersetzte, dient dabei als Referenz. Man kann das
recht deutlich sehen in den Werkzeugen, den Hammern, Zangen, Nägeln, die
Bet gezeichnet hat.
„The dirt of the World“, hat sich da im Staubsauger angesammelt: „Like a
whirlwind of facts and confusions, An empire of signs“. So steht es in dem
Gedicht von Lucile Bouvard, Kuratorin der Ausstellung, das dieses
begleitet, Motive aufgreift und noch weitere Bedeutungsfenster öffnet.
19 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.tanyaleighton.com/exhibitions/things-will-carry-us-through
[2] https://www.sox-berlin.com/
## AUTOREN
Beate Scheder
## TAGS
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