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# taz.de -- Frauen und Obst: Einfach zum Reinbeißen!
> Erdbeerwoche, Orangenhaut, Pfirsichpo: Wer Frauenkörper mit Obst
> gleichsetzt, soll bitte auf Hornissen beißen.
Bild: Das ist Spargel, du Lauch! (Den Rest muss sich jede:r selber denken)
Mit den Erdbeeren fing alles an. In der Schule benutzten wir das
[1][unerträgliche Wort „Erdbeerwochen“] untereinander, um nicht sagen zu
müssen, dass wir gerade menstruierten. Weil – na klar – die Beeren rot sind
wie das Blut.
Erdbeeren sind aber auch klein, süß und lecker. Genauso wollten auch wir
wahrgenommen werden. Absurd, dass wir meinten, dafür ausgerechnet unsere
Regelblutungen verniedlichen zu müssen, denn die kamen nicht selten mit
Schmerzen und grenzenloser Erschöpfung.
Die Erdbeerwochen sind nicht der einzige schräge Vergleich einer Obstsorte
mit dem weiblichen Körper und seinen Prozessen. Auch Pfirsiche, Äpfel,
Birnen und Melonen müssen ständig für solche Metaphern herhalten.
Manche Obstvergleiche können als Kompliment gemeint sein, zum Beispiel wenn
man jemandem Aprikosenhaut bescheinigt. Aber sie können den Frauenkörper
auch abwerten, vermeintliche „Problemzonen“ beschreiben, wie die
Orangenhaut.
Besonders beliebt sind Obstbilder, wenn es um Sexualorgane geht: Brüste
werden je nach Größe als Kirschen, Pfirsiche oder Melonen bezeichnet. Wenn
nach einem Symbol für eine Vulva gesucht wird, greifen Grafiker*innen
auf der ganzen Welt zu [2][Bildern von halbierten Grapefruits oder
Papayas].
Äpfel mit Birnen vergleichen? Das geht, wenn Frauenkörper beschrieben
werden. Ein Birnenpopo ist in dieser Bildsprache schlecht, deshalb heißt es
trainieren, bis der Hintern knackig und rund wie ein Apfel ist. Aber nicht
jeder Apfelvergleich ist gleichermaßen erstrebenswert: Wer eine sogenannte
Apfelfigur hat, sollte das laut angeblichen Stilexpert*innen mit der
Kleidung möglichst kaschieren.
## Männer sind Gemüse
Für Männerkörper gibt es kaum Obstvergleiche. Kein Wunder, denn über sie
wird insgesamt seltener gesprochen und geurteilt. Wenn, dann werden sie
eher mal mit Gemüse in Verbindung gebracht, es gibt abwertende Lauch- oder
Spargelvergleiche. Als Phallussymbol in der internationalen Emoji-Sprache
hat sich die Aubergine gegen die Banane durchgesetzt, vielleicht, weil sie
etwas fester ist.
Warum sind Frauen Obst und Männer Gemüse? Die Antwort liegt, wie so oft, in
uralten Klischees: Männer sollen hart und Frauen weich sein. Gemüse ist
männlich, also robuster, faseriger, vorm Verzehr muss man es oft kochen.
Obst ist dafür weiblich, soft und süß. Einfach zum Reinbeißen! [3][Altern
sollte es nicht, denn dann wäre es womöglich nicht mehr appetitlich].
Wer Frauenkörper mit Obst vergleicht, verdient es, beim Kirschenessen auf
eine Hornisse zu beißen. Denn diese Vergleiche sind mindestens unbedacht,
eher aber frauenfeindlich. Fast immer dienen sie dazu, Frauenkörper zu
bewerten. Oder sie verhindern, dass wir normale Vorgänge klar benennen und
minimieren damit echte Probleme wie starke Regelschmerzen. Vor allem
reproduzieren sie Ansprüche an Frauenkörper, die wir aus unserem Denken und
unserer Sprache verbannen sollten: Konsumierbar sein, niemals bedrohlich,
bitte immer lieblich und frisch.
Der Begriff Erdbeerwoche begegnet mir inzwischen nur noch selten, denn
meine Freund*innen und ich sind dazu übergegangen, direkte Sprache zu
benutzen: „Ich habe meine Periode“ – „Ich blute wie aufgestochen“ –…
mein Uterus!“, sagen wir jetzt.
Gemüsevergleiche wie die Rote-Bete-Woche oder Spitzkohlbrüste wären
übrigens nur marginal besser. Das Gute ist, man braucht sie nicht. Denn zum
Glück kann man das wertende Sprechen über Körper immer auch ganz sein
lassen.
6 Aug 2024
## LINKS
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[3] /Altersdiskriminierung/!5903415
## AUTOREN
Luisa Faust
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