# taz.de -- Thriller „Schock“ auf DVD: Schutzräume kann es nicht geben | |
> Ein Arzt gerät zwischen die Fronten zweier rivalisierender Gruppen: | |
> „Schock“ ist ein glaubhafter deutscher Gangsterfilm. | |
Bild: Bruno (Denis Moschitto), die Hauptfigur von „Schock“, ist zu gut für… | |
Bruno spricht wenig, sehr wenig. Er ist die Ruhe selbst noch in | |
misslichster Lage. Und er ist der Arzt, der zu denen kommt, die das | |
offizielle Gesundheitssystem meiden, ein Engel der Halbwelt, in die er nach | |
dem Verlust der Approbation (eine Drogengeschichte, wie so vieles in diesem | |
Film nur am Rande erwähnt) unversehens geriet. Gleich zu Beginn zieht er | |
einer Prostituierten den Zahn. | |
Und „Schock“ macht von Anfang an klar: Wegschauen ist nicht. Das ist ein | |
Film, der die Zuschauerinnen und Zuschauer bei seinen Genre-Operationen | |
nicht vorher betäubt. Hier wird gefeilt und geschossen und geschnippelt und | |
das Geschnippelte notdürftig wieder geflickt. Das Blut, das hier fließt, | |
ist zwar Kunstblut, aber echter als echt. | |
Bruno ist oft in der Nacht in einem Köln unterwegs, in dem ganz sicher kein | |
Dom steht. Ein Köln der Hinterhöfe und Hochhäuser und Wohnwagen, der | |
Unterführungen und Autowerkstätten, und nur beim Trainieren im Gym fällt | |
der Blick auf eine Welt, in der es überteuerte Shops mit Namen wie „Kauf | |
dich glücklich“ gibt. | |
Brunos Herz ist gut, aber in dem Milieu, in dem er unterwegs ist, ist das | |
schlecht. Eine Anwältin (Gastauftritt Anke Engelke) bittet ihn, einem an | |
Leukämie erkrankten Klienten zu helfen. Es muss so enden, dass Bruno beim | |
Versuch, an das Medikament ranzukommen, in Teufels Küche gerät. | |
## Roughes Hinterhof-Köln | |
[1][„Schock“, der Film], hat, wie sein Held, meist die Ruhe weg. Mit dem | |
Auto gleitet Bruno wieder und wieder durch ein roughes Hinterhof-Köln, das | |
Auto als scheinbarer Schutzraum, aber schnell ist klar: Schutzräume kann es | |
nicht geben. Nicht für Bruno, und auch für niemanden sonst. Bei den Fahrten | |
und Gängen wird wie auch sonst wenig gesprochen, es reichen als | |
Noir-Hintergrund die Tupfer aus Licht. Und die sehr coolen elektronischen | |
Ambientklänge von Hainbach, die sich zum bitteren Finale in Richtung | |
Hongkong-Tradition loopen. | |
Bruno, das ist Denis Moschitto, einer der nicht so vielen deutschen | |
Schauspieler, die extrem gut darin sind, sehr wenig zu tun. Die Stimme | |
glatt, ohne Druck, aber immer Teil des Körpers, nichts, das in ihn | |
hineingelernt worden ist. Er kam 2008 in einem anderen tollen Gangsterfilm, | |
Özgür Yildirims „Chiko“ (produziert von Fatih Akin) groß raus, hat dann, | |
wie das in Deutschland so ist, viel mediokres Fernsehen gemacht. | |
Bei der Comedy-Serie „Im Knast“ (2015/16) hat er den Regisseur Daniel | |
Rakete Siegel kennengelernt. Die beiden teilen sich für „Schock“ die | |
Credits bei Buch und Regie, sie teilen offensichtlich die Vorliebe für so | |
schmutziges wie smartes Gangsterkino. Ausdrückliches Vorbild: der Däne | |
Nicolas Winding Refn, aber weniger die immer slickeren Sachen wie „Drive“, | |
sondern die frühen, räudigen Filme der „Pusher“-Trilogie. Aber auch | |
klassisches Hongkong, eher Johnnie To als John Woo, gehört zur DNA dieses | |
Films. | |
Das Verhältnis von „Schock“ zu den Vorbildern ist selbstbewusst, nicht | |
epigonal, und schon gar nicht ironisch. Moschitto und Siegel erschaffen | |
sich ein glaubhaftes Gangsterfilm-Köln. Nicht, [2][wie es Thomas Arslan | |
tut], als Reduktion auf Essenzen. Nicht, wie bei Dominik Graf, als | |
Fiebertraum-Variante von New-Hollywood-Action. Das Ganze ist slick | |
inszeniert, aber kaum je zu sehr. Der Schnitt schön lakonisch, der Plot ist | |
es auch. Wo Erklärung nicht nottut, findet sie nicht statt. Fast | |
erstaunlich, dass es für so ein Buch Fördergeld gibt. | |
Die traurige Wahrheit allerdings bleibt, wie bei [3][Dominik Graf] oder | |
Thomas Arslan: An den Kinokassen in Deutschland kann man mit noch so coolen | |
Gangsterfilmen nichts reißen. Der Markt scheint durch die Masse des | |
Mediokren im Fernsehen schon immer gesättigt. | |
17 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&sca_esv=a835f771045fe6… | |
[2] /Gangsterfilm-Verbrannte-Erde-im-Kino/!6020996 | |
[3] /Jeder-schreibt-fuer-sich-allein/!5951109 | |
## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
## TAGS | |
Deutscher Film | |
Gangsterfilm | |
Köln | |
DVD | |
GNS | |
Französischer Film | |
Spielfilm | |
Berlin | |
Film | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
DVD „Haus der Lügen“ von Marnier: Gegen die natürliche Raumordnung | |
Mit schöner Bösartigkeit inszeniert Sébastien Marnier die | |
Klassendifferenzen in Frankreich. Sein Film ist eine Krimikomödie um eine | |
fragwürdige Erbin. | |
Gangsterfilm „Verbrannte Erde“ im Kino: Showdown an der Mülltonne | |
Thomas Arslans „Verbrannte Erde“ ist fast ein klassischer Gangsterfilm. Das | |
Spiel mit bekannten Mustern lässt etwas Neues entstehen. | |
Ausstellung über Thomas Arslans Filme: Der Stadtraum als Protagonist | |
Seine Filme machen die Veränderungen Berlins sichtbar. Nun wurden dem | |
Regisseur Thomas Arslan in Berlin eine Ausstellung und eine Filmreihe | |
gewidmet. | |
Fatih Akins „Rheingold“: Durch die Wand, Bruder | |
Fatih Akin hat einen mitreißenden Film über den Gangsta-Rapper Xatar | |
gemacht. „Rheingold“ macht sich dabei nicht mit seinem Protagonisten | |
gemein. |