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# taz.de -- Politiker:innen die Nähe vorspielen: Bayrische Brotzeit-Politik
> Politiker*innen schunkeln bei Konzerten und springen Trampolin, um
> sich zu inszenieren. Einer übertreibt besonders: Markus Söder.
Bild: Brotzeit ist nicht Markus Söder. Brotzeit ist ein Nachmittag mit dem Dau…
Claudia Roth hat sich offenbart: Auch sie ist Swiftie. Beim Konzert in
München ließ sie sich filmen, wie sie sich begeistert im pickepackevollen
Olympiastadion Luft zufächert, am Handgelenk Freundschaftsbänder, wie man
das eben [1][macht als Taylor-Swift-Fan], schunkelnd, lachend. Sie fühlt
die Musik. Diese gekonnte Inszenierung des Privaten kann Roth gerade gut
brauchen. Denn [2][Stress hat sie wegen einer geplanten Reform der
Filmförderung mit der Filmbranche] und [3][wegen ungebetener
Modernisierungsvorschläge für die Bayreuther Festspiele mit den
Wagner-Fans].
Gut, dass sie jetzt die Swifties auf ihrer Seite hat. Das sind vermutlich
eh mehr als die Wagnerianer*innen. Während Roth sich der Musik annimmt, um
sich zu inszenieren, wählt Annalena Baerbock den Sport, zeigt sich [4][beim
TSV Bayer 04 in der Parasportabteilung] springend auf dem Trampolin. Das
hat sie früher auf Leistungssportniveau gemacht. Ganz schön flexibel unsere
Außenministerin! Die kann sogar Salto! Solche Bilder wie die der beiden
Grünen sind Gold für Politiker*innen, denn plötzlich sehen wir die Person,
nicht mehr die Position.
Die privaten Handlungen, nicht mehr die politischen. Die Zuschauer*innen
sollen den Menschen mögen lernen, damit sie seinen Namen beim
Kreuzchensetzen dann auch wirklich wiedererkennen.
Aber einer übertreibt damit: Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident
(CSU) ist der momentan beste Grund für Digital-Detox. Söder, ehemals
bekannt für konservativ-populistische Politik ([5][Kreuzerlass], [6][will
den subsidiären Schutz für Geflüchtete abschaffen]), Faschingskostüme
([7][Shrek], [8][Moses]) und einen Vize ([9][involviert in eine Affäre um
antisemitische Flugblätter]), postet auf seinen Social-Media-Kanälen Essen.
Richtig viel.
## Döneressen mit Follower*innen
Auf Instagram allein in den letzten vier Tagen acht Mal. Sein liebstes
Opfer ist der Döner. Der Peak: Er geht mit 40 Follower*innen Döner
essen, die sich dafür bewerben konnten und dann ausgelost wurden. 500
weitere Fans bekommen einen Trostpreis: ein Shirt, das Söder am Dönerspieß
zeigt. Dann lernt Söder nach Monaten der Döner-Lobhudelei [10][auch noch
den Satz „Döner macht schöner“]. Irre, Markus!
Manche mag an diesen Social-Media-Auftritten vor allem stören, dass sie
überdecken, welche Politik Söder und Co betreiben. Das eigentlich
Schmerzhafte ist aber, dass Söder mit den Posts eine Verbindung herstellt
zwischen Essen, also Emotionen und Erinnerungen, und Politik.
[11][„Infantilisierung“ nennt Spiegel-Journalistin Anna Clauß] das
Vereinfachen der Politikdarstellung für die Wähler*innen. Das trifft.
Gleichzeitig ist es aber auch das Vermiesen von Kindheitserinnerungen. Denn
Essen ist Familie, Freundschaft und auch Teil von diesem komischen Ding
„Heimat“. Deswegen hat es Söder ja auch auf besonders identitätsbeladene
Nahrung wie den Döner abgesehen und auch auf die bayerische Küche.
[12][Stolz postet er auf Instagram die Brotzeit, die er „mit der Bergwacht
geteilt“ hat], die er schon in den Posts davor für seine Selbstinszenierung
als Held ausgenutzt hat: Wurst, Käse, Brezn, Radieschen. Das Brotzeitbrett
ist fast schon ekelhaft voll. Lecker! Aber ich will beim Blick auf Brotzeit
bitte nicht an Markus Söder denken, sondern an die Nachmittage mit meinem
Dauercamper-Opa im Vorzelt in Oberbayern, nach unseren Waldwanderungen, bei
denen wir Eichhörnchen gesucht und Hirsche gefunden haben.
Leberkäs soll nicht sein, wenn Söder zwischen Essens-Posts auf einer
Insta-Kachel fordert, [13][dass die Kontrollen an den deutschen Grenzen
auch nach der EM weiter durchgeführt werden]. Leberkäs ist, wenn mein Onkel
Christian mehr als 20 Familienmitglieder versorgt, die alle für das erste
Spiel der Bayern in der neuen Bundesliga-Saison den Garten stürmen, und
ständig irgendwer Neues dazukommt. Damit einem solche Erinnerungen nicht
vermiest werden, sollte man dringend Social-Media-Auftritte von Markus
Söder meiden. Denn der mag noch so emotional [14][Knödel mit Lüngerl]
posten und sich dabei an seine Mutter erinnern. Aber Knödel sind halt nur
gut, wenn sie von meiner Mama gekocht wurden.
Bei uns daheim kommt Markus Söder übrigens nur am Essenstisch vor, wenn
sich wieder mal wieder jemand über ihn beschwert. Weil er mit seinem Trara
um Tradition so tut, als wären alle Bayer*innen diskriminierende,
[15][hinterwäldlerische Rechtspopulist*innen].
1 Aug 2024
## LINKS
[1] /Taylor-Swift-in-Deutschland/!6020670
[2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/claudia-roths-filmfoerderabga…
[3] https://www.br.de/nachrichten/kultur/nach-buhrufen-in-bayreuth-claudia-roth…
[4] https://www.tsvbayer04.de/mein-tsv-verein/vereinsnews/newsleser/beeindruckt…
[5] /Bundesverwaltungsgericht-zu-Kreuzerlass/!5980908
[6] /Streit-um-Schutz-fuer-Gefluechtete/!6013529
[7] https://www.spiegel.de/fotostrecke/fastnacht-in-franken-soeder-als-shrek-be…
[8] https://www.t-online.de/region/nuernberg/id_100127198/soeder-als-moses-spot…
[9] /Nazi-Pamphlet/!5953155
[10] https://vm.tiktok.com/ZGe7YqEVH/
[11] https://www.spiegel.de/politik/markus-soeder-die-social-media-auftritte-de…
[12] https://www.instagram.com/p/C9Pp1GBoB8o/
[13] https://www.instagram.com/p/C9eRDTYIRCZ/
[14] https://www.instagram.com/p/C-Czux9Iyeo/
[15] /Soeder-bei-Meloni/!6009683
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
## TAGS
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Bayern
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