# taz.de -- Politiker als „einfache Arbeiter“: Das Volk imitieren, statt es… | |
> Politiker lassen sich gerne in „einfachen“ Berufen ablichten, um volksnah | |
> zu wirken. Dahinter steckt ein merkwürdiges Rollenverständnis. | |
Bild: Hätte er nicht einfach Pommesverkäufer werden können? | |
Eigentlich dachte man ja, das denkwürdigste Bild des amerikanischen | |
Wahlkampfs wäre schon produziert gewesen: [1][Donald Trump, der mit | |
erhobener Faust die Menge anheizt, wenige Augenblicke nach einem | |
Attentatsversuch auf ihn]. Doch nun gelang es Trump, mit einem weiteren | |
heroischen Bild die Medien weltweit zu fluten – als Held der Arbeit. | |
Der Millionenerbe stand an der Fritteuse eines McDonald's in Pennsylvania | |
und verteilte Fast Food an hungrige Kunden. [2][Ein offensichtlicher | |
Versuch, Wählerinnen und Wähler aus der Arbeiterklasse zu gewinnen]. Trumps | |
Schicht dauerte eine halbe Stunde, das Restaurant war während dieser Zeit | |
geschlossen. Hereingelassen wurden nur vom Secret Service Überprüfte. | |
Wer jetzt behauptet, dass nur die blöden Amis auf einen so durchschaubaren | |
PR-Stunt hereinfallen, dem sei ein Blick ins eigene Land nahegelegt. Julia | |
Klöckner (CDU) in den Weinreben, Stephan Weil (SPD) beim Haareschneiden, | |
Cem Özdemir (Grüne) als Kartoffelbauer: Auch deutsche Politiker packen | |
öffentlichkeitswirksam mit an und produzieren dabei hübsche Bilder. Stellt | |
sich bloß die Frage, was das eigentlich soll. Wirklich jeder weiß doch, | |
dass Berufspolitiker beruflich Politik machen, keine Burger. | |
Natürlich geht es bei diesen kurzen Arbeitseinsätzen um Selbstinszenierung. | |
Man könnte den tatkräftigen Politikern zwar zugutehalten, dass sie dadurch | |
neue Eindrücke gewinnen. Aber reicht eine auf wenige Stunden, gar auf | |
wenige Minuten begrenzte Tätigkeit als Kassiererin aus, um die Mühen dieses | |
Berufs zu begreifen? Um nachzuempfinden, [3][was es heißt, für wenig mehr | |
als den Mindestlohn zu arbeiten], und um die Schmerzen im Rücken zu spüren, | |
die jahrelanges Kistenschleppen verursacht? Wohl kaum. Wenn es ihnen | |
wirklich darum ginge, Erfahrungen zu sammeln, würden sich die Polit-Profis | |
dabei nicht inszenieren. Die Arbeitskleidung etwa kann ihre mangelnden | |
Berufskenntnisse auch nicht verdecken. | |
## Volksnah, fleißig, hart arbeitend | |
Die Bilder, die dabei entstehen, sollen den Politiker oder die Politikerin | |
als Teil der „hart arbeitenden Mitte“ in Szene setzen und ihm oder ihr ein | |
möglichst volksnahes Antlitz verleihen. Hier zeigt sich das merkwürdige | |
Rollenverständnis vieler Berufspolitiker. Sie versuchen, das Volk zu | |
vertreten, indem sie es imitieren. Man denke an den ehemaligen | |
saarländischen Ministerpräsidenten [4][Tobias Hans (CDU), der mit | |
zerzausten Haaren an einer Tankstelle steht], über die hohen Spritpreise | |
klagt und „die vielen fleißigen Leute“ bittet, ihn bei der Forderung nach | |
einer Spritpreisbremse zu unterstützen. Als wäre jemand anderes | |
Ministerpräsident und nicht er selbst. | |
Genauso durchschaubar (und peinlich) ist es, wenn Friedrich Merz (CDU) | |
einige Stunden lang den Krankenpfleger mimt. Für kurze Zeit einer | |
sogenannten „einfachen Arbeit“ nachzugehen, macht eben keinen | |
Spitzenpolitiker zum „einfachen Bürger“. Es zeugt vielmehr von | |
Überheblichkeit, wenn man eine Arbeit als so einfach betrachtet, dass man | |
sie mal locker selbst übernehmen kann. | |
Politiker sind keine Frisöre oder Bäuerinnen. So zu tun, als wären sie es, | |
hilft nichts. Statt sich zu verkleiden, sollten die Volksvertreter lieber | |
Politik für diejenigen machen, die sie imitieren. Blöd nur, dass es dafür | |
mehr braucht als ein hübsches Foto. | |
26 Oct 2024 | |
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## AUTOREN | |
Nico Preikschat | |
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