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# taz.de -- Studie zu Datenarbeitern: Harte Arbeit, niedriger Lohn
> Ohne Datenarbeiter würde KI, wie wir sie kennen, nicht funktionieren. Die
> Kehrseiten dieser Arbeit zeigt ein neues Forschungsprojekt.
Bild: Kibera, Nairobi, Dezember 2023: Hier lebten auch die Befragten, in den Sl…
Berlin taz | Zwei Dienstleister für KI-Firmen haben laut einem
Forschungsprojekt gezielt in Armut lebende Arbeiter in Kenia angeworben, um
sie dann unter umstrittenen Bedingungen zu beschäftigen. Dass die beiden
Firmen ähnlich vorgegangen sind, deute auf ein strukturelles Problem hin,
erklärt Laurenz Sachenbacher von der TU Berlin, der als Forscher an dem
Projekt beteiligt war. Einer der beiden Dienstleister hat demnach früher
unter anderem für OpenAI gearbeitet, aktuell listet unter anderem Google
ihn als Vertragspartner.
„Das Projekt zeigt, dass die Ungleichheit nicht zufällig, sondern
strukturell besteht und von den Unternehmen vorsätzlich ausgenutzt wird“,
erklärt Sachenbacher. Zusammen mit vier Kolleg*innen führte er die
Untersuchungen in Zusammenarbeit mit den Datenarbeitern durch.
Ohne Datenarbeiter*innen gäbe es [1][Künstliche Intelligenz (KI), wie
wir sie kennen], nicht. Zwar ist grundsätzlich beim Maschinellen Lernen
kein menschliches Feedback erforderlich, weil die KI anhand von
Trainingsdaten lernt. Jedoch übernimmt sie dabei auch sämtliche Vorurteile
und was sonst noch an unerwünschten Perspektiven in den Daten steckt.
Um diese herauszufiltern, dem Modell also eine menschliche Brille
aufzusetzen, die beispielsweise Diskriminierung als etwas Schlechtes
erkennt, braucht es Menschen, die nachjustieren: Datenarbeiter*innen. Weil
große Firmen wie OpenAI oder Meta ihre KI mit Millionen von Datensätzen
füttern, ist der Bedarf an Arbeitskraft groß.
Nach einer Schätzung der Weltbank macht Datenarbeit zwischen 4,4 und 12,5
Prozent der globalen Arbeitskraft aus. Die Zahl ist in den vergangenen
Jahren stark gestiegen. Um die Kosten möglichst gering zu halten, lagern
Firmen die Arbeit zum Teil in den globalen Süden aus. 40 Prozent der Arbeit
wird in Ländern mit niedrigem oder mittleren Einkommen, wie Kenia,
verrichtet.
## Die Menschen geraten in Abhängigkeit
Hier lebten auch die Befragten, in den Slums von Nairobi, in Armut.
Mitarbeitende der Dienstleister seien gezielt zu ihnen gekommen, um für
ihre Jobs zu werben, die das Einkommen sichern. Das verspricht einer der
Dienstleister, Sama, auch auf seiner Website. Dort heißt es, man habe
bereits über 59.000 Menschen aus der Armut geholfen.
Und tatsächlich berichten die Menschen von Löhnen, die höher sind als zum
Beispiel von Tagelöhnern in den Slums. Bei einer [2][Recherche des Times
Magazin] aus dem vergangenen Jahr kam heraus, dass Mitarbeiter:innen
von Sama in Kenia um die 170 Dollar im Monat verdienten. Zum Vergleich: der
[3][Mindestlohn in Nairobi] lag im gleichen Jahr bei ungefähr 110 Dollar im
Monat. Um nachhaltig den Lebensstandard zu heben oder um Geld zu sparen,
reiche so ein Lohn aber nicht, sagt TU-Forscher Sachenbacher.
So gerieten die Arbeiter in eine Abhängigkeit: „Die Menschen leben in
ökonomischer Prekarität und haben keine Alternativen. Viele Bekannte im
Umfeld der Data Worker bekommen gar keinen Job. Dann entsteht auch ein
emotionaler Druck“, so der Forscher.
## Der rechtliche Rahmen fehlt
Als Folge dessen duldeten die Arbeitenden schlechte Bedingungen. Bei beiden
Unternehmen berichten die Arbeiter etwa von unbezahlten Überstunden und
davon, dass sie mental belastende Inhalte anschauen mussten, um diese aus
den KI-Systemen zu filtern.
Die Dienstleister hingegen würden doppelt profitieren: „Die Unternehmen
zahlen so viel Lohn wie nötig, um sich im globalen Norden als ein gutes,
faires Unternehmen präsentieren zu können, und so wenig wie möglich, um die
Kosten zu drücken“, so Sachenbacher.
Um dem Problem künftig zu begegnen, brauche es laut Sachenbacher einen
internationalen Rechtsrahmen, etwa eine Anbindung der jungen Branche an ein
bestehendes Lieferkettengesetz. Gesetze wie der von der EU beschlossenen
[4][AI Act] seien ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings: „bisher
hinken wir auf internationaler Ebene noch hinterher“.
12 Jul 2024
## LINKS
[1] /Folgen-von-Kuenstlicher-Intelligenz/!5936188
[2] https://time.com/6247678/openai-chatgpt-kenya-workers/
[3] https://www.dw.com/en/what-kenyas-minimum-wage-rise-means/a-61745999
[4] /KI-Experte-ueber-AI-Gesetz-der-EU/!6009042
## AUTOREN
Jerrit Schlosser
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