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# taz.de -- Meta-Mitarbeitende in Kenia wehren sich: „Ohnmacht, Erbrechen und…
> Sie moderieren Kommentare auf Plattformen wie Facebook – und werden dabei
> übel ausgebeutet. Dagegen klagen nun 140 Mitarbeitende des Meta-Konzerns.
Bild: Nairobi, Kenia, Mai 2023: hier demonstrieren Moderator:innen vor dem Bür…
„Die Arbeit ist so furchtbar, dass sie zu „Ohnmacht, Erbrechen und
Schreien“ führt. So [1][zitiert der britische Guardian ] aus der
Klageschrift von mehr als 140 Moderator*innen gegen Meta, die
Facebook-Mutterfirma und Samasource, den Dienstleister, bei dem sie in
Kenia angestellt waren.
Zu den Inhalten, mit denen sie sich bei ihrer engmaschig kontrollierten
Akkordarbeit unter grellem Neonlicht konfrontiert sahen, gehörten Bilder
und Videos von Nekrophilie, Terroranschlägen, sexueller Gewalt unter
anderem gegen Kinder, brutale Morde. Die ganze Palette menschlicher
Grausamkeit, die jedes Vorstellungsvermögen sprengt, werden in 8-10
Stundenschichten gesichtet und sortiert.
Aber schon die korrekte Verschlagwortung von Fotos, die Umwandlung von PDFs
in Textdateien und ganz allgemein die qualitative Sortierung diverser
Mediendateien ist im globalen Maßstab eine riesige Aufgabe, die keine KI
leisten kann.
Selbst immer neue Rechenzentren mit dem Energiebedarf von Großstädten sind
nicht in der Lage, die Bewertung und Einordnung durch menschliche
Arbeitskraft zu ersetzen. Die ist zwar nicht kostenlos, wenn man es
geschickt anstellt aber recht preisgünstig zu haben.
## Eine Frau mit Mission
Samasource, auch bekannt unter dem Kurznamen Sama, eine Firma mit Hauptsitz
in San Francisco, ist ein Pionier auf dem Gebiet des Outsourcings der
Inventarisierung digitalisierter Daten. [2][Leila Janah, die 2020
verstorbene Gründerin] der ursprünglich als Nonprofit operierenden
Unternehmung, erklärte gegenüber dem Christian Science Monitor, dass es
ihre Mission sei, „armen Menschen eine würdevolle Arbeit“ zu ermöglichen.
Die „armen Menschen“ fand die Tochter indischer Einwanderer schon als
Schülerin bei einem Austausch in Ghana und blieb später dem afrikanischen
Kontinent treu. Dass die Verbindung zum Beispiel nach Kenia und andere
frühere Kolonien so gut funktioniert, liegt nicht zuletzt an der guten
englischen Sprachkompetenz vor Ort, kombiniert mit den landestypisch
niedrigen Löhnen.
Der Zugriff auf die „würdevolle Arbeit“ interessierte US-Digitalkonzerne
frühzeitig. Bereits 2009 investierte Facebook 10 Millionen Dollar in
Samasource. Seitdem ist die Kundenliste der 2019 in ein gewinnorientiertes
Unternehmen umgewandelten Zuhälterei um einige schillernde Namen gewachsen:
unter anderem Microsoft, Google, LinkdIn ließen sich von den niedrigen
Kosten überzeugen.
Aus Kenia heißt es, dass Stundenlöhne von weniger als 2 Dollar für die
jungen qualifizierten Arbeitskräfte üblich seien. Die gezielte Anwerbung
von Slumbewohner*innen dort und in Uganda, Haiti und Indien zahlte
sich aus. Die schlimmen Arbeitsbedingungen bei Samasource sind dabei keine
Neuheit. Schon Anfang des Jahres 2023 [3][berichtete das Time-Magazin] über
die Traumatisierung von Mitarbeiter*innen bei der Bereinigung des
Trainingsmaterials für OpenAI.
## Schwere mentale Beeinträchtigungen
Denn auch der Entwickler von ChatGPT ist weiterhin auf menschliche Zuarbeit
angewiesen. Anders als in atemberaubenden Marketinglügen behauptet, sind
statistische Sprachmodelle eben keineswegs in der Lage, alleine „selbst zu
lernen“.
In den sterilen Computer-Sweatshops sind derweil die gesundheitlichen
Schädigungen der Arbeiter*innen gravierend. Alle der im Rahmen der
Klageerhebung untersuchten früheren Klickworker*innen leiden laut dem
Kenyatta National Hospital an posttraumatischer Belastungsstörung. Weitere
schwere mentale Beeinträchtigungen seien die Regel.
Dass die Geschädigten nun Schadensersatz bei den Verursacher*innen und
den Auftraggebern einklagen, ist umso wichtiger. Die Unterstützung, die sie
dabei schon seit einigen Jahren durch die britische [4][NGO Foxglove]
erhalten, ist dabei die wohl einzig sinnvolle Form des Kampfes gegen Armut
und für Würde in dieser Angelegenheit.
Denn wie in jedem Fall der Auslagerung von Arbeit in Niedriglohnländer
hilft kein Boykott einzelner Produkte. Nur internationale Solidarität und
das Streiten um robusten gesetzlichen Schutz lohnabhängig Beschäftigter
weltweit wirken hier langfristig.
Ein digitales Lieferkettengesetz zum Beispiel könnte Digitalkonzerne
zwingen, nicht nur ihre Inhalte nach transparenten Kriterien zu moderieren,
sondern auch nachzuweisen, dass diese Moderation unter menschenwürdigen
Arbeitsbedingungen erfolgt – ohne Schreie, Ohnmacht und Erbrechen.
20 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.theguardian.com/world/2024/dec/18/why-former-facebook-moderator…
[2] https://www.csmonitor.com/World/Making-a-difference/2014/1023/Leila-Janah-h…
[3] https://time.com/6247678/openai-chatgpt-kenya-workers/
[4] https://www.foxglove.org.uk/2022/05/10/motaung-facebook-world-first/
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Digitalisierung
Soziale Medien
Ausbeutung
Weltraum
Entführung
Kolumne Autokorrektor
Google
Sexualisierte Gewalt
Social Media
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