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# taz.de -- Neue Bauernpartei DLW: Hauptsache Subventionen für Bauern
> Die „Deutsch|Land|Wirtschaft“ kämpft für billigen Agrardiesel. Sie sch�…
> Angst vor Migranten, ist gegen Ukrainehilfe und unkritisch zur AfD.
Bild: Der Brandenburger Landwirt und DLW-Vorsitzende Benjamin Meise in seinem A…
Manche Landwirte in Deutschland träumen davon, was Bauern in den
Niederlanden schon geschafft haben: Dort ist aus Bauernprotesten gegen mehr
Umweltschutz die Partei BoerBurgerBeweging (BBB) entstanden. Seit Kurzem
regiert sie das Land zusammen mit der rechtspopulistischen PVV von Geert
Wilders.
Auch in Deutschland gab es diesen Winter Bauernproteste. Und auch daraus
ist nun eine Partei entstanden: Schon ihr Name „Deutsch|Land|Wirtschaft“
(DLW) zeigt, wie wichtig für sie die Interessen der Agrarbranche sind. Die
führenden Mitglieder sind Landwirte. Die Partei sammelt gerade 2.000
Unterschriften, damit sie bei der Landtagswahl in Brandenburg am 22.
September antreten kann. Später will sie [1][bundesweit kandidieren].
Mehrere Medien haben über sie berichtet – allerdings ohne eine Analyse
ihrer Forderungen und ihres Personals.
Doch die DLW schürt Angst vor Migranten, will Waffenlieferungen an die
Ukraine stoppen und hält sich eine Zusammenarbeit mit der AfD offen. Ein
Vorstandsmitglied – der Kampfsporttrainer Sören Michele – organisierte
Demonstrationen gegen „das System“ sowie gegen Maßnahmen zum Schutz vor der
Corona-Pandemie und bot mindestens einmal einem Reichsbürger-nahen Sänger
eine Bühne.
Vizevorsitzender Thomas Essig ist durch falsche sowie populistische
Behauptungen aufgefallen und war an einer [2][Veranstaltung mit dem
rechtsradikalen Ex-Verfassungsschutzchef] Hans-Georg Maaßen,
Klimawandelleugnung und Verschwörungsmythen beteiligt. Das Programm der DLW
fordert, die Subventionen für den Diesel von Traktoren zu erhalten, erwähnt
aber Klimaschutz mit keinem Wort.
In einem Video im offiziellen Facebook-Kanal der Partei sagt der sehr
muskulöse, glatzköpfige Michele neben dem Logo mit dem Schriftzug DLW und
einer Getreideähre zum Beispiel: „Durch unkontrollierte Zuwanderung ist
auch unser Land nicht mehr sicher. … Das muss endlich aufhören.“
Tatsächlich gehörte Deutschland der Europäischen [3][Statistikbehörde]
(Eurostat) zufolge 2021 beziehungsweise 2022 zu den EU-Staaten mit den
[4][niedrigsten Mord- und Raubraten] pro Einwohner.
## Kein Herz für die Ukraine
Im Programm der DLW heißt es: „Die irregulären Flüchtlingswellen aus
Krisengebieten, insbesondere ab 2015, überfordern zu viele Bürger. Das
öffentliche Leben scheint durch ‚Fremde‘ dominiert“. Laut
[5][Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung] betrug der Anteil von
Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit Ende 2022 im Schnitt 15 Prozent.
In zahlreichen ostdeutschen Landkreisen waren es sogar weniger als 5
Prozent.
„Wir sind nicht fremdenfeindlich“, sagte der DLW-Vorsitzende Benjamin Meise
der taz. Deutschland brauche Zuwanderung. „Aber wir glauben, dass der
Integrationsbogen in Deutschland überspannt worden ist.“
Die von Russland angegriffene Ukraine will die Partei offenbar ihrem
Schicksal überlassen. Jedenfalls lehnt die DLW „parteiergreifende Maßnahmen
wie beispielsweise die Waffenlieferung in (potentielle) Kriegsgebiete ab.“
Dass das auch die Ukraine betrifft, bestätigte Meise der taz. „Ich sehe
Russland nicht mehr als Aggressor als die Nato“, ergänzte er.
Kritiker dieser Position wenden ein, dass die Ukraine von Russland
angegriffen wurde und ohne Waffen aus dem Westen von seinen Truppen
unterdrückt würde. Das könnte auch eine Migrationswelle zum Beispiel nach
Deutschland verursachen.
## „Wir sind keine Politologen“
Gleich im zweiten Satz des Parteiprogramms steht, die DLW könne sich „eine
Zusammenarbeit mit jedem vorstellen, mit dem wir uns in der Sache einig
sind und der das Grundgesetz anerkennt.“ Zur AfD befragt sagte Meise der
taz: „Ich bin da nicht bewandert genug, um das ausreichend beurteilen zu
können, ob die denn das Grundgesetz beachten“. Ist das glaubwürdig, wo die
AfD doch in [6][Wahlumfragen in Brandenburg] seit Monaten am besten
abschneidet? „Wir sind keine Politologen“, antwortete Meise darauf.
Die AfD hat sich mehrmals zum Grundgesetz bekannt, aber ihre Programmatik
und Äußerungen von führenden Politikern der Partei zielen etwa dem
[7][Deutschen Institut für Menschenrechte] zufolge in Wirklichkeit darauf
ab, die in Artikel 1 des Grundgesetzes verbriefte Garantie der gleichen
Menschenwürde für alle abzuschaffen.
Führungspersonen der Partei haben demnach erkennen lassen, dass sie Gewalt
als Mittel zur Durchsetzung der Ziele der AfD anstreben. Zudem hätten
Politiker der Partei sich zum Nationalsozialismus bekannt. Mehrere
Verfassungsschutzämter haben die AfD insgesamt oder einzelne Landesverbände
als gesichert rechtsextrem – also verfassungsfeindlich – oder zumindest
als Verdachtsfall eingestuft.
Während drei der vier DLW-Vorstandsmitglieder – übrigens alles Männer – …
der Landwirtschaft oder zumindest Agrarverbänden stammen, steht Michele für
das Bündnis mit anderen Gruppen der Gesellschaft. Auf der DLW-Internetseite
firmiert er als „Selbstständig, Qualitätsmanager, Kampfsporttrainer“. Sch…
lange vor den Bauernprotesten organisierte Michele in Brandenburg Proteste
gegen Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie.
Im Dezember 2022 veranstaltete Michele der [8][Märkischen Oderzeitung]
(MOZ) zufolge in Fürstenwalde eine Kundgebung mit Plakaten wie „Sperrt
diese Regierung endlich weg!“. Dort habe auch ein Musiker gesungen, der
laut [9][Tagesspiegel] ein paar Monate früher bei einer Veranstaltung in
Berlin mit Reichsbürgern aufgetreten war.
Auf einer von Micheles Demos im Januar 2024 beschimpfte ein Politiker der
Querdenker-Partei „dieBasis“ der MOZ zufolge Teile der Regierung als
„Parlamentsidioten“. Auf dieser Demonstration war der spätere DLW-Chef
Meise einer der Hauptredner. Immer wieder propagierte Michele: „Das System
ist am Ende.“ Dabei blieb offen, welches „System“ – etwa die liberale
Demokratie – gemeint war.
## Ex-Minister Trittin als „grünen Sack“ bezeichnet
Vizeparteichef Essig behauptete in einem Video im Juli: „Es sind ja nur
noch 15 Millionen Menschen, die Steuern bezahlen“. Laut Statistischem
Bundesamt waren aber 2020 [10][42,7 Millionen Menschen] in Deutschland
einkommenssteuerpflichtig. Eigentlich jeder zahlt zusätzlich
Mehrwertsteuer.
Den ehemaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin beleidigte Essig in
einem anderen Video im Juni als „grünen Sack“. Auf seine „Alimente“ als
Ex-Minister müsse er keine Steuern zahlen. Aber ein Sprecher des
zuständigen Bundesinnenministeriums teilte der taz mit: „Die Ruhegehälter
von ehemaligen Mitgliedern der Bundesregierung sind
einkommenssteuerpflichtig.“
Prominent im DLW-Programm ist Kritik an der Agrarpolitik. „Öffentliche
Leistungen werden seit Jahren bei steigenden Anforderungen gekürzt“,
bemängelt die Partei. Landwirte würden „gegängelt als Sündenbock der
Nation“.
## Kein Wort zum Klimaschutz
Kein Wort allerdings findet sich in dem Programm darüber, dass die
Landwirtschaft einer der Hauptverursacher des Artensterbens ist, und was
die DLW dagegen unternehmen will. Auch der Klimawandel wird nicht einmal
erwähnt. Die Agrarbranche verursacht inklusive der Emissionen aus Böden und
Maschinen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase hierzulande.
Außer dem Festhalten an der Agrardieselsubvention enthält das Programm kaum
konkrete Forderungen in der Landwirtschaftspolitik. Die DLW spricht sich
aber gegen „die politische Festsetzung von Mindestwerten für den
ökologischen Landbau“ aus. Das sei insbesondere wegen des bei Bio „nötigen
Pflügens und der damit verbundenen negativen Wirkung auf die Bodenbiologie
kontraproduktiv“.
Der Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) weist jedoch
darauf hin, dass keinesfalls alle Biobetriebe pflügten und dass für die
Bodengesundheit nicht allein die Frage „Pflug ja oder nein“ entscheidend
sei. Der Ökobauernverband Bioland teilte der taz mit: „Dass der Ökolandbau
dem Bodenleben schadet, ist nicht belegt – im Gegenteil.“
Eine Überblicksstudie des bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstituts
zeige, „dass die Biomasse von Regenwurmpopulationen unter ökologischer
Bewirtschaftung 93 Prozent höher ist als unter anderen
Bewirtschaftungsformen.“ Die Artenvielfalt sei höher.
Essig und Michele reagierten bis Redaktionsschluss nicht auf Bitten der taz
um Stellungnahme. An ihrer Stelle antwortete Meise unter anderem, alle
Menschen würden sich ständig entwickeln: „Sollte es während der
Mitgliedschaft zu unrechtlichem und parteischädigendem Verhalten kommen, so
werden wir uns hiermit auseinandersetzen.“
18 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=X0589LtBxHk
[2] /Verschwoerungsmythen-bei-Landwirtstreffen/!5964721
[3] https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/crim_off_cat/default/table?l…
[4] https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00146__custom_12129539/de…
[5] https://www.demografie-portal.de/DE/Fakten/auslaender-regional.html?nn=6768…
[6] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/sperrfrist-18-uhr-brandenbu…
[7] /Podien-Einladungen-fuer-die-AfD/!5934151
[8] https://www.moz.de/lokales/fuerstenwalde/protest-in-oder-spree-mit-trommeln…
[9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/unser-land-heisst-deutsches-reich-brande…
[10] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/06/PD24_239_7311…
## AUTOREN
Jost Maurin
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