| # taz.de -- Rechtsextreme Polizeichats in Hessen: Ungestraft hetzen in Frankfurt | |
| > Frankfurter Polizisten verschickten rechtsextreme Chats. Nun ist klar: | |
| > Sie müssen nicht vor Gericht. Verband sieht „fatale Signalwirkung“. | |
| Bild: Über Jahre wurden hier rechtsextreme Chats gepostet: das Frankfurter 1. … | |
| Berlin taz | Es waren [1][Chats voller Menschenverachtung]. Herablassungen | |
| über jüdische Menschen, Schwarze, Migrant*innen und Menschen mit | |
| Behinderung, auch Hitlerbilder und Hakenkreuze. All dies posteten fünf | |
| Polizist*innen aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier, ab Herbst 2014 in | |
| mehreren Chatgruppen, vier Jahre lang. In einer namens „Itiotentreff“ waren | |
| es allein 1.600 Nachrichten. | |
| Doch die Beamten werden sich für diese Chats nicht vor Gericht verantworten | |
| müssen. Das entschied nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main. | |
| Die Chatgruppen war nur durch Zufall aufgeflogen: Im Zuge der Ermittlungen | |
| der [2][„NSU 2.0“-Drohschreiben] gegen die Frankfurter Anwältin Seda | |
| Başay-Yıldız, die auch NSU-Opfer vertritt, und weitere Betroffene. Zu | |
| Başay-Yıldız wurden auch persönliche Daten ohne Dienstanlass auf dem | |
| Frankfurter Revier abgerufen – die später in den Drohschreiben auftauchten. | |
| Wer für die Datenweitergabe verantwortlich war, ist bis heute nicht | |
| geklärt. | |
| Wegen der Chats aber wurde gegen fünf Polizeibeamte schon im April 2022 von | |
| der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage wegen Volksverhetzung | |
| erhoben. Das Landgericht aber hatte [3][eine Eröffnung des Verfahrens | |
| abgelehnt]: Für eine Volksverhetzung sei ein öffentliches Verbreiten der | |
| Inhalte erforderlich – in einer geschlossenen Chatgruppe sei dies aber | |
| nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein – die | |
| nun vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde. | |
| ## „Schwer erträgliche Inhalte“ | |
| Die Beschuldigten hätten zwar „in erheblichem Umfang teilweise nur schwer | |
| erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, | |
| antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“, erklärte | |
| auch das Gericht. Strafbar aber sei dies wegen der privaten Chatgruppen und | |
| deren „überschaubarem Personenkreis“ nicht. Für eine Verurteilung wegen | |
| Volksverhetzung brauche es eine größere Öffentlichkeit. Die Entscheidung | |
| des Landgerichts, den Prozess nicht zuzulassen, sei daher nicht zu | |
| beanstanden. | |
| Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen argumentiert, dass den Polizeikräften | |
| bewusst gewesen sein muss, dass ihre strafbaren Chats auch nach außen | |
| dringen könnten – und die Nachrichten damit sehr wohl einen | |
| volksverhetzenden Charakter hatten. Der Beschluss des Oberlandesgerichts | |
| ist nun aber nicht mehr anfechtbar. Das Gericht vermerkte aber, dass sehr | |
| wohl dienstrechtliche Konsequenzen für die Beamten erforderlich seien, da | |
| es „erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue“ gebe. | |
| ## Başay-Yıldız fordert Entfernung aus dem Dienst | |
| Seda Başay-Yıldız reagierte ernüchtert. Die Entscheidung habe sich | |
| abgezeichnet, sagte sie der taz. „Jetzt ist entscheidend, dass es | |
| tatsächlich dienstliche Konsequenzen für die Polizeibeamten gibt, konkret | |
| eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“, so die Anwältin. „Denn eines | |
| ist unstrittig: dass die Gesinnung der Polizisten mit der | |
| freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist.“ | |
| Auch der Bundesverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, | |
| rassistischer und antisemitischer Gewalt sprach von einer „fatalen | |
| Signalwirkung“ der Entscheidung. Lisa Gnadl von der mitregierenden SPD | |
| sagte, die Entscheidung sei für Verfechter des Rechtsstaats zu | |
| respektieren. „Ich erwarte aber, dass die damals Beteiligten | |
| disziplinarisch angemessen bestraft werden, bis hin zur Entfernung aus dem | |
| Beamtentum.“ | |
| Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte, mit der Entscheidung | |
| bestehe nun rechtliche Klarheit in dem Fall – dies gelte es zu | |
| respektieren. Bei den Disziplinarverfahren gegen die Polizeikräfte werde | |
| nun ein „zeitnaher Abschluss“ angestrebt. „Rassistisches und | |
| menschenverachtendes Gedankengut darf in unserer Polizei keinen Platz | |
| haben“, so Poseck. Dagegen müsse man „unter Ausschöpfung aller | |
| Möglichkeiten des Rechtsstaats“ vorgehen. | |
| Bereits 2018 waren Disziplinarverfahren gegen die Polizist*innen | |
| eingeleitet worden, die wegen des Strafverfahrens aber ausgesetzt waren. | |
| Allen fünf Beamten wurden aber die Dienstgeschäfte verboten, drei wurden | |
| inzwischen vorläufig des Dienstes enthoben und von zweien ein Teil der | |
| Bezüge einbehalten. | |
| ## Bundesrat will Strafbarkeitslücke schließen | |
| Poseck und Gnadl forderten zudem, die offenbar gewordene Strafbarkeitslücke | |
| zu schließen: Wenn Angehörige des öffentlichen Dienstes sich in Foren | |
| verfassungsfeindlich äußerten, müsse dies bestraft werden, ganz gleich, wie | |
| groß das Publikum sei. Bereits im Herbst hatte Nordrhein-Westfalen eine | |
| entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die auch | |
| beschlossen und dem Bundestag zugeleitet wurde. Im Bundestag wurde darüber | |
| aber noch nicht beraten, auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) | |
| wurde hierzu noch nicht aktiv – was Gnadl „bedauerlich“ nannte. | |
| Gegen zwei der Polizeibeamten aus der „Itiotentreff“-Chatgruppe, Johannes | |
| S. und Miriam D., wurde lange auch wegen der „NSU 2.0“-Drohschreiben | |
| ermittelt. [4][Vor allem Johannes S. stand unter Verdacht, direkt an der | |
| Drohserie beteiligt gewesen zu sein]. Er war mit rechtsextremen Äußerungen | |
| aufgefallen, hatte online nach „Yildiz in Frankfurt“ gesucht. Schon zu | |
| Jahresbeginn waren die Ermittlungen aber auch in diesen Fällen eingestellt | |
| worden. Başay-Yıldız hatte dagegen zunächst Beschwerde eingelegt, diese | |
| aber wieder zurückgezogen – um auch hier dienstrechtliche Schritte zu | |
| ermöglichen. | |
| 15 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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