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# taz.de -- Rechtsextremer Chat von Polizistin: „Ein asyli weniger“
> Eine bayrische Polizistin verschickt Dienstinterna, äußert sich
> rassistisch. Erst nach Jahren wird sie gestoppt. Ein drastischer Fall,
> aber kein Einzelfall.
Bild: Der Verfassungsschutz zählte zuletzt 739 rechtsextremistische Prüffä…
Berlin taz | Am Donnerstag sollte Stefanie R. (Name geändert) eigentlich
wieder vor Gericht sitzen, im Landgericht Traunstein. Dann sollte über eine
Strafe für die Polizistin aus dem bayrischen Mühldorf verhandelt werden,
welche die 41-Jährige nicht akzeptieren will: wegen Verletzung von
Dienstgeheimnissen in mehr als 100 Fällen – und Volksverhetzung.
Kurzfristig wurde der Termin jedoch abgesetzt. Ihr Fall zeigt aber
drastisch, [1][wie sich Polizeiarbeit verselbstständigen] kann.
Seit gut 20 Jahren arbeitete Stefanie R. als Polizistin in der
Dienststelle, als vor sechs Jahren Dinge ins Rutschen gerieten. Ein
Bekannter fragte Stefanie R. damals per Whatsapp-Nachricht, ob sie ihm
behilflich sein und mitteilen könne, wer der Halter eines KfZ-Kennzeichens
sei. Und Stefanie R. war behilflich und übermittelte den Ausdruck aus einer
internen Polizeidatenbank. Das Prozedere wiederholte sich zehnmal. Zum Dank
wurde Stefanie R. von ihrem Bekannten wiederholt in ein griechisches
Restaurant eingeladen. So zeichnen es Justizunterlagen nach, die der taz
vorliegen.
Und Stefanie R. zeigte sich auch gegenüber anderen freigiebig. Einer
Bekannten schickte sie das Foto eines Ermittlungsvorgangs zu einer
Vergewaltigung und sexuellen Belästigung. Ein anderes Mal tat sie das zu
einem Einbruch – nachdem die Bekannte gefragt hatte, was in der Straße los
sei. Als Stefanie R. eine Frau in einem Krankenhaus bewachte, schickte sie
auch von dieser ein Foto mit dem Hinweis, diese habe mehr als 3 Promille
intus und sich mit Tabletten umbringen wollen.
So ging das immer weiter, über Jahre. Bekannte fragten sie, was bei
bestimmten Polizeieinsätzen los sei, was gegen Familienmitglieder, Freunde
oder sie selbst ermittelt werde – und Stefanie R. lieferte.
## Auch ein Hitlerbild verschickt
Einer Bekannten schickte sie die Ermittlungsstände zu deren Bruder, später
auch an diesen direkt – wegen Fahrerflucht, häuslicher Gewalt, Bedrohung
oder Körperverletzung. Der Frau teilte sie auch mit, wer sie wegen
Ruhestörung angezeigt hatte. Eine andere Bekannte informierte sie über eine
Person, die dieser angeblich 2.000 Euro schuldete. Einem Bekannten wiederum
verriet sie, was der Ermittlungsstand zu seinem Verstoß gegen das
Infektionsschutzgesetz war und zu einem Fall, wo er betrunken auf einem
Grünstreifen vor einem Friedhof aufgegriffen wurde.
Und es ging noch drastischer. Einer Bekannten schickte sie das Foto einer
Babyleiche mit dem Hinweis, dass die Mutter noch nicht gefunden und ein
Tötungsdelikt möglich sei. Von einem Tatorteinsatz verschickte sie an
mehrere Personen Fotos einer Leiche in einer Badewanne und teilte mit, dass
diese dort schon acht bis zehn Tage gelegen habe.
Und in den Chats hielt sich Stefanie R. auch mit ihrer Gesinnung nicht
zurück. Im August 2020 verschickte Stefanie R. an einen Bekannten ein Foto
einer Person, die sich an einer Brücke im Ort erhängt hatte. Ihr Kommentar
dazu: „Ein asyli weniger.“ Ein anderer Bekannter erhielt ein Foto von einem
Festgenommenen noch während des Polizeieinsatzes mit dem Hinweis
„Messergaudi unter Rumänen“. Zu einem anderen Verdächtigen schrieb sie,
sein Fall zeige, „was der Pöbel für einen Schlag hat“.
In einer privaten [2][Chatgruppe] verschickte Stefanie R. auch ein
Hitlerbild mit der Aufschrift „Du bist lustig. Dich vergas ich zuletzt.“ An
anderer Stelle verschickte sie von einem Einsatz zwei Fotos mit der Frage:
„Wo bin ich?“ Ein Chatpartner antwortete: „Asylantenheim! Negerbunker.“
Darauf Stefanie R.: „100 Punkte.“ Der Chatpartner: „100 Kugeln für de ne…
wär ma lieber.“ Worauf Stefanie R. kommentierte: „Hab nur 32.“ Darauf ihr
Chatpartner: „Glangd a fürs erste.“ Und Stefanie R. wieder: „I derf ned,
die fangen nich an obwohl i fett angezogen wär.“
## Nur durch Zufall aufgeflogen
Im Dienst flogen die Nachrichten nicht auf – sondern erst, als ein
Beschuldigter einer Trunkenheitsfahrt den Verdacht äußerte, dass
Dienstinterna nach außen gegeben wurden. Die Ermittlungen führten dann zu
Stefanie R. Im Oktober 2023 wurde ihr Handy beschlagnahmt, im Januar 2024
erfolgte eine Hausdurchsuchung. Laut dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd
ist Stefanie R. seitdem suspendiert – allerdings bei vollen Dienstbezügen.
Zudem läuft gegen sie ein Disziplinarverfahren, das bis zum Abschluss des
Strafverfahrens aber ausgesetzt ist.
Schon im Dezember 2024 stand Stefanie R. dann vor dem Amtsgericht Mühldorf
– und legte ein Geständnis ab. Wegen der sichergestellten Chats gab es aber
auch nicht viel zu bestreiten. Das Gericht warf Stefanie R. vor, „völlig
bedenkenlos“ mit ihren Dienstpflichten umgegangen zu sein und das Vertrauen
in die Integrität in die Polizei untergraben zu haben. Ihr sei klar
gewesen, dass sie die Daten nicht hätte weitergeben dürfen. Mit ihren
rechtsextremen Chatnachrichten habe sie zudem zu Hass und Gewalt gegen
Asylsuchende aufgestachelt und deren Menschenwürde verletzt.
Das Urteil: eine Freiheitsstrafe von anderthalb Jahren, ausgesetzt auf
Bewährung, und 5.000 Euro Geldstrafe. Eine Strafe, die ein Ende des
Beamtenverhältnisses für Stefanie R. bedeuten würde und damit das
Dienstende. Deshalb legte die Polizistin Berufung gegen das Urteil ein –
über die nun demnächst verhandelt werden soll.
Und es ist kein Einzelfall. Laut einem [3][Bericht des Bundesamts für
Verfassungsschutz] von 2024 gab es bundesweit zuletzt 739
rechtsextremistische Prüffälle in den Sicherheitsbehörden und 364
erwiesene. Das bayrische Innenministerium teilte der taz mit, dass – Stand
24. April – gegen 26 Beamt*innen der [4][bayrischen Polizei]
Disziplinarverfahren wegen des Verdachts auf eine rechtsextreme Gesinnung
liefen. Vier davon befänden sich schon im Ruhestand, gegen drei liefen
Verfahren zur Entlassung. Seit 2020 seien insgesamt 67 entsprechende
Disziplinarverfahren gelaufen, so ein Sprecher.
Die bayrische SPD-Innenexpertin Christiane Feichtmeier, selbst Polizistin,
sagte der taz, der Fall Stefanie R. habe „alle erschüttert“ und sei ein
„gravierendes Fehlverhalten“. Der Fall zeige, wie wichtig interne
Kontrollmechanismen und eine konsequente Aufarbeitung seien. Dass die
Vorgänge nur durch Zufall aufgedeckt wurden, sei daher „kritisch zu sehen“,
so Feichtmeier. Man dürfe den Fall aber nicht verallgemeinern – die große
Mehrheit der Polizei leiste „einwandfreie Arbeit“.
Das Polizeipräsidium Oberbayern Süd erklärte, Konsequenzen im Arbeitsalltag
habe der Fall Stefanie R. auf der Dienststelle nicht gehabt. Alle Reviere
würden aber regelmäßig zum Thema unzulässige Datenabfragen und politische
Treuepflicht sensibilisiert.
25 Jun 2025
## LINKS
[1] /Militarisierung-der-Polizei/!6084187
[2] /Beamte-verherrlichen-Nazis-in-Chats/!6070259
[3] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/rechtsextremis…
[4] /Militarisierung-der-Polizei/!6084187
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Rechtsextremismus
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