# taz.de -- Ermittlungen zu „NSU 2.0“ eingestellt: Keine Anklage gegen Poli… | |
> Im Fall der „NSU 2.0“-Drohserie wurde auch gegen einen Polizisten und | |
> seine Kollegin ermittelt. Nun stellte die Staatsanwaltschaft das | |
> Verfahren ein. | |
Bild: Erhielt gleich mehrere der „NSU 2.0“-Drohschreiben: Seda Başay-Yıld… | |
BERLIN taz | Der Verdacht wiegt schwer: Seit Jahren ermittelte die | |
Staatsanwaltschaft gegen den [1][Frankfurter Polizisten Johannes S.] Der | |
Verdacht: Er soll an der [2][„NSU 2.0“-Drohserie beteiligt gewesen sein], | |
die ab dem Sommer 2018 zunächst die NSU-Opferanwältin Seda Başay-Yıldız ins | |
Visier nahm und danach dutzende weitere Betroffene. Auf dem Polizeirevier | |
von Johannes S. waren zuvor ohne dienstlichen Grund die Daten von | |
Başay-Yıldız abgerufen worden, der 34-Jährige war für seine rechtsextreme | |
Gesinnung bekannt. Nun aber stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen | |
gegen ihn ein. | |
Das Verfahren sei bereits im Dezember eingestellt worden, da kein | |
hinreichender Tatverdacht begründet werden konnte, bestätigte ein Sprecher | |
der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main der taz. Zu weiteren Einzelheiten | |
wollte er sich nicht äußern. Es sei aber bereits Beschwerde gegen die | |
Entscheidung eingereicht worden, so der Sprecher. | |
Diese Beschwerde kommt von Başay-Yıldız und ihrer Anwältin Antonia von der | |
Behrens. Die Einstellung sei „derzeit nicht nachvollziehbar“, sagte von der | |
Behrens. „Die Fülle der Indizien gegen Johannes S. lässt für mich weiterhin | |
nur den Schluss zu, dass er mindestens am ersten Drohschreiben beteiligt | |
war.“ | |
Tatsächlich gibt es gleich mehrere Punkte, die Johannes S. belasten. So war | |
Johannes S. während des Datenabrufs zu Başay-Yıldız, am 2. August 2018, im | |
Revier im Dienst. Der Rechner war damals zwar mit einem Passwort geschützt | |
– dieses war aber allen Polizist*innen im Revier bekannt. Kurz darauf | |
folgte das erste „NSU 2.0“-Schreiben an Başay-Yıldız, das den Namen ihrer | |
damals zweijährigen Tochter enthielt, die mit dem Tod bedroht wurde. | |
Versandt wurde es über einen Onlinefax-Anbieter, verschlüsselt über einen | |
Tor-Browser. | |
## Hochzeitstorte mit SS-Uniform | |
Auch Johannes S. war mit Tor-Browsern vertraut, er hielt darüber in seiner | |
Polizeiausbildung einen Vortrag. Zudem war er [3][für seine rechtsextreme | |
Gesinnung bekannt]. Ermittler fanden Jugendfotos von ihm mit Hitlergruß. In | |
einer Chatgruppe mit Kolleg*innen, dem „Itiotentreff“ zog er über Migranten | |
oder Behinderte her, postete NS-Bildchen. Auf seiner Hochzeittorte wurde er | |
stilisiert in SS-Uniform dargestellt, am Kragen der Dienstgrad eines | |
„Obersturmbannführers“ – so nannte sich auch der „NSU 2.0“-Schreiber… | |
fanden sich auf dem Handy von Johannes S. Onlinesuchen nach „Yildiz in | |
Frankfurt“ und Filmzitate, die später auch in „NSU 2.0“-Schreiben | |
auftauchten. | |
Die Staatsanwaltschaft hatte deshalb gegen Johannes S. wegen | |
Volksverhetzung, Beleidigung, Bedrohung und Verletzung von | |
Dienstgeheimnissen ermittelt. Geprüft wurde nicht nur, ob er die Daten von | |
Başay-Yıldız im Revier abgerufen hatten, sondern auch ob er an den ersten | |
Drohschreiben der „NSU 2.0“-Serie selbst beteiligt war. | |
Dies aber sah die Staatsanwaltschaft nach taz-Informationen am Ende nicht | |
als nachweisbar an. Tatsächlich ist für die „NSU 2.0“-Serie Ende 2022 ein | |
arbeitsloser Informatiker aus Berlin, Alexander M., [4][verurteilt worden]. | |
Schon in dem Prozess hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, es hätten sich | |
keine Hinweise auf Mittäter ergeben, auch nicht auf Johannes S. Auch bei | |
Überwachungsmaßnahmen soll nichts Belastendes gegen den Polizisten gefunden | |
worden sein. Die Staatsanwaltschaft hielt daher am Ende eine Verurteilung | |
nicht für wahrscheinlich. | |
Auch gegen eine Kollegin von Johannes S., Miriam D., wurde bis zuletzt | |
ermittelt – und auch ihr Verfahren ist nun eingestellt. Die 38-Jährige | |
stand ebenso unter Verdacht an der „NSU 2.0“-Serie beteiligt gewesen zu | |
sein, weil an ihrem PC die Daten von Başay-Yıldız abgerufen wurden. Auch | |
hier sah die Staatsanwaltschaft letztlich aber keinen hinreichenden | |
Tatverdacht. Man habe bis zum Schluss nicht klären können, wer im Revier | |
die Abrufe tatsächlich vornahm. | |
## Keine Akteneinsicht gewährt | |
Die Anwältin von Seda Başay-Yıldız, Antonia von der Behrens, kritisierte | |
dagegen nicht nur die Verfahrenseinstellung, sondern auch, dass vor dieser | |
Entscheidung eine beantragte Akteneinsicht für Basay-Yildiz nicht gewährt | |
wurde. „Es ist symptomatisch für die Verfahrensführung durch die | |
Staatsanwaltschaft, die Geschädigte nicht oder zu spät zu informieren.“ Die | |
Beschwerde gegen die Einstellung wird nun die Staatsanwaltschaft nochmal | |
prüfen oder der Generalstaatsanwaltschaft vorlegen. | |
Gegen Johannes S. und Miriam D. ist indes weiterhin ein Verfahren wegen | |
Volksverhetzung wegen der „Itiotentreff“-Chatgruppe offen. Das Landgericht | |
Frankfurt lehnte hier einen Prozess bisher ab, [5][weil die Chatgruppe | |
nicht öffentlich gewesen sei] – für eine Volksverhetzung brauche es aber | |
eine größere Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen | |
Beschwerde ein. Laut einer Sprecherin des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main | |
ist darüber weiterhin nicht entschieden. | |
Die fünf damals an der Chatgruppe beteiligten Beamten sind derweil weiter | |
suspendiert, [6][vier von ihnen beziehen aber bis heute ihre Bezüge]. Ihre | |
Disziplinarverfahren sind wegen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens | |
ausgesetzt und werden erst nach Abschluss fortgesetzt. | |
4 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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