| # taz.de -- Buch über AfD vorgestellt: Reumütige Rechte reintegrieren | |
| > Journalist Marcus Bensmann fasst im Buch „Niemand kann sagen, er hätte es | |
| > nicht gewusst“ Recherchen der Correctiv-Plattform über die AfD zusammen. | |
| Bild: Hinter konservativem Schick: In dieser Potsdamer Villa planten Rechtsextr… | |
| Es waren viele, die Anfang des Jahres gegen die rechte Gefahr auf die | |
| Straßen gingen. Die Recherche der Investigativplattform Correctiv, | |
| [1][wonach Rechtsextreme mit AfD-Politiker:innen in Potsdam die Vertreibung | |
| von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund planten,] bewegte die | |
| Massen. Ob sie auch „die Republik verändert hat“, wie Correctiv-Journalist | |
| Marcus Bensmann in seinem Buch über die Pläne der AfD schreibt? Bei den | |
| Europawahlen jubelte die Rechtsaußenpartei jedenfalls über Zugewinne. | |
| Dabei musste die AfD ihren EU-Spitzenkandidaten kurz vor der Wahl noch | |
| verstecken: Maximilian Krah stand zuletzt wegen möglicher Spionagevorwürfe | |
| gegen seine Mitarbeiter sowie wegen Verharmlosung der SS in der Kritik. | |
| Bensmann zitiert aus dessen Buch „Politik von rechts“, in dem Krah zu | |
| bedenken gibt, dass man 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in | |
| den nächsten zehn Jahren wohl nicht gegen ihren Willen aus Deutschland | |
| ausweisen könne. Den „Integrationsunwilligen“ könne man ihren Aufenthalt | |
| jedoch zumindest vergällen, indem man die „Heirat von ‚Importbräuten‘“ | |
| verhindere – also darüber bestimme, wer wen heiraten dürfe. | |
| Krahs Buch, auch das schreibt Bensmann, werde im neurechten Antaios-Verlag | |
| im Doppelpack mit „Regime Change von rechts“ angeboten, einem Buch verfasst | |
| von [2][Martin Sellner, einflussreichem Ideologen der Identitären] Bewegung | |
| – einer Gruppierung, die offiziell noch auf der Unvereinbarkeitsliste der | |
| AfD steht. Von Sellner stammt auch der „Masterplan“ zur „Remigration“, … | |
| der Vertreibung von Millionen von in Deutschland lebenden Menschen, den er | |
| in Potsdam vorstellte. | |
| ## Menschenrechte gelten eher im Kontext | |
| Vieles deute darauf hin, dass die AfD derartige Pläne schon seit Jahren | |
| verfolge, sagt Bensmann bei der Premiere seines Buchs am Sonntag im | |
| Berliner Ensemble. Immerhin habe die Partei schon 2016 in einem | |
| Grundsatzprogrammentwurf ein Beschneidungs- und Schächtungsverbot | |
| festgeschrieben, das später wieder gestrichen wurde. Bensmann belegt | |
| ferner, dass die AfD sich von der „Westbindung“ zugunsten eines vereinten | |
| „Eurasiens“ unter russischer Dominanz verabschiedet habe. In dem Fall | |
| stelle die massenhafte Vertreibung von Menschen auch kein rechtliches | |
| Problem mehr dar, denn Menschenrechte, so zitiert Bensmann Krah, seien | |
| „nicht absolut, sondern im Kontext der Gesellschaft zu definieren“. | |
| Bensmanns Buch kommt ohne großen theoretischen Unterbau aus. Vielmehr | |
| stützt der ehemalige taz-Zentralasien-Korrespondent sich auf | |
| journalistische Recherchen von Correctiv sowie anderer Medien, zitiert | |
| mehrfach etwa Liane Bednarz, die auch die Buchpremiere Bensmanns moderiert. | |
| Die konservative Publizistin und Juristin bringt sich im Berliner Ensemble | |
| viel ein, erklärt und erzählt. Irgendwann überlegt sie laut, wie jemand wie | |
| Krah, der an der US-Eliteuniversität Columbia seinen Abschluss machte, sich | |
| überhaupt radikalisieren konnte. Immerhin brauche man Topnoten, um in New | |
| York zu studieren. | |
| Kontrovers wird Bensmann, wenn er auf Parteiaustritte zu sprechen kommt. | |
| Ehemaligen AfD-Mitgliedern, sagt er, sollte der Weg zurück ins | |
| demokratische Lager geebnet werden. Er begründet seinen Appell zur | |
| Reintegration reumütiger Rechter ausgerechnet mit einem Verweis auf die | |
| Nachkriegszeit. Vielleicht sei es „eine der ganz großen Leistungen der | |
| Bundesrepublik gewesen“, schreibt Bensmann, dass diese „vormaligen Nazis“ | |
| in die Gesellschaft aufgenommen worden seien, „ohne dass sie den | |
| demokratischen Aufbau gefährden konnten“. | |
| Dass NS-Kriegsverbrecher wie Friedrich Flick auch nach 1945 zu den | |
| reichsten Männern der BRD zählten, Flicks Sohn zudem [3][den vielleicht | |
| größten Korruptionsskandal der bundesdeutschen Geschichte verantwortete,] | |
| wird Bensmann wissen. Fritz Bauer dürfte in puncto „Gefährdung“ ebenfalls | |
| anderer Meinung gewesen sein. | |
| ## Die „woke Überdrehtheit“ sei schuld | |
| Bensmann verlässt in seinem Buch denn auch leider das Feld der Recherche | |
| und weiß den Aufstieg der AfD in zehn knappen Seiten zu begründen. „Die | |
| woke Überdrehtheit“, die dazu führte, dass einer der Heiligen Drei Könige | |
| heute nicht mehr von einem braun angemalten Kind gemimt werde, sei schuld. | |
| Ebenso die Grünen, die angesichts der Gasknappheit nach Ausbruch des | |
| Ukrainekriegs nicht „über ihren Schatten sprangen“ und die stillgelegten | |
| Kernkraftwerke ans Netz nahmen. Der Hinweis darauf, wer den Ausbau der | |
| erneuerbaren Energien jahrelang verschleppt hat, fehlt. | |
| Leute, die das Binnen-I ablehnten, sollten nicht an den rechten Rand | |
| gedrängt werden, sagt Bensmann, Debatten darüber müssten im demokratischen | |
| Diskurs geführt werden. Eine Zuschauerin warnt daraufhin davor, sich | |
| Positionen der AfD zu eigen zu machen. Bekanntlich wählen die Menschen am | |
| liebsten das Original: Dass Olaf Scholz vom Cover des Spiegels tönte, „wir“ | |
| müssten „endlich im großen Stil abschieben“ hat der SPD bislang zu keinen | |
| erkennbaren Wahlerfolgen verholfen. | |
| Dass es auch die CDU war, die die vielbeschworenen „Grenzen des Sagbaren“ | |
| verschoben hat, reißt Bensmann zumindest gegen Ende seines Buchs an. Wenn | |
| Friedrich Merz gegen Geflüchtete wettert, die sich beim Zahnarzt „die Zähne | |
| neu machen“, während „die Deutschen“ keine Termine kriegten, setze der | |
| CDU-Chef auf eine gefährliche Tonlage, so Bensmann. An anderer Stelle | |
| scheint der Autor pragmatisch: Wenn in irgendeinem Rathaus die CDU mal für | |
| einen AfD-Antrag stimme, werde die Brandmauer schon nicht brechen. | |
| 8 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
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