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# taz.de -- Protest gegen Martin Sellner in Berlin: „Remigriert euch ins Knie…
> Rund 1000 Menschen demonstrierten am Freitag gegen einen Auftritt des
> Rechtsextremisten. Für seine Zuhörer wurde es nicht nur deswegen
> ungemütlich.
Bild: Besonders präsent bei der Demo gegen den Sellner-Auftritt im Berliner S�…
BERLIN taz | Eine so lautstarke Kundgebung hat der Berliner Ortsteil
Lichterfelde wohl selten erlebt: Unter dem Motto: „Re-Migration? Nein
Danke! Wir bleiben hier!“ protestierten am Freitagabend bis zu 1000
Menschen aller Altersgruppen gegen einen Auftritt des österreichischen
Rechtsextremisten Martin Sellner. Dieser wurde von dem rechtsextremen
ehemaligen AfD-Abgeordneten Andreas Wild in die „Staatsreparatur“ im
Südwesten der Bundeshauptstadt eingeladen. Organisiert hatte die
Gegenkundgebung die Gruppe „Steglitz-Zehlendorf weltoffen“, zahlreiche
weitere Initiativen wie [1][Omas gegen Rechts] und Parteien von der Linken
über die Grünen bis hin zu SPD und Volt riefen zur Teilnahme an der
Kundgebung auf.
Die Polizei hatte die Straße vor dem rechten Treff abgesperrt und 200
Beamt*innen eingesetzt, um mögliche nicht genehmigte Proteste zu
unterbinden. Viele Protestierende hielten Schilder und Transparente in die
Höhe. Die Rede- und Musikbeiträge der Kundgebung mussten immer wieder
unterbrochen werden, da sie von einschlägigen Sprechchören gegen Rechts
übertönt wurden.
Der Obstverkäufer im Bahnhof wollte gar nicht so genau wissen, was da vor
dem Bahnhof los war. „Irgendeine Demo“ sagte er lapidar. Vereinzelt setzten
sich Demonstrierende auf die Straße oder vor den Eingang des Bahnhofs,
wurden aber von der Polizei wieder weggezerrt.
Die gemächlich eintrudelnden, meist älteren Rechten wurden mit „Nazis
raus“-Rufen empfangen und von der Polizei hilfsbereit an der
Gegenkundgebung vorbeigelotst, nur vereinzelt ließen sie sich vor der
„Staatsreparatur“ blicken. Unter den Besucher*innen des
Sellner-Vortrags waren auch Mitglieder von AfD und Junge Alternative.
„Der Faschismus droht wieder, in der Gesellschaft anzukommen“, betonte ein
sehr junger Redner von „Aufstehen gegen Rassismus“ mit ruhiger Stimme.
„Umso wichtiger, dass wir heute hier sind und laut und deutlich sagen: „Nie
wieder! Kein Fußbreit den Faschisten!“ Die volkstümliche Musik der
Gegenkundgebung hätte sicher auch den Teilnehmer*innen des rechten
Vortrags gefallen, doch gegen Ende heizte noch das spanisch-deutsche Duo
Global Origins den Demonstrierenden mit antifaschistischem Hiphop ein.
„Lichterfelde-Ost braucht keine Staatsreparatur; wir reparieren uns
selbst“, rief eine Frau entschlossen ins Mikrofon; „Remigriert euch ins
Knie!“
## Brandschutzbegehung im rechten Vereinslokal
Die „Staatsreparatur“ ist ein kleines Vereinslokal in unmittelbarer Nähe
des S-Bahnhofs Lichterfelde-Ost. Der Vereinsvorsitzende Andreas Wild hatte
Sellner eingeladen, sein Buch „Remigration“ vorzustellen. Bei dem Titel
handelt es sich um einen verharmlosenden Begriff zur massenhaften
Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund.
Sellner ist der Gründer der „Identitären Bewegung Österreich“ und ein
wichtiger Akteur der Neuen Rechten. Der 35-jährige hatte seine kruden
„Remigrationspläne“ unter anderem im vergangenen November [2][auf einem
rechten Geheimtreffen in Potsdam] vorgestellt. Die Enthüllung dieser
Zusammenkunft und ihrer Inhalte durch das Recherchenetzwerk Correctiv
[3][hatte zu riesigen Demonstrationen gegen die AfD geführt] – aber auch
dazu, dass sich die These von der „Remigration“ in Deutschland weit
verbreitete. Remigration wurde sogar zum Unwort des Jahres gekürt. Sellner
erhielt Einreiseverbot für die USA und Großbritannien, das in Deutschland
verhängte Einreiseverbot [4][wurde jedoch Ende Mai durch das
Verwaltungsgericht Potsdam vorerst wieder aufgehoben].
Sellners Buch ist im [5][Antaios-Verlag des rechten Vordenkers Götz
Kubitschek] erschienen. Sellner bezeichnete Kubitschek als wegweisend für
die eigenen politischen Aktivitäten und ist auch Mitarbeiter von dessen
rechtem „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda. Im Mai wurde das
Institut aus taktischen Gründen aufgelöst, [6][besteht aber de facto unter
einem anderen Namen weiter]. „Schnellroda“ war auch die E-Mail-Adresse zur
Anmeldung für die Veranstaltung in der „Staatsreparatur“.
Für Sellner war die Publicity nach den Correctiv-Enthüllungen
möglicherweise von Vorteil, für die „Staatsreparatur“ könnte sich die
Veranstaltung jedoch als Bumerang erweisen: Nachdem im Februar ein Auftritt
des [7][rechtsextremen Politikers André Poggenburg] in dem Vereinslokal für
viel Protest gesorgt hatte, sei nun erneut „berlinweit Aufmerksamkeit auf
den Laden gerichtet“ worden, sagte Björn von „Steglitz-Zehlendorf
weltoffen“. „Wir haben den Laden im Blick und werden weiterhin so lange
Protest organisieren, bis hier nichts mehr stattfindet“, so der Sprecher.
„Wir haben die Veranstaltung in den Hinterhof zu den Mülltonnen
vertrieben“, ergänzte er grinsend.
Tatsächlich hatte am Freitagvormittag das Bezirksamt im Laden eine
Brandschutzbegehung durchgeführt und verfügt, dass sich nur zehn Personen
im Raum aufhalten dürften. Ein großer Teil der rund 60 Zuhörer*innen
musste Sellner deshalb im Hinterhof lauschen. Für sie war das ungünstig,
denn sie bekamen ständig „Nazis raus“-Rufe vom nahen Bahnsteig zu hören,
mit denen sich die abziehenden Kundgebungsteilnehmenden die Wartezeit bis
zur nächsten S-Bahn vertrieben.
13 Jul 2024
## LINKS
[1] /Petition-der-Omas-gegen-Rechts/!6018131
[2] /Rechtes-Geheimtreffen-in-Potsdam/!5985429
[3] /Demos-gegen-Rechtsextreme-am-Wochenende/!5994320
[4] /Potsdamer-Geheimtreffen/!6015236
[5] /Antaios-Verlag-von-Goetz-Kubitschek/!6017560
[6] /Institut-fuer-Staatspolitik-aufgeloest/!6007332
[7] /Die-Nationalkonservativen-statt-AfD/!5564594
## AUTOREN
Darius Ossami
## TAGS
Martin Sellner
Schwerpunkt Rassismus
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