# taz.de -- Der Hausbesuch: Göttinnen der Straße | |
> Am 1. September wird den „Omas gegen rechts“ der Aachener Friedenspreis | |
> verliehen. Zu Besuch bei den Leipziger „Krawall-Omas“ in Connewitz. | |
Bild: Als Meta Mukasa (vorne rechts) den Spati zum ersten Mal sah, sei es „Li… | |
In Leipzig gibt es die „Omas gegen rechts“ zweimal. Die eine Gruppe macht | |
Bildungsarbeit, die andere geht auf die Straße. Meta Mukasa gehört zur | |
zweiten Fraktion. Wie auch die „Supportgruppe“, die ihr heute in ihrem | |
Späti in Leipzig-Connewitz beisteht. Interviews regen Mukasa auf. „Fast | |
musste ich gestern Rescue-Tropfen nehmen, um schlafen zu können“, sagt die | |
65-Jährige. Die große Frau mit den weißen Haaren und dem breiten Lächeln | |
ist sonst mutig. Wegen ihrer politischen Arbeit möchte sie aus | |
Sicherheitsgründen aber nicht zu Hause besucht werden. Mukasa sagt: „Der | |
Späti ist mein Wohnzimmer.“ | |
Draußen: Die Brautspieren blühen weiß. Nach dem Regen duften sie intensiv. | |
Am Spielplatz schreien Kinder. Antifaschistische Graffiti und Aufkleber | |
sieht man hier und überall in Connewitz. Der Späti so wie der Park | |
gegenüber sind beliebte Treffpunkte im Kiez: An den Außentischen trinkt | |
Meta Mukasa mit ihrem „Liebsten“ – wie sie ihren Lebenspartner Bernd nennt | |
– Kaffee. | |
Drinnen: „Nicht um die Ecke fotografieren, dort ist es dreckig“, sagt die | |
Spätiverkäuferin. Es läuft laute Musik – Metall, Hardcore, Punk und im | |
Hintergrund Kaffeemaschinengeräusche. Es werden vegane Muffins angeboten. | |
Einige Sticker kleben an der Tür: „Do not dance with the police“ (tanz | |
nicht mit der Polizei), „fck afd“ und „Oma gegen rechts Leipzig“. Auf e… | |
Stehtisch mit Hockern gibt es Spendendosen für Antifaprojekte. An einer | |
Wand hängt eine Vinylplatte: „Connewitz, wir sind alle linxs.“ | |
Die Omas: Die „Hausbesuch-Supporter Gruppe“ der Omas, die sich am Späti | |
versammelte, sei keine „typische Gruppe“, erzählen sie. Sie seien relativ | |
jung und viele noch berufstätig. Einige haben wegen ihrer Kinder und | |
Enkelkinder angefangen, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren, andere | |
wiederum sind die ersten oder die Einzigen in ihren Familien. Wie Meta | |
Mukasa, die keine Enkelkinder hat und es „für die nächsten Generationen“ | |
macht. Was die Omas gegen rechts gemeinsam haben? „Wir sind unermüdlich, | |
wir möchten nicht zu Hause bleiben und uns über die politische Lage | |
beschweren, wir möchten etwas daran ändern“, sagt Mukasa. „Und zeigen, da… | |
das möglich ist.“ | |
Die Straßen-Omas: Silke (53), Sibylle (58), Elke (60), Katrin (59), Liane | |
(71) und auch Bernd (66) möchten sich lieber ohne Nachnamen in der taz | |
wiederfinden. Sie tauchen nach und nach am Späti auf, sie kommen gerade von | |
einer Mahnwache am Naschmarkt, einem kleinen Platz in der Leipziger | |
Innenstadt, wo sie mit ihrem Stand versuchen, Menschen zu überzeugen, keine | |
rechten Parteien zu wählen. Sie bringen Sticker, Flyer und Plakate mit. | |
Alles selbstgemacht, auch einen Kuchen. „Für das Oma-Klischee“, sagt Mukasa | |
und lacht. | |
Meta: Es sei gut, auch außerhalb der „Connewitzer Bubble“ mit Leuten zu | |
reden. Im Kiez kennen Meta alle. Mit einer Zigarette im Mund organisiert | |
sie Bierkisten, damit alle Omas sitzen können. Dass sie wegen eines | |
Interviews nervös ist, sei eine Ausnahme. Sonst sei Meta Mukasa eine, die | |
sich viel traut. Das zeigt auch ein Video von ihr, das viral ging, auf dem | |
sie auf ihrem Rad sitzt und den Rechtsextremen der Partei Freie Sachsen | |
hinter einem Polizisten den Mittelfinger zeigt. Der Polizist versuchte, sie | |
davon abzuhalten, ohne Erfolg. Ihr Dreirad sei auch ihr Kennzeichen. Mukasa | |
sei nie ohne ihr Fahrrad unterwegs. | |
Die Leipziger Omas: Die lokale Gruppe wurde von Katrin und Sybille | |
gegründet, nachdem sie sich mit den Omas in Halle ausgetauscht hatten. Sie | |
fanden sonst, wie sie das sagen, „keine Peer-Demos mehr“. Am Anfang standen | |
sie zu zweit mit „Omas gegen rechts“-Schildern auf der Straße. Nach und | |
nach sind die anderen dazugestoßen. Ähnlich war es bei Meta. „Ich war 2019 | |
auf einer Demo und jemand drückte mir ein Schild der Omas in die Hand.“ Ob | |
sie das mal halten könne, war die Frage. Seitdem sei sie dabei. Angefangen, | |
protestieren zu gehen, hatte sie bereits 2014. „Als die Leute gegen | |
Geflüchtete hetzten, haben Bernd und ich gedacht, dass wir nicht einfach | |
sitzen bleiben können.“ Auch gegen Pegida und Legida waren sie unterwegs. | |
Inspiration: Elke sei zu den Omas gekommen, nachdem sie einen Vortrag einer | |
14-jährigen Antifa-Aktivistin gehört habe, die jeden Montag auf die Straße | |
geht, wenn die Rechten demonstrieren. „Sie wurde öfters zusammengeschlagen | |
und blieb dabei. Das hat mich berührt und inspiriert“, sagt die gebürtige | |
Schwarzwälderin. „Ich muss auch etwas gegen diese Nazis unternehmen, dachte | |
ich.“ | |
Keine Alternative: Viele der anwesenden Omas kämpfen vor allem für ihre | |
Enkelkinder gegen die Rechten. Andere finden, dass es einfach keine andere | |
Option gibt, als etwas zu machen. So wie Katrin: „Wir müssen aktiv sein, | |
dieses Jahr. Es ist so wichtig“, meint sie. „Wir sind aktuell die aktivste | |
Gruppe dieser Stadt. Jede Woche haben wir zwei, manchmal auch drei Termine. | |
Wir sehen keine Alternative dazu.“ Sie stellen auf TikTok Videos ein, | |
Worst-Case-Szenarien, falls die AfD an die Macht kommt, gehen in | |
Seniorenheime, auf Stadtteilfeste und mit „übelst guter Musik auf | |
Wahlermutigungstour“. Man müsse vielen Menschen noch erklären, warum es | |
gefährlich sei, wenn die AfD stärkste Partei im Landtag wird, sagen die | |
Omas. | |
Engagement: Auch Meta sieht das so. Ihre erste Demo als Jugendliche war | |
gegen den Paragrafen 218, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellt. | |
„Ich kann nicht glauben, dass das 50 Jahre später noch immer Thema ist“, | |
sagt sie. Sie war Industriekauffrau in der Automobilindustrie. Politisch | |
interessiert schon immer. Und doch: um sich zu engagieren, hatte sie als | |
Berufstätige keine Zeit. Erst mit Mitte 50 habe sie angefangen, | |
ehrenamtliche Tätigkeiten auf lokaler Ebene zu übernehmen. Seit 2014 in der | |
Umweltbibliothek, in einem Reparaturcafé namens Kaputt aber auch im | |
Stadtverband der Linken, bei denen sie Mitglied war, als Vertrauensperson. | |
Aktuell sei sie parteilos. | |
Der Späti: Meta wurde in Karlsruhe geboren und wohnte dort, bis sie 16 war. | |
„Danach habe ich überall gewohnt.“ In Leipzig sei sie mit Bernd 2013 | |
geblieben, weil sie sich in die Stadt verliebt habe. Besonders in | |
Connewitz. Das Erste, was sie von Leipzig sah, war jener Späti, der heute | |
auch Zuhause für sie ist. Sie waren nur am Vorbeifahren. „Wir mussten auf | |
die Toilette und haben hier gefragt. Die Leute waren so nett und ich hatte | |
so eine Verbindung mit dem Ort. Es war Liebe auf den ersten Blick.“ | |
Die Fans: Die „Wahlermutigung“ ist einer der Schwerpunkte ihrer Aktionen. | |
„Liebe Leute, geht wählen!“ heißt das Motto. „Macht Kreuze, um die Hake… | |
verhindern“, steht auf einer Postkarte, auf der Meta mit ihrem Rad | |
abgebildet ist. Es komme nur selten vor, dass jemand nicht mit ihnen reden | |
wolle. „80 Prozent der Reaktionen sind positiv, 20 Prozent negativ“, sagt | |
Katrin. „Wenn ich älter werde, möchte ich auch bei den Omas sein“, habe | |
Elke gehört. „Viele möchten Selfies mit uns schießen“, sagt sie und lach… | |
„Wir fühlen uns wie Fotomodelle.“ Auch im Umland würden sie positives | |
Feedback bekommen. „Gerade bei der Jugend. Die lieben uns, wir sind Pop“, | |
sagt Katrin. | |
Familie und Freund*innen: Ihre Kinder und Enkelkinder seien „so angespannt | |
mit Arbeit, Geldverdienen und Familie“, dass sie keine Zeit für Proteste | |
haben, sagt Elke. „Sie sagen mir: ‚Mama, das ist so wichtig, dass du das | |
machst. Du kämpfst für uns.‘ Aber sie sagen auch, ich soll vorsichtig | |
sein“. | |
Gefahr: Die Omas reden durcheinander: „Ich habe einen Nazi-Schwager“, sagt | |
eine. „Mein Sohn möchte, dass ich immer Bescheid sage, wenn ich zu Hause | |
bin“, die andere. Auch Meta hat Angst, wenn ein Auto langsam an ihr | |
vorbeifährt und sie beobachtet wird. Doch die größte Angst ist bei allen, | |
dass sich die Geschichte wiederholt und die AfD „ein Programm durchzieht | |
wie im Nazi-Deutschland der 30er Jahren, weil die Leute nicht kapieren, | |
dass sie das Land umstrukturieren wollen“. Viele Omas sind aktiv, weil sie | |
nicht wollen, dass ihre Enkel ihnen später einmal diese eine Frage stellen: | |
„Was hast du dagegen getan?“ Und sie antworten müssten: „Nichts.“ | |
31 Aug 2024 | |
## AUTOREN | |
Luciana Ferrando | |
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einzuladen. |