# taz.de -- Friedensforschungsinstitut Sipri: Atommächte setzen auf Abschrecku… | |
> Die Zahl einsatzbereiter Atomsprengköpfe steigt laut Sipri-Jahresbericht | |
> kontinuierlich. Spitzenreiter sind die Vereinigten Staaten und Russland. | |
Bild: Die Welt rüstet auf: Russland trainiert den Einsatz taktischer Atomwaffen | |
STOCKHOLM dpa | Die Atommächte setzen angesichts zahlreicher | |
internationaler Konflikte verstärkt auf eine nukleare Abschreckung. Die | |
Anzahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe steigt kontinuierlich, wie aus | |
dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht des Stockholmer | |
Friedensforschungsinstituts Sipri hervorgeht. Zwar würden ausrangierte | |
Sprengköpfe demontiert und die weltweite Zahl der Kernwaffen sinke seit | |
Jahrzehnten. Zugleich würden aber immer mehr Sprengköpfe einsatzfähig | |
gehalten. | |
Auch die Anzahl der in der Entwicklung befindlichen Kernwaffen hat laut | |
Sipri zugenommen, da Staaten verstärkt auf nukleare Abschreckung setzen. | |
Vom weltweiten Gesamtbestand der schätzungsweise 12.121 Sprengköpfe im | |
Januar 2024 befanden sich etwa 9.585 in militärischen Lagerbeständen für | |
den potenziellen Einsatz. Rund 3.904 dieser Sprengköpfe waren auf Raketen | |
und Flugzeugen bestückt – 60 mehr als im Januar 2023. Der Rest befand sich | |
laut Bericht in Zentrallagern. | |
Insgesamt neun Länder verfügen nach Angaben des Instituts über Atomwaffen. | |
Spitzenreiter sind die USA und Russland. In ihren Beständen befinden sich | |
etwa 90 Prozent aller nuklearen Sprengköpfe. Großbritannien rangiert auf | |
dem dritten Platz gefolgt von Frankreich, China, Indien, Pakistan, | |
Nordkorea und Israel. Deutschland besitzt solche Waffen nicht. | |
Zusätzlich zu ihren militärischen Beständen haben Russland und die USA | |
jeweils mehr als 1.200 Sprengköpfe, die zuvor aus dem Militärarsenal | |
genommen wurden und nach und nach abgebaut werden. | |
## USA und Russland dominieren bei Atomwaffenbestand | |
„Während die Gesamtzahl der nuklearen Sprengköpfe weltweit weiter sinkt, da | |
die Waffen aus der Zeit des Kalten Krieges allmählich abgebaut werden, | |
steigt die Zahl der einsatzbereiten Nuklearsprengköpfe leider weiterhin von | |
Jahr zu Jahr“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith in dem Bericht. Die | |
Friedensforscher erwarten eine Fortsetzung und Beschleunigung des Trends, | |
was „äußerst besorgniserregend“ sei. | |
Etwa 2.100 der eingesetzten Sprengköpfe wurden auf ballistischen Raketen in | |
hoher Alarmbereitschaft gehalten, hieß es. Nahezu alle diese Sprengköpfe | |
gehörten Russland oder den USA. Erstmals soll aber auch China einige | |
Sprengköpfe in hoher Alarmbereitschaft halten. | |
Das dortige allgemeine Atomwaffenarsenal stieg von 410 im Januar 2023 | |
gezählten Sprengköpfen auf 500 im Januar 2024. „China baut sein | |
Atomwaffenarsenal schneller aus als jedes andere Land“, sagte Sipri-Experte | |
Hans Kristensen. Doch ausnahmslos alle nuklear bewaffneten Staaten hätten | |
Bestrebungen, die Bestände weiter aufzustocken. | |
## Auswirkung auf internationale Beziehungen | |
Dabei will sich aber keiner so recht in die Karten schauen lassen. Die | |
Transparenz in Bezug auf die Nuklearstreitkräfte der beiden führenden | |
Länder habe nach [1][Beginn des russischen Angriffskrieges] in der Ukraine | |
im Februar 2022 abgenommen, beklagen die Sipri-Experten. Auch in den | |
übrigen Ländern sei die Transparenz zurückgegangen. An Bedeutung gewonnen | |
habe hingegen die Debatte über Vereinbarungen zur gemeinsamen Nutzung von | |
Atomwaffen. | |
„Wir haben [2][seit dem Kalten Krieg] nicht mehr erlebt, dass Atomwaffen | |
eine so herausragende Rolle in den internationalen Beziehungen spielen seit | |
dem Kalten Krieg“, sagte Wilfred Wan, Leiter des Sipri-Programms für | |
Massenvernichtungswaffen. | |
Die Atomdiplomatie hat seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im | |
Februar 2022 mehrere Rückschläge erlitten. Kremlchef Wladimir Putin hatte | |
im Februar 2023 den Abrüstungsvertrag „New Start“ – den letzten großen | |
atomaren Abrüstungsvertrag mit den USA – außer Kraft gesetzt. Dieser | |
begrenzt die Atomwaffenarsenale beider Länder und regelt Inspektionen. Auch | |
Gespräche über ein Nachfolgeabkommen für den 2026 auslaufenden Vertrag | |
wurden auf Eis gelegt. | |
Im November 2023 zog Russland seine Ratifizierung des Vertrags über das | |
umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT) zurück und begründete dies | |
mit einem „Ungleichgewicht“ gegenüber den USA, die den Vertrag nicht | |
ratifiziert hatten, seit er 1996 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde. | |
Zuletzt kündigte Russland im Mai 2024 taktische Atomwaffenübungen nahe der | |
ukrainischen Grenze an. | |
17 Jun 2024 | |
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